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Artikel: Das WIR gewinnt

Das WIR gewinnt(Leitartikel „Das WIR gewinnt“ aus Gemeinde Aktuell – Gemeindebrief der EFG Wiedenest 3. Ausgabe 2015 – 04.10.2015)

Wenn dich dieses Material inspiriert: Vielleicht willst du dann mit einer Spende das Projekt helpMy unterstützen: helpMy! – Gründung und Förderung von christlichen Kindergärten in Slums von Yangon/Myanmar.

Das WIR gewinnt
Mit diesem Slogan der Aktion Mensch, „Das WIR gewinnt“, war auch die erste Predigt der aktuellen Predigtreihe (09.2015) zum Buch Nehemia überschrieben. Nehemia baut als Stadthalter um ca. 440 v. Chr. die völlig zerstörte Stadtmauer Jerusalems wieder auf und eint das jüdische Volk. Er geht voran, ist Vorbild, führt Gottes Auftrag aus und schafft es, dass sich die Jerusalemer als „WIR“ verstehen. Denn nur gemeinsam sind sie stark und können eine völlig zerstörte Stadtmauer in 52 Tagen wieder aufbauen.
Stadtmauern braucht man heute bei uns nicht mehr. Sie hindern den Verkehr und das Wachstum der Stadt. Heute schätzt man Stadtmauern nur noch als kulturelles Erbe.
Aber zur Zeit von Nehemia war eine Stadtmauer enorm wichtig. Nur eine gute Stadtmauer konnte die Bewohner einer Stadt schützen. Das Bedürfnis nach Schutz ist wichtig. Gerade uns Deutschen sagt man nach, dass Sicherheit eines unserer größten Bedürfnisse ist. Damit ist das, was Nehemia um 440 v. Chr. macht, auch für uns heute enorm relevant.
Drei Dinge können wir von Nehemia lernen:

1. Entdecke deine Verantwortung!
Nehemia ist angetreten, um das Bedürfnis seines Volkes nach Schutz zu befriedigen. Er packt es an. Er tritt als Gestalter, als Macher, auf. Dafür braucht ein Mensch eine gewisse Offenheit. Ein Mensch, der Dinge ändert, muss eine Vision haben: die Vision, einen schlechten Zustand in einen guten Zustand zu verändern. Als Nehemia aus weiter Ferne von der völlig zerstörten Stadtmauer seiner Heimatstadt Jerusalem hört, lesen wir: „Als ich das hörte, setzte ich mich nieder und weinte. Tagelang trauerte ich, fastete und flehte den Gott des Himmels an“ (Nehemia 1,4).
Nehemia wird von einer Nachricht getroffen und ist betroffen. Ihn lässt der Zustand seiner Heimatstadt und seines Volkes nicht kalt. Er muss sich hinsetzen. Er verliert die Fassung. Er weint. Er trauert. Aus dieser Trauer wächst das Gefühl der Verantwortung.
Für was spürst du die Verantwortung? Wo gibt es Nöte und Dinge in deiner Umgebung, die unbedingt verändert werden müssten? Das kann in der Familie sein. Das kann in der Nachbarschaft sein. Das kann am Arbeitsplatz sein. Was hast du auf dem Herzen? Wo willst du Not wenden in deiner Umgebung?
Ich wünsche uns als Gemeinde immer wieder diese Betroffenheit. Denn wir haben ja auch eine Vision. Oder besser: eine Mission. Wir sollen der ganzen Welt bekanntmachen, dass es einen lebendigen Gott gibt. Der Zustand unseres Landes und auch unserer Stadt darf uns nicht kaltlassen. Viel zu viele Menschen in Wiedenest, Bergneustadt, Oberberg, NRW, Deutschland und Europa kennen Jesus Christus nicht. Sie leben am Ziel des Lebens vorbei. Sie haben keinen Kontakt zu ihrem Schöpfer und Retter. Das ist eine Notsituation. Wie kann man die Not wenden?
Als Gemeinde sind wir von Jesus Christus in diese Welt gesandt. Wir sollen Menschen von ihm erzählen. Da wo wir sind: alleine am Arbeitsplatz, aber auch als Gemeinschaft. Die „Gute Nachricht“ muss noch von vielen gehört werden. Es ist sehr, sehr schade, dass so viele Leute nichts von Gott wissen. Da liegt in unserer Stadt und in unserem Land noch einiges in Trümmern.

