Kategorien
Leitung Mitarbeiterführung Rezensionen

Rezension: Teams führen

Teams führen, Rainer NiermeyerNiermeyer, Rainer, Teams führen, München: Haufe 22008
4 von 5 Punkten

Dieses Buch ist ein Grundlagenwerk über Teamarbeit. Auf 214 Seiten streift es alle wesentlichen Punkte des Themas. Es ist vor allen Dingen für Teamleiter geschrieben, die ein Team entwickeln wollen. Aber auch Teammitglieder können von diesem Buch Nutzen ziehen, weil es Grundlegendes zur Teamarbeit sagt. Auch der Preis von 24,95 € macht deutlich, dass es sich um ein Buch für Profis handelt.

Es ist in acht Hauptkapitel gegliedert, bietet innerhalb dieser Kapitel 13 Kienbaum-Kompetenztests zur Reflektion und bietet dann noch einige ordentliche Kopiervorlagen.

Nach einem überblickschaffenden Schnelleinstieg ins Buch (7-11) wird einleitend der Vorteil von Teamarbeit vorangestellt. Hier wird auf die wichtige Unterscheidung von echten und „unechten“ Teams hingewiesen (:13f). Es gibt die Arbeitsgruppe, das Pseudo-Team, das potenzielle Team, das echte Team und schließlich das Hochleistungsteam. Dann wird auf die Grenzen der Teamarbeit hingewiesen (:17f).
Ebenfalls einleitend ist das Kapitel über „Die fünf wichtigsten Kompetenzen für Teamleiter“ ab Seite 21. Hierzu zählen die Führungsmotivation, die Handlungsorientierung, die Kooperationsfähigkeit, das Einfühlungsvermögen und die Konfliktfähigkeit.

Im 1. Kapitel geht es um die Zusammenstellung eines Teams. Ein erstes wichtiges Kriterium ist die Größe (7-8 Mitglieder). Weiter ist auf die Teamrollen zu achten. Hier unterscheidet Niermeyer acht verschiedene Teamtypen: Prototyper, Kraftmotor, Zuverlässiger, Detaillist, Helfer, Sammler, Ideengeber, Stratege. Das finde ich sehr erhellend und inspirierend. Der Erfolg des Teams liegt in der Gegensätzlichkeit seiner Mitglieder. Er unterteilt diese acht Typen noch in die Pole „Bewahrer und Neuerer“ (Bedürfnisbilanz von Menschen) und „Macher und Denker“ (Persönlichkeitstypen). Die Typen werden dann ab Seite 37f erklärt. Bei der Teamzusammenstellung ist auf ein ausgewogenes Team zu achten. Ebenso muss die Fachkompetenz (plus Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und Personale Kompetenz) beachtet werden (:43f). Dann folgen Checklisten, die bei der Teamzusammenstellung helfen können.

Das 2. Kapitel widmet sich dem Thema Zieldefinition und Zielvereinbarung. Der Teamziele müssen aus den Unternehmenszielen abgeleitet werden. Das Team kann dann über die Ziele geführt werden. Dafür ist eine Zielvereinbarung mit dem Team und den Mitarbeitern notwendig (Mitarbeitergespräch), die dann auch zur Leitungsbeurteilung dienen.

In Kapitel 3 geht es um die Rolle des Teamleiters. Auch ein Teamleiter muss seine Position im Team erst finden. Er ist gleichzeitig Chef und Teammitglied und muss sach- und personenorientiert auftreten. Niermeyer unterscheidet hier vier Entwicklungsstufen eines Teamleiters: Abtaucher, Therapeut, Einpeitscher, Leader (Idealfall). Dann geht er ab S.74 auf die unbedingten Aufgaben eines Teamleiters (Aktionen steuern, Entscheidungen treffen, Beratungsfunktion, Repräsentation, Vernetzung, Mitarbeiterführung/Förderung). Schließlich zeigt er Möglichkeiten auf, wie ein Teamleiter ausgewählt werden kann (:83f).

Dem Thema Meetings vorbereiten, moderieren und nachbereiten widmet sich das 4. Kapitel. „Meetings sind der Herzschlag eines jeden Teams. Ihr Verlauf zeigt, wie ›gesund‹ die Gruppe ist und wie die Zusammenarbeit läuft.“ (:87). Meetings können unterschiedliche Funktionen haben und in unterschiedlichen Formen auftreten: Teammeeting zum Informationsaustausch, Focus Group zur Problemlösung, Progress-Meeting um auf Stand zu bringen, One-to-One, Reporting-Meeting um Fakten zu präsentieren. Alle Meetingformen haben auch einen sozialen Nutzen (:90). Es folgen Tipps zur Vorbereitung von Meetings (:90f): Notwendigkeit, Teilnehmer, Agenda, Dramaturgie. Weiter geht es um die optimale Gestaltung von Meetings (:95f) und ihre erfolgreiche Durchführung (:98f).