2. Investiere dich in andere und ermutige sie
Nehemia weiß, dass er die Stadtmauer nicht alleine aufbauen kann. Deshalb gewinnt er wichtige Mitarbeiter. In Nehemia 2,18 lesen wir: „Ich erzählte ihnen auch, wie die gütige Hand meines Gottes mir geholfen und was der König mir gewährt hatte. Da sagten sie: ‚Ja, ans Werk, bauen wir sie auf!‘ Und sie machten sich mit Eifer an die Vorbereitungen zu dem wichtigen Unternehmen.“
Ein Gestalter oder Macher braucht immer Mitgestalter oder Mitmacher. Die Aufgabe von Leitern ist es, anderen Menschen Räume zur Entfaltung zur Verfügung zu stellen, sie freizusetzen. Im Englischen nennt man das „Empowering“. Das ist auch die Aufgabe von Leitern in der Gemeinde. Der große Gelehrte Paulus schreibt an die Leiter der Gemeinde in Ephesus, dass es darum geht, Menschen auszurüsten für den Dienst (Epheser 4,11–12).
Auch im normalen Beruf ist das eine wichtige Aufgabe von Leitern. Der Amerikaner Bill George (George 2015) hat ein säkulares Buch über Leiterschaft geschrieben, in dem er Firmenleiter von weltweit tätigen Firmen interviewt hat. Er nennt fünf Dinge, die für Leiter von heute wichtig sind.

  • Echtheit (Authentizität) ist das höchste Gut für einen Leiter.
  • Charakter, Demut und Dienstbereitschaft sind heute wichtiger als Charisma, Image und Stil.
  • Bevollmächtigende Leitung ist „in“ – hierarchische Leitung ist „out“.
  • Leiter feiern die Vielfalt und verstehen, wie man in einer globalen Welt führt.
  • Sie kennen die Bedürfnisse der Gesellschaft und nutzen ihre Firmen auch, um einen Wert für alle zu schaffen.

Natürlich können wir Nehemias Leitungsstil nicht eins zu eins auf das 21. Jahrhundert anwenden, aber vieles von dem, was Bill George über heutige Leiter schreibt, trifft auf Nehemia zu. Wenn du ein Leiter bist, orientiere dich an Nehemia. Egal ob du in einer Firma, einem Verein oder in der Gemeinde leitest. Vor allen Dingen: Bevollmächtige andere Menschen!

3. Gemeinsam sind wir stark
Diese Bevollmächtigung ist auch wichtig, weil wir alleine zu schwach sind. Nehemia konnte nicht alleine die Stadtmauer bauen und wir können nicht alleine die Welt mit der guten Nachricht erreichen. Wir brauchen uns als Gemeinschaft. Wir brauchen die Gemeinschaft, die Gemeinde, die Kirche. Wir alle müssen mitarbeiten.
Als Gemeinschaft müssen wir sagen: „Los jetzt! Ans Werk! Gott ist mit uns! Lasst uns die Welt erreichen.“ Wir brauchen den Gottesdienst, um uns senden zu lassen für die nächste Woche. Um die „Gute Nachricht“ am Arbeitsplatz und in der Familie zu verbreiten. Und ab und zu brauchen wir auch gemeinschaftliche Projekte, um als Gemeinde die Welt zu erreichen.
Gemeinschaft heißt auch: Wenn jemand aus unserer Gemeinden krank ist, dann beten wir Sturm. Wir besuchen. Wir fragen nach. Wir trauern mit, wenn jemand stirbt. Wir freuen uns, wenn Leute heiraten oder 25 Jahre oder 50 Jahre verheiratet sind. Wir beten gemeinsam Gott an. Wir feiern das Abendmahl. Wir bilden eine Gemeinschaft. Wir arbeiten gemeinsam. Wir sind der Körper von Christus, der Body (1. Korinther 12,12–27).
Und wir dürfen uns auch mal von diesem Körper auffangen lassen. Wir dürfen uns unterstützen lassen. Wir dürfen aber auch selbst unterstützen. Unseren Beitrag bringen. Finanziell, durch Mitarbeit, durch Leistung. Und gemeinsam müssen wir den großen Auftrag umsetzen, den Jesus uns gegeben hat.

Ich bin davon überzeugt, dass das WIR gewinnt. Ich glaube an eine starke christliche Gemeinschaft hier im Dörspetal und in den Tälern. Eine Gemeinschaft, die Schutz bieten kann. Eine Gemeinschaft, die trösten kann. Eine Gemeinschaft, die Fremde willkommen heißt. Eine Gemeinschaft, die betet, die an den wichtigsten Stationen des Lebens zusammenhält. Eine Gemeinschaft, die Geld zusammenlegt für gute Werke, die Not lindert und die gemeinsam den großen Auftrag von Jesus umsetzt.
Ich wünsche mir, dass wir das mehr in den Blick nehmen – alle, gemeinsam. Lasst uns unsere Welt, unsere Stadt und unser Dorf mit der guten Nachricht erreichen. Lasst uns von Jesus erzählen. In der Schule und am Arbeitsplatz.
Lasst uns gute Taten tun, damit die Leute anfangen, Gott zu preisen.

2015.09_Das WIR gewinnt_Gemeindebrief EFG Wiedenest

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Glaube/Nachfolge Skript Verkündigung/Predigt

Neu online: Prediger 11,7-10 / locker genießen

SAMSUNG DIGITAL CAMERAEin neues Predigtkonzept ist online: Prediger 11,7-10 / locker genießen

Skopus:
Der Prediger fordert junge Menschen auf, ihr Leben zu genießen, weil das Leben kurz ist. Dabei sollen sie den Herrn des Lebens im Blick zu haben.

I. Einleitung
II. Predigt:
1. Erkenne deine Lebensphase
2. Veränderungen in deiner Lebensphase
III. Textlesung
3. Genieße deine Lebensphase
4. Gestalte deine Lebensphase
IV. Abschluss

Einmal als Predigtversion und einmal als Version in Richtung Bibelarbeit im Rahmen einer Jugendstunde.

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Leitung Mitarbeiterführung Rezensionen

Rezension: Das Prinzip Selbstverantwortung

Das Prinzip Selbstverantwortung, SprengerBuchbesprechung eines Klassikers: Sprenger, Reinhard K., Das Prinzip Selbstverantwortung – Wege zur Motivation, Frankfurt: Campus 1995, 251 Seiten
3,5 von 5 Punkten

Reinhard Sprenger schreibt gegen den Pontius-Pilatus-Tonfall des „Ich bin nicht verantwortlich“ an (:9). Für ihn gibt es „… keine wichtigere betriebswirtschaftliche Gestaltungsaufgabe als die Wiedereinführung der Selbstverantwortung in die Unternehmen.“ (:12).

In vielen Unternehmen herrscht Opfermentalität, Unsicherheit und organisierte Unverantwortlichkeit (:21). Hauptfaktor für dieses Denken ist die Hierarchie. Sie geht von der Annahme aus, dass Mitarbeiter „… weder willens noch fähig sind, ihre eigene Arbeit selbst zu organisieren und zu kontrollieren.“ (:25). Selbstverantwortung ist dagegen die Entscheidung des Mitarbeiters, eine Beziehung zum Unternehmen einzugehen. Das ist für Sprenger Commitment: Autonomie, Engagement, Kreativität, sowie das Versprechen: Ich tue es! Verantwortung wird so als Lust und nicht als Last empfunden.

Das Buch gliedert sich nach dieser Einleitung in zwei große Teile. Im sogenannten philosophischen Hauptstück beschreibt er die drei Säulen der Selbstverantwortung: Wählen (Autonomie), Wollen (Initiative) und Antworten (Kreativität). „Sie haben ihre berufliche Situation, so wie sie jetzt ist, frei gewählt. Und damit sind Sie auch für die Konsequenzen ihrer Wahl selbst verantwortlich.“ (:42). Freiheit ist der Zwang sich zu entscheiden. „Tatsache ist, dass wir nur eines nicht wählen können: das Wählen.“ (:57). Eingeschlossen ist auch die Freiheit etwas abzuwählen. Klagen zerstört dagegen das Selbstwertgefühl. Sprenger beklagt das fehlende Bewusstsein der Wahlfreiheit.

Liebe ist hier für Sprenger das Stichwort: „Love it, leave it or change it!” (:70). Liebe ist, was Liebe tut. Liebe ist eine Entscheidung, die uns verpflichtet. Wo erlebte Wahlfreiheit ist, da ist Energie und das ist Commitment. Dabei ist vieles subjektiv, weil es echte Objektivität laut Sprenger nicht gibt (:118). Er setzt dagegen auf Kreativität und Kommunikation. Ausgehend von der Behauptung, dass es wahres vollständiges Verstehen nicht geht, spricht Sprenger von der Übereinkunft zweier Partner, also einer Vereinbarung, die in der gegenseitigen Beziehung wurzelt. Nur in der Beziehung entsteht Selbstverantwortung und Commitment ist möglich.