In Kapitel 5 geht es dann um das Feedback an die Mitarbeiter. Zunächst ist die Wirksamkeit von Feedback sicherzustellen (Säulen einer Feedbackkultur auf S.106). Dann folgen Tipps zum Feedback geben. Auch auf ein wirksames Feedback an den Teamleiter wird im 360 Grad-Feedback hingewiesen.

Mittendrin im Buch folgt dann ein Exkurs über die Entwicklungsphasen eines Teams (115-124): Forming, Storming, Norming und Performing. Hilfreich finde ich, dass mögliche To-Do’s für jede Phase aufgeführt sind.

Wie ein Team dann zum Hochleistungsteam wird, steht in Kapitel 6. Zunächst gilt es, den aktuellen Stand des Teams herauszufinden. Dazu ist eine Analyse der acht Teamfaktoren notwendig: Führungsqualität, Integration in die Gesamtorganisation, Konfliktmanagement, Qualifikation und Kompetenzen, Organisation und Arbeitsmethoden, Kommunikation und Arbeitsklima, Zielorientierung und Engagement. (Hilfreich ist dazu der Fragebogen von 129-135.) Anschließend kann das Team durch Teamcoaching entwickelt werden. Niermeyer schlägt hier drei Wege vor: Beobachtung und Feedback, Training on the job, Teamtraining. Ebenso ist die Identitätsentwicklung sehr wichtig. Zusätzlich können auch externe Einzelcoachings ein Team fördern (:147f). Hilfreich kann auch ein internes Coaching durch den Teamleiter sein. Hier gibt Niermeyer ausführliche und hilfreiche Tipps (:153f).

Kapitel 7 widmet sich Konfliktsituationen im Team. Konflikte sollte man als Chance verstehen, die Verbesserungspotential aufzeigen. Es gilt sie zu erkennen, sich dann richtig zu verhalten und schließlich einen Konfliktlösungsprozess zu beginnen: Aufdecken, Perspektiven entwickeln, Lösungen suchen, Lösungen bewerten, Vereinbarungen treffen.

Um die Stärkung der Position des Teamleiters geht es in Kapitel 8. Ein Teamleiter muss manchmal Widerstände überwinden, Saboteuren das Handwerk legen und Trends erkennen.

Dann folgen einige schon vorher im Buch erwähnte Formulare und Arbeitsmittel (191-207), die man offiziell kopieren und für das Team vervielfältigen darf.

Fazit: Das Buch ist ein Grundlagenbuch und bietet viele und hilfreiche Informationen und Tools zur Teamarbeit. Einiges muss für den ehrenamtlichen Bereich angepasst werden. Natürlich ist auch immer die jeweilige Situation einer Firma oder einer Gemeinde zu berücksichtigen. Für jede/n Teamleiter/innen ein sehr wichtiges Buch.

PDF-Datei: 12.09._Niermeyer_Teams führen

Kategorien
Leitung Mitarbeiterführung Rezensionen

Rezension: Die Managerkonferenz – Effektives Führungstraining

Die Managerkonferenz, Thomas GordonGordon, Thomas, Die Managerkonferenz – Effektives Führungstraining, München: Wilhelm Heyne Verlag 192005
3,5 von 5 Punkten

19 Auflagen sagen schon mal ziemlich viel aus. In den USA erschien es 1977 und in Deutschland 1979. Das Buch ist ein Klassiker der Führungsliteratur. Die Taschenbuchausgabe mit 316 Seiten gibt es für € 8,95. Das ist echt wenig Geld für den guten Inhalt.
Thomas Gordon hat den Erziehungsbestseller „Familienkonferenz“ geschrieben und wendet diese Erkenntnisse auf eine Führungsperson an. Ein Schwerpunkt liegt auf der „Jeder-gewinnt-Methode“. Das Buch umfasst 12 Kapitel. Meine Rezension ist anhand der Kapitel aufgebaut unter die ich die mir jeweils wichtigen Zitate und Inhalte aufführe.