Im zweiten Teil, dem pragmatischen Hauptstück führt er den Begriff perspektivische Führungskultur ein. Diese Kultur schafft Bedingungen der Möglichkeit (:136). Daher muss eine Führungskraft ermutigen. Laut Sprenger ist sich vom Leithammel zu verabschieden. Der Vorgesetzte ist ein Auslaufmodell, weil Führungskompetenz von den Mitarbeitern vergeben wird. Der Kunde der Führungskraft ist der Mitarbeiter, der Selbstverantwortung als Einstellung wählt. Wichtig ist dabei die Übertragung der Entscheidungsverantwortung und Hilfe zur Selbsthilfe. Für Sprenger gehört dazu eine gute Fehlerkultur (:189).

Gegen Ende zeigt er Wege der Veränderung auf, also Methoden, die weder manipulieren, beeinflussen, retten oder entwürdigen. Er macht noch einmal deutlich, dass Commitment (:220) eine Einstellung und ein Versprechen ist und wie es entstehen kann. Die Krise der Glaubwürdigkeit in vielen Unternehmen gilt es daher zu ändern. Nur durch selbst gewählte Glaubwürdigkeit ist Commitment der Mitarbeiter möglich ist.

Beurteilung: Sprenger provoziert und fordert heraus. Er denkt herrlich quer. Sein Buch enthält eine Fülle von Gedanken, die konträr zur gängigen Praxis der Mitarbeiterführung liegen. Es ist sehr dicht geschrieben. Auf fast jeder Seite finden sich Sätze zum Nachdenken. Hilfreich wäre hier eine übersichtlichere Gliederung, die ich leider vermisse.

Seinen Grundansatz zur Selbstverantwortung halte ich für das Gebot der Stunde und praktikabel und kann ihn aus bisher gemachter Erfahrung bestätigen.

Einige seiner Thesen sind allerdings auch sehr überspitzt dargestellt, wie z.B. seine Einstellung zum Thema Vision und Ziele. Aussagen wie: „Wer eine Vision braucht, hat in der Gegenwart nichts zu bieten.“, sind wenig hilfreich und gehen an meiner erlebten und bewährten Praxis vorbei. Er wehrt sich hier gegen den „religiösen“ Ansatz (:132), den ich aus biblischer Sicht aber für geboten halte.

Vom christlichen Menschenbild her, ist Sprenger grundsätzlich zuzustimmen. Er greift selber auf die biblische Geschichte des Sündenfalls zurück, wobei ich nicht davon ausgehe, dass er sie als wirklich geschehen versteht. Er schreibt: „Die Vertreibung aus dem Paradies ist „… wie die List der Vernunft: sie inthronisiert den Menschen als voll verantwortlichen Schöpfer seiner >eigenen< Welt … Vor Gott und dem Leben ist die Sache klar: Ausreden gelten nicht.“ (:40). Dennoch darf man in Sprengers Konzept auch nicht die Lösung aller innerbetrieblichen Probleme sehen. Der Mensch ist von der Sünde angenichtet und es ist nicht davon auszugehen, dass wirklich jeder Mitarbeiter immer darauf wartet alles zu geben, wenn er nur richtig geführt wird.

Aus christlicher Sicht irritiert die Aussage „Ethik hat nur dann eine Chance, wenn sie auf Egoismus setzt.“ (:76). Sie geht von einem Leben ohne den Heiligen Geist aus, dass natürlich im betrieblichen Alltag eher wahrscheinlich ist, als umgekehrt.

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Kirche/Gemeinde Leitung Rezensionen

Rezension: Vier Führungsprinzipien der Bibel

Kessler, Volker, Vier Führungsprinzipien der Bibel – Dienst, Macht, Verantwortung, Vergebung, Gießen/Basel: Brunnen Verlag 2012
4 von 5 Punkten / 89 Seiten / € 9,99

Ein kleines, kompaktes und sehr feines Buch über Leitung. Volker Kessler, Leiter der Akademie christlicher Führungskräfte, schreibt ein Kompendium über Führung und erläutert die vier biblischen Führungsprinzipien: Dienst, Macht, Verantwortung und Vergebung. Dabei geht es Kessler mehr um den Charakter der Führungsperson, als um praktische Handlungsanweisungen.