Kapitel 1: Wie wird man ein effektiver Führer? „Ein Schlüssel zur Führungseffektivität ist die Fähigkeit, Menschen zu beeinflussen, ohne von der eigenen Macht Gebrauch zu machen.“ (:25)
Kapitel 2: Wer führt, ist noch kein Führer. „Tatsächlich hat es aber keiner geschafft, der eine Führungsrolle übernimmt. Das ist erst der Anfang.“ (:29) „Wenn sie zum Leiter einer Gruppe werden, führt das unvermeidlich zu bedeutsamen Veränderungen in Ihrer Beziehung zu den Mitgliedern der Gruppe.“ (:30) Gordon verweist hier darauf, dass Sozialwissenschaftler „… die Führungsrolle als Interaktion zwischen Führern und Gefolgschaft zu verstehen begannen.“ (:34) Jeder Mensch ist auf der Suche nach Befriedigung seiner Bedürfnisse. „Menschen schließen sich also Gruppen an, weil sie hoffen, dass sie dadurch in den Besitz zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse gelangen. Umgekehrt verlassen sie Gruppen, wenn ihre Bedürfnisse nicht mehr befriedigt werden … Menschen folgen einem Führer (und lassen ihre Aktivitäten von ihm steuern), wenn sie der Auffassung sind, er werde ihnen verschaffen, was sie brauchen oder wünschen. Daraus folgt, dass ein Führer seine spezifische Rolle nur ausfüllen und behaupten kann, wenn die Gruppenmitglieder das Gefühl haben, sie könnten ihre Bedürfnisse befriedigen, in dem sie >dem Führer folgen<.“ (:35) Gordon stellt fest, dass auch der Führer Bedürfnisse hat und die Organisation, die zum Führen berufen hat. Er spricht in diesem Zusammenhang vom Dilemma des Führers. Hier verweist er auf die Maslow-Pyramide (:41) und stellt fest, dass ein Führer die Bedürfnisse höherer Ordnung befriedigen muss. Ebenso muss er als Problemlöser auftreten können. Probleme resultieren nach Gordon ebenfalls aus mangelnder Bedürfnisbefriedigung, entweder beim Führer oder beim Mitarbeiter. Es gilt festzustellen, wer das Problem besitzt. (:56).
Kapitel 3: Sie können es allein machen – oder mit Hilfe der Gruppe? Gordon rät, dass ein Führer bei der Problemlösung immer die Hilfe der Gruppe in Anspruch nehmen sollte. Er schläft die Bildung eines Managementteams vor. „Die Bildung eines Managementteams ist der sicherste Weg, für eine stete Weiterentwicklung der Mitarbeiter zu sorgen.“ (:63) Hier werden hierarchische Unterschiede aufgehoben: „So kommen wir zu der paradoxen Feststellung, dass effektive Führer ganz wie Gruppenmitglieder handeln und effektive Gruppenmitglieder ganz wie Gruppenführer.“ (:66) Problemlösung muss dabei immer als Prozess verstanden werden.
Kapitel 4: Techniken, die Mitarbeitern helfen, ihre Probleme zu lösen. Ein Führer muss Menschen dazu bringen, ihre Probleme zu erkennen. Als Tool schlägt Gordon hier das aktive Zuhören vor. „Die ganze Kunst des >aktiven Zuhörens< besteht darin, dass der Empfänger dem Sender die Ergebnisse seiner Dekodierung häufig und fortlaufend rückmeldet.“ (:80) Ziel ist es, Verständnis füreinander zu bekommen, auch wenn man vielleicht in der Sache nicht zustimmen kann.
Kapitel 5: Zuhören in der alltäglichen Praxis. Beim Zuhören spielen Gefühle eine Rolle, bisweilen auch sehr starke. Hier rät Gordon: „Wenn Führer sich klar machen, dass starke Gefühle nicht für alle Ewigkeiten gelten, werden sie weniger Angst vor ihnen haben und mehr Konstruktivität im Umgang mit ihnen entwickeln.“ (:103) Wichtig ist es zum Kernproblem vorzudringen: „Die Probleme der Menschen sind wie Zwiebeln – sie bauen sich in Schichten auf … Aktives Zuhören hilft dem anderen wirksam dabei, über das vordergründige Problem schließlich bis zum Kernproblem vorzudringen.“(:106)
Kapitel 6: Wie Sie sich in der Konfrontation mit Mitarbeitern verhalten. Wenn der Führer ein Problem mit dem Mitarbeiter hat, muss man die Konfrontation von sich aus suchen: „Wir brauchen also ein bisschen Mut, um uns selbst zu behaupten und den anderen entgegenzutreten.“ (:121) Hier setzt Gordon auf die Ich-Botschaft: Verhalten + Gefühle + Wirkungen (:128f). „Ich-Botschaften sind Hilfsappelle, und daraus erklärt sich ihre häufig erstaunliche Wirksamkeit.“ (:131)
Kapitel 7: Was können Sie für die Effektivität Ihres Managementteams tun? In diesem Kapitel geht es vor allen Dingen um die Gestaltung von Meetings, die nach Gordon unverzichtbar sind und entweder zur Information dienen oder der Problemlösung. Ein Problem ist aber erst mal nicht schlecht oder ungesund, sondern hilft einer Organisation sich zu entwickeln. Problem wird also sehr weit verstanden. Ab Seite 156 gibt es dann 17 hilfreiche Richtlinien für Managementmeetings. Das ist alles sehr praxisbezogen. Interessant finde ich besonders folgende Aussagen: „Die Gruppe und nicht der Führer sollte für die Tagesordnung verantwortlich sein.“ (:160). „Gruppen sollten immer sensibel für Tagesordnungspunkte bleiben, die nicht die ganze Gruppe angehen, und sie möglichst rasch einem Einzelnen oder einer Untergruppe übertragen.“ (:162). „Stimmen sie nie ab. Einzige Ausnahme: eine Abstimmung, die keine Entscheidung bringen, sondern nur zeigen soll, wie sie Gruppenmitglieder zu einem bestimmten Problem stehen.“ (:163) Weiter beschreibt er die Pflichten der Teilnehmer vor und während des Meetings und die Pflichten des Gruppenführers.
Kapitel 8: Konflikte: Wer siegt, wer unterliegt? Konflikte sind unvermeidlich. „Daraus ergeben sich zwei Aufgaben: Wir müssen herausfinden, wie wir die Zahl der Konflikte so gering wie möglich halten und wie wir die unvermeidlichen lösen können.“ (:174) Dazu führt Gordon jetzt zwei Techniken an: „Ich gewinne, du verlierst“ und „Du gewinnst, ich verliere“. Beide Methoden sind für ihn inakzeptabel. Er führt ihre Nachteile auf und geht auf den Einsatz von Macht ein.
Kapitel 9: Die Jeder-gewinnt-Methode: Wie aus Konflikt Kooperation entsteht. Diese Methode ist für ihn der Ausweg aus Konflikten, weil es keine Verlierer gibt. „Sie schafft eine Lösung, die zu gegenseitiger Bedürfnisbefriedigung führt, wo jeder gewinnt.“ (:209) Hier wird auf den Einsatz von Macht verzichtet. Es wird herausgestellt, dass zwei Personen einen Bedürfniskonflikt haben und ihn gemeinsam lösen wollen. Dazu sind sechs Schritte nötig (:228f): Problem erkennen und definieren / Alternative Lösungen entwickeln / Alternative Lösungen bewerten / Entscheidung treffen / Entscheidung bewerten / Anschließend Lösung bewerten. Schließlich verschweigt Gordon auch evtl. auftretende Probleme dieser Methode nicht (:234f). Wichtig dabei: Immer wieder muss der Führer bereit sein, auf seine Macht verzichten: „Die Macht des Führers zeigt sich nur in ihrem Gebrauch. Leider kann das Vertrauen und die Sicherheit, die ein Führer dadurch geschaffen hat, dass er jahrelang auf die Ausübung seiner Macht verzichtete, in einem einzigen Augenblick, in dem er dann doch zu dieser Macht greift, ernsthaft leiden.“ (:253)
Kapitel 10: Die Jeder-gewinnt-Methode innerhalb der Organisation. Hier geht Gordon auf Themen wie Arbeitgeber-Gewerkschaft oder Problemlösungen in größeren Gruppen ein.
Kapitel 11: Die periodische Planungskonferenz (PKK): ein neuer Ansatz der Leistungsbewertung. Gordon schlägt die PKK als zwei Wege-Konferenz vor, die vom Vorgesetzten und Mitarbeiter gemeinsam gestaltet wird: „Statt sich mit der Leistung in der Vergangenheit (mit dem, was bereits erbracht worden ist) zu beschäftigen, verlangt die PKK von dem Vorgesetzten und dem Mitarbeiter, sich auf die Leistung in der Zukunft (auf das, was erbracht werden kann) zu konzentrieren.“ (:283)
Kapitel 12: Einige Fragen von Bedeutung. Gordon fordert die Führungspersönlichkeit heraus, sich zu entscheiden, wie sie Beziehungen leben will: „Führer müssen sich entscheiden, welche Art von Führer sie sein wollen. Diese Wahl kann ihnen niemand abnehmen … Der Führungsstil, für den sie sich entscheiden, wird wesentlich darüber mitbestimmen, was für ein Mensch sie werden. Sie können keine klare Trennungslinie zwischen der Führungsrolle und Ihrem übrigen Dasein ziehen.“ (:300) Er schlägt ein Credo für Beziehungen vor (:305). Genauso muss entschieden werden, wie die Organisation und schließlich die Gesellschaft sein soll. „Wenn wir eine demokratische Gesellschaft wollen, brauchen wir eine demokratische Organisation, die ihrerseits auf demokratische Führer angewiesen ist. Diese verfügen über die notwendigen Techniken und Methoden, für alle Teile befriedigende Beziehungen zu Menschen herzustellen, die sie führen.“ (:308)