Das Buch ist in sechs Kapitel unterteilt.
Das 1. Kapitel: Führen als Christ: Das Doppelgebot der Liebe, dient als Einleitung und legt die Grundlage. Das Doppelgebot aus dem Markusevangelium, Kapitel 12, Verse 29-31, gilt für alle Menschen und für Führungskräfte „… ganz besonders, weil Führungskräfte immer auch Vorbildfunktion haben.“ (:7) Ein Führer ist für Kessler jemand, dem anderen folgen, egal ob er viel oder wenig formale Macht hat oder ob er Lehrer, Redner oder Autor mit >geistiger Macht< ist. Unter einer christlichen Führungskraft versteht Kessler jemanden, der Christus bewusst nachfolgt, egal wo er führt. Aber: „Nur der sollte Menschen führen, der sie auch liebt.“ (:8) Dabei gilt die Regel, die Benedikt von Nursia für den Abt aufstellte: „Er hasse die Fehler, er liebe den Täter.“ (:8) Diese Liebe kommt aus der Tatsache, dass Christus uns zuerst geliebt hat. Von dieser Liebe her gilt es nun dienend, mit weisem Machteinsatz, verantwortlich und aus der Vergebung heraus Menschen zu führen.

Das 2. Kapitel: Führen als Dienst, beginnt Kessler mit dem Satz: „Dienende Führung ist das Leitbild christlicher Führung überhaupt.“ (:13) Er verweist auf die Aussage Jesu in Markus 10,42-25. Damit wird die Hierarchie-Pyramide auf den Kopf gestellt. Es müssen aber lt. Kessler erst drei Missverständnisse geklärt werden: „die anderen dienen, ich führe“ / „ich diene und lasse die anderen führen“ / „ich diene und mache alles für andere“. Dienende Führung ist ein Paradoxon. Ein Führer will dienen und möchte, dass die zu führenden Menschen in ihrer Persönlichkeit wachsen. Deshalb möchte eine Führungskraft „… einem Ziel, einer Aufgabe, einer Organisation dienen. Dieser Dienst führt sie zu der Erkenntnis, dass es für die gemeinsame Aufgabe gut ist, wenn sie Verantwortung in der Leitung übernimmt.“ (:20) Kessler verweist hier auf die biblische Gabe der kybernesis (Steuerung – 1Kor 12,28). Sie hilft anderen Gabenträgern ihre Gaben einzusetzen. „Ein Leiter, der in erster Linie Diener ist, ist das Gegenteil von jemandem, der in erster Linie leiten will.“ (:20) Deshalb nehmen dienende Führungskräfte ihr Ego zurück, um andere in den Mittelpunkt zu stellen. „Für dienende Leiter steht der Dienst, der Auftrag im Vordergrund, nicht ihre Position.“ (:22). Dazu gehören die Annahme der Menschen und das Führen in die Selbstverantwortung. Folglich folgen die Menschen freiwillig, weil der Führer eine personale Autorität hat. Wichtig ist die Fähigkeit sich selbst zu führen, Kritik einordnen zu können und gut zuzuhören. Er schließt u.a. mit den Sätzen: „Eine gute christliche Führungskraft dient erstens Gott, zweitens ihrer Organisation und drittens den Menschen innerhalb dieser Organisation. Im Normalfall passen diese drei Dienste zusammen. Im Konfliktfall ist allerdings eine Führungskraft zuerst Gott gegenüber verpflichtet, dann dem Auftrag, zu dem sie berufen wurden, und dann den Mitarbeitern, die ihr helfen sollen, diesen Auftrag zu erfüllen.“ (:27)

In Kapitel 3: Führen mit Macht, stellt Kessler zunächst klar: „Führen ohne Macht geht gar nicht.“ (:29). Er zeigt verschiedene Definition von Macht aus (u.a.“Macht ist Durchsetzungsmöglichkeit“). Aus theologischer Sicht wird Macht von Gott an die Menschen verliehen und beinhaltet daher Verantwortung gegenüber dem Geber der Macht. Vollmacht und Macht gehören für ihn zusammen. Macht kann missbraucht werden und es kann auf Macht verzichtet werden, was ebenfalls unmoralisch sein kann (Machtvakuum). „Ohne Macht kann ich meinem Nächsten gar nicht helfen.“ (:36) „Macht darf niemals Ziel an sich sein, sondern immer nur Mittel.“ (:36) „Ein Machteinsatz ist dann legitim, wenn er entweder Gutes bewirkt oder Böses verhindert.“ (:37) Informelle Macht ist riskant, weil sie nicht verantwortet werden muss. Weiter macht Kessler deutlich, dass Macht ein sozialer Prozess ist. Führung und Unterordnung wird zugelassen. Er zeigt ausführlich die verschiedenen Machtbasen auf (Macht durch Legitimation, Sanktionsmacht, durch Information, durch Identifikation) und sieht einen Trend weg von der hierarchisch organisierten Macht, hin zur personalen Macht (Wissen, Vertrauen, Charisma). Er geht weiter auf die interkulturelle Sicht von Macht ein, weil der Gebrauch von Macht in erster Linie von der jeweiligen Kultur abhängt. Schließlich stellt er sechs ethische Leitlinien zum Umgang mit Macht auf.