Fazit: Gordons Ansatz ist ein echter Ansatz für kongregationalistisch organisierte Kirchengemeinden. Die Techniken zur Problemanalyse und der anschließende Umgang mit Problemen und Personen finde ich sehr gut. Die Stärke liegt in dem grundsätzlichen demokratischen Ansatz. Diesen Ansatz bejahe ich ebenfalls. Ob der aber immer zu Ziel führt, weiß ich nicht. Ich glaube, man muss Führungsstile auch situationsbedingt wechseln und anpassen. Die Stärke an Gordons Stil liegt auf jeden Fall in der Befähigung zur Mündigkeit der Mitarbeiter und darin, dass ein Führer aufgefordert wird, Vertrauen zu bauen.

12.09._Gordon_Die Managerkonferenz

Kategorien
Kirche/Gemeinde Rezensionen

Rezension: Relevante Gemeinde

Relevante Gemeinde, Heinrich Christian RustRust, Heinrich Christian, Relevante Gemeinde, Kassel: Oncken 2/2010
4 von 5 Punkten

Dieses Buch ist ein Buch für alle, die sich in einer älteren, durchschnittlichen,  „normalen“ und freikirchlichen Gemeinde engagieren und ein starkes Anliegen für ihre Ortsgemeinde haben. Deswegen finde ich dieses Buch so gut und deswegen habe ich es begeistert gelesen. Endlich mal ein Buch für solche Leute, die die Fragen bewegen, ob die verfassten Freikirchen noch eine Zukunft haben oder ob nicht völlig neue Formen gefragt sind?
Das Buch ist allerdings auf nur 63 Seiten sehr dicht geschrieben. Einige Fragen werden auch nur aufgeworfen und nicht klar beantwortet. Hier muss man dann selber weiterdenken und zu Ergebnissen kommen. Es reißt also vieles an, was dann in die Gemeindepraxis einfließen muss.

Auf nur 63 Seiten trifft Rust meines Erachtens die wesentlichen Punkte, die für o.g. Zielgruppe wichtig sind. Sie sind in 5 Kapiteln unterteilt:
1. Liebe und Liebeskummer
2. Für wen ist Gemeinde Jesus Christi relevant?
3. Die Bedeutung der Gestalt der Gemeinde?
4. Welche Bedeutung hat die Konfession einer Gemeinde?
5. Relevanz durch die Bindung an Jesus Christus

In Kapitel 1 stellt Rust fest, dass es viele Christen gibt, die enttäuscht von ihrer „klassischen freikirchlichen“ Gemeinde sind, „…die in ihrer Bravheit und gesellschaftlichen Angepasstheit kaum noch etwas von dem >Licht der Welt< ausstrahlen.“ (6) Zu dieser Gruppe gehören vor allen Dingen auch junge Leute. Sie wollen zwar Gemeinde leben, finden aber in der klassischen Freikirche kein Zuhause mehr. Das wirft die Frage nach der Relevanz aus. Kann man die überhaupt messen? Viele neue aufkommende Gemeindemodelle scheinen relevanter zu sein. Besonders die Emerging-Church-Bewegung stellt vieles der bisherigen Modelle in Frage. „Wie stellen wir uns in den verfassten Freikirchen dieser massiven Infragestellung unserer Traditionen und unseres gemeindlichen Ansatzes?“ (8) Wann ist also eine Gemeinde relevant, wichtig, wichtiger gegenüber anderen Objekten?

Diese Frage wird nun in Kapitel 2 beantwortet. Hier sieht Rust drei Ebenen der Relevanz. Die Relevanz einer Gemeinde für die Gesellschaft. Die Relevanz für den Einzelnen. Die Relevanz einer Gemeinde für ihren Initiator Jesus Christus.
Als Einzelner kann ich in einer Gemeinde in einer verbindlichen Gemeinschaft leben. Hier werde ich geformt und gefördert. Ich feiere das neue Leben im Abendmahl. Wie kann man da eigentlich auf Gemeinde verzichten? Der Trend geht dahin Gemeinde zu verlassen. Hausgemeinden werden gegründet, die oft nicht von Hauskreisen einer verfassten Gemeinde unterschieden werden können, außer dass sie isoliert sind. Rust wirft die Frage aus, was eine Gemeinde zu einer Gemeinde macht? (14f). Im Wesentlichen kann man sagen: „Die regelmäßige Gemeinschaft, die Kommunion im Sinne der Beziehungspflege zu Gott und der gemeinsame Auftrag.“ (15).
Für die Gesellschaft muss Gemeinde Bedeutung haben. Einige sagen: Hinein in die Welt. Wir müssen die Gesellschaft prägen und transformieren. Andere sagen: Raus aus der Welt, oder zumindest: Anders als die Welt. Rust meint, dass wir vielleicht beides parallel machen müssen. „Müssen wir möglicherweise beide Bewegungen parallel vollziehen, um die Salzkraft und die Leuchtkraft zu erhalten: Müssen wir uns trennen und zugleich hineingehen?“ (18). Er plädiert dafür: „Christsein ist eine Berufung zur Weltgestaltung und Weltverantwortung: Salz und Licht gehören in die Welt. Die Mission Gottes ereignet sich das, wo sie auf die Bedürfnisse des Menschen trifft… Jede christliche Mission ist somit auch kontextuell, sie knüpft bei der Kultur an, die sie vorfindet.“ (21) Wie das in einer postmodernen Kultur gehen kann, führt Rust nun auf den Seiten 22-27 aus.
Darüberhinaus hat Gemeinde Bedeutung für Jesus Christus. „Jesus ist ohne seine Gemeinde neutestamentlich überhaupt nicht zu definieren.“ (28) Gemeinde ist die Braut Christi und hat eine super hohe Relevanz für Jesus (28-30). Das heißt aber nicht, dass einzelne Gemeinden oder Gemeindebewegungen an Relevanz verlieren können (31). Dennoch ist es zu früh von einer Bankrotterklärung des Christentums zu reden, wie manche Emerging-Church Vertreter es tun (31-32).

In Kapitel 3 geht es dann um die Bedeutung der Gestalt der Gemeinde, also um die Gemeindekultur. „Das Evangelium ändert sich nicht, aber die Wege, wie wir es präsentieren und in unsere Kultur hineinbringen, die ändern sich.“ (33) Dies zu beachten ist für jede Gemeinde wichtig und es gilt: „Gemeinde Jesu treibt nicht Mission, sie ist Mission, oder sie hört auf Gemeinde Jesu zu sein.“ (34) Und dies kann durch Reformen auch in klassischen Gemeinden immer wieder erkannt werden. Interessant ist hier wie Rust das Gleichnis von dem Wein und den Weinschläuchen auslegt. Alter Wein und neuer Wein bleibt erhalten. Beide Weine haben ihre Berechtigung. Der alte Wein ist sogar beliebter. (34). Gibt es denn für die verfassten Kirchen in Deutschland noch eine Zukunft? die Trends und Entwicklungen in Amerika deuten auf was anders hin. Aber dass die auch für Deutschland gelten, bezweifelt Rust (35). Außerdem besteht hier immer die Erneuerung der verfassten Kirche. Dazu nennt er fünf Grundwerte der Mission, die jede Kirche zu jeder Zeit entdecken muss, wenn sie relevant sein will: Anbetung/Gottesdienst, Gemeinschaft, Evangelisation, Diakonie und Lehre/Jüngerschaft. (38).
Rust führt nun aus, wie man das als Kirche diese Werte heute füllt oder füllen sollte, übt Kritik an einzelnen Formen und zeigt auch neue Wege auf. Hier bekommt man viele Anregungen. Einige Zitate zu den einzelnen Grundwerten:

  • Anbetung/Gottesdienst: „Die gegenwärtige Gottesdienstpraxis in den meisten etablierten Freikirchen ist weit von den partizipierenden Strukturen des im 1.Korinterbrief beschriebenen Modells entfernt.“ (38) „Die Predigtthemen sind häufig anthropozentrisch ausgerichtet…. Es gibt nur wenig Zeiten der Besinnung oder kontemplativen Gotteserfahrung.“ (39) Er spricht von einer musikalischen Monokultur, wobei er hier mehr altes kirchliches Liedgut fordert. Das Abendmahl spielt oft nur eine nicht zu verantwortende Nebenrolle (41). Es gibt keine gesunde Praxis des Sündenbekenntnisses und des Zuspruches der Vergebung.
  • Gemeinschaft: „Die meisten freikirchlichen Gemeinden sind „vergruppt“, aber nicht wirklich vernetzt…. Wir haben viele Projektgruppen, aber wenig Partnerschaften. Man kommt zusammen, um Ziele zu verwirklichen, aber weniger, um das Leben und den Glauben miteinander zu teilen, zu genießen und zu feiern.“ (42) „Leider haben wir wenige Generationen- und milieuübergreifende Gemeinschaftsformen. Die Integration von Menschen aus unterschiedlichen Migrationshintergrund gelingt nur selten richtig gut … Eine Gemeinde, die sich in ihrer Gemeinschaftsbildung vorrangig an der klassischen „heiligen, christlichen“ Familie orientiert, wird in der Postmoderne nur sehr eingeschränkte missionarische Möglichkeiten haben.“ (43) Als Schlüsselwort für die Gemeinschaftsbildung nennt Rust Gastfreundschaft. Außerdem macht er darauf aufmerksam, dass wir verpflichtende Zeitpläne weitgehend in dynamische Zeitpläne umwandeln müssen, was das Gemeindeleben betrifft.
  • Evangelisation: „Kommen heute Menschen anders zum Glauben als früher?“ (46). Wahrheit ist heute nicht wie ein Denksystem zu bewerten, sondern wie eine Person, der man begegnen muss, damit sie sich erschließen kann … Es geht um eine Begegnung mit der Wahrheit, die eine Person ist, um eine ganzheitliche Begegnung mit Jesus Christus.“ (47). Wir müssen Zeugnis von unserer Christuserfahrung ablegen. Vor der Bekehrung gibt es viele Schritte des Vertrauens. Bekehrung geschieht viel prozesshafter als früher. (48) Dazu müssen Evangelisation und Diakonie wieder Hand in Hand gehen. (49)
  • Diakonie: Evangelisation und Diakonie müssen Ausdruck des einen missionarischen Auftrags sein. „Versöhnung zwischen Menschen ist nicht gleichzeitig Versöhnung mit Gott, soziale Aktion ist nicht Evangelisation, politische Befreiung ist nicht Heil. Dennoch bekräftigen wir, dass Evangelisation und soziale wie politische Betätigung gleichermaßen zu unserer Pflicht als Christen gehören. Denn beide sind notwendige Ausdrucksformen unserer Lehre von Gott und dem Menschen, unserer Liebe zum Nächsten und unserem Gehorsam gegenüber Jesus Christus … Wenn Menschen Christus annehmen, kommen sie durch Wiedergeburt in Sein Reich. Sie müssen versuchen, Seine Gerechtigkeit nicht nur darzustellen, sondern sie inmitten einer ungerechten Welt auch auszubreiten. Das Heil, das wir für uns beanspruchen, soll uns in unserer gesamten persönlichen und sozialen Verantwortung verändern. Glaube ohne Werke ist tot.“ (51) „Die Mission Gottes hat immer diese beiden Beine: Die Evangelisation und die Diakonie.“ (52)
  • Lehre und Jüngerschaft: Mittlerweile beschränkt sich für ein Großteil der Christen die Unterweisung auf den Sonntagmorgen, weil Bibelstunde nicht mehr funktioniert und Hauskreise nicht richtig von allen angenommen werden oder zu selbstständig laufen. Wenn die Gottesdienste dazu noch gästeorientiert sind, dann gibt es nicht mehr viel Lehre. Ziel von geistlichem Wachstum muss die zunehmende Liebe sein, zu Gott und den Mitmenschen. Evtl. könnte man dazu verschiedene Seminarangebote einführen, die wählbar sind.

In Kapitel 4 geht es um die Bedeutung der Konfession. Hier schreibt Rust, dass das Denken in geschlossenen Systemen, sei es durch Abgrenzung oder Identitätsmotive, oder durch den Wunsch nach Steuerbarkeit, ist unattraktiv und lähmend geworden (57). Immer mehr Christen rücken zusammen und stärken damit das christliche Zeugnis. Rust sieht sich diesen Trend weiter ausbreiten, auch wenn es hier Gegenstimmen zu gibt. Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen den Konfessionen sind das Thema der Zukunft (60).