Kessler geht in Kapitel 4: Verantwortlich führen, auf die Verantwortung eines Leiters ein. Da ist zunächst die Verantwortung vor jemanden. „Eben weil sich der Mächtige verantworten muss, wird sein Machtgebrauch zum Dienst.“ (:53) Im biblischen Sinne geht es um eine doppelte Verantwortung: „Man ist vor jemandem verantwortlich, um man ist für etwas verantwortlich.“ (:54) Kessler verweist an dieser Stelle auf die Präambel des deutschen Grundgesetzes „vor Gott und den Menschen“. Für diese Verantwortung braucht es aber ein Bewusstsein. „Wer das Wesen der Verantwortlichkeit verstanden hat, der hat das Wesen des Menschen verstanden.“ (:58) Damit ist der Mensch auch immer für die Konsequenzen seiner Entscheidungen verantwortlich. Kessler geht weiter auf das Problem der Reichweite der Verantwortlichkeit ein. „Die Herausforderung der modernen Welt liegt darin, die Grenzen der eigenen Verantwortung zu definieren.“ (:61) Hier ist es für ihn entscheidend zuerst „seinen Nächsten“ im Blick zu haben.

Schließlich lebt ein Leiter aus der Vergebung heraus, was im Kapitel 5: Führen aus und mit Vergebung, deutlich wird. „Das Leben als Christ ist geprägt von Vergebung. Das ist tröstlich für Führungskräfte: >Vergebung ist der Kern der Beziehung einer Führungskraft zu Gott< (Wright 2003:276). Nicht die Moral macht aus einer Führungskraft eine christliche Führungskraft, sondern die Christusbeziehung.“ (:65) Das Wissen um Vergebung ist gerade in Bezug auf (schwierige) zu treffende Entscheidungen wichtig. „Verantwortung übernehmen und Vergebung erfahren, sind oft zwei Seiten der gleichen Medaille.“ (:66) Kessler plädiert für eine Fehlerkultur. In Bezug auf Vergebung kann es aber auch sein, dass man dem „Menschen“ vergibt und sich trotzdem vom „Mitarbeiter“ einer Organisation trennen muss, zum Schutz der Gemeinschaft. Als Fazit schreibt er: „Verantwortung und Vergebung sind miteinander verbunden: Verantwortung wird meist nur da übernommen, wo Vergebung möglich ist.“ (:75)

Abschließend in Kapitel 6, macht Kessler noch einmal Mut zum Führen. „Eine Organisation, eine Gesellschaft krankt, wenn nur die Falschen bereit sind zu führen.“ (:77). Wer aber das Wissen um Dienst, Macht, Verantwortung und Vergebung hat, der soll die Führung übernehmen. „Nimm den Führungsstab, dem man Dir reicht, in die Hand.“ (:77)

Kesslers Ausführungen sind sehr dicht und sehr wichtig. Gerade die kompakte Zusammenschau aller vier Bereiche macht dieses Buch über Führung so wertvoll. Für mich wird hier deutlich, dass Gefahr von Führungskräften immer dann ausgeht, wenn sie einseitig werden. Ebenso entsteht die Gefahr für die Geführten, wenn sie ihre Führungskräfte einseitig begrenzen. Mich persönlich haben die Kapitel über Dienst, über Macht und über Vergebung am meisten angesprochen.

Ich wünsche mir, dass viele führungsbegabte Christen dieses Buch lesen und sich verantwortlich in unsere Gesellschaft einbringen. Denn mit einer dienenden Führungseinstellung wird verantwortlich mit Macht umgegangen und dann ist auch Vergebung möglich. Das brauchen wir.

12.09._Kessler_Vier_Führungsprinzipien