Kapitel 5 beschreibt nun abschließend die Relevanz durch die Bindung an Jesus Christus. „Solange Jesus Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene in unseren Gemeinden verkündigt und geglaubt wird, wird diese Gemeinde auch Salzkraft haben … Ich habe den Wunsch, dass wir uns deshalb in unserem Bemühen, der Gemeinde mehr Relevanz zu geben, weniger auf die Gestaltungsformen des Gemeindelebens oder auf eine Neubesinnung unseres missionarischen Auftrags konzentrieren, sondern auf ihn selbst: Den Herrn der Gemeinde…. Je fester wir uns an Jesus Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen binden, umso weiter wird er uns auch zu den Menschen in diese Welt senden können. Darin liegt die eigentliche Relevanz der Gemeinde.“ (61)

Kategorien
Glaube/Nachfolge Kirche/Gemeinde Leitung Rezensionen

Rezension: Trends 2016 – Die Zukunft lieben

Trends 2026, Markus MüllerMüller, Markus, Trends 2016 – Die Zukunft lieben, Basel, Gießen: Brunnen-Verlag 2009
3,5 von 5 Punkten

Markus Müller schreibt ein Buch über Trends. Und so etwas ist ja immer risikoreich. Denn wer kann schon Trends voraussagen? Aber Markus Müller gelingt es, von der europäischen Vergangenheit der letzten 60 Jahre her, Linien in die Gegenwart zu ziehen, die auf Trends in der Zukunft hinweisen. Ihm geht es darum, dass wir Christen positiv in die Zukunft gehen und das Potential haben, die Zukunft mitzugestalten. Was mich besonders freut ist, dass er das Potential der Gemeinde aufzeigt. Gut ist auch, dass er aus der Praxis seiner Arbeit der Pilgermission St. Chrischona schreibt.
Ich habe dieses Buch hier anhand der fünf Kapitel zusammengefasst und die jeweils mir wichtigen Zitate aufgeführt. Einen schnellen Überblick über die einzelnen Kapitel gibt Müller selbst, jeweils auf den Seiten: 19, 65, 161, 193 und 243.

1. Die Wirklichkeit – und wie wir damit umgehen
Hier nennt Müller sieben Gesellschaftsbereiche, die uns unmittelbar angehen: Demographie, Ehe und Familie, Bildung, Die Welt der Arbeit, Wirtschaft und Finanzen, Der heutige Staat und wie wir zu ihm stehen, Christentum und Kirche.  Zunächst illustriert er die Entwicklungen anhand Zahlen und Fakten. Dann geht er auf die Deutungsmöglichkeiten ein. Schließlich versucht er das ganze heilsgeschichtlich einzuordnen.
Grundsätzlich skizziert er eine düstere Zukunft in den genannten Bereichen. Es wird notvoll. Insofern ist Kirche aufgefordert, Hoffnung zu verbreiten. Diese Hoffnung nährt sich aus dem Glauben an die Wiederkunft Jesu: „Eine Kirche ist schon aus diesem Gesichtswinkel betrachtet immer zukunftsorientiert. Eine Kirche, die nicht dieses Wiederkommen Jesu erwartet, hat ihren Kern und ihr Wesen verloren.“ (:50). Jesus fordert uns in den Endzeitreden auf, die Häupter zu erheben (Lk 21,28). In unserer Gesellschaft herrscht ein Notstand an Hoffnung. Die Kirche kann hier gegensteuern.

2. Entwicklungslinien – Einblicke in die kurze Geschichte der letzten 60 Jahre
Hier schreibt er zunächst über sieben Dinge, denen den Christen richtig gut gelungen sind (u.a. Kommunitäten, Diakonische Initiativen, evangelistisch-missionarische Projekte, …). Dann erwähnt er fünf erfolgreiche und nachhaltig wirkende Gesellschaftsbewegungen: 68er-Bewegung, sexuelle Revolution, Esoterik, Islam und Postmoderne. Vom Rahmen einer gebrochenen Kirche geht er dann auf das ein, was uns Christen weniger gut gelungen ist und nennt u.a. Geschichtslosigkeit, Leistungsdenken, Schiedsrichterrolle …

  • In Bezug auf die sexuelle Revolution: „Derart radikale Umwälzungen in derart kurzer Zeit sind in der Geschichte der Menschheit so noch nicht vorgekommen. Auffällig ist die gesellschaftliche Widerstandslosigkeit.“ (:107)
  • Zur Esoterik: „Sanft und unterschwellig, ohne großes Aufsehen und ohne klare Gegner ist die Esoterik Grundbestandteil unserer Kultur geworden … nach dem Motto: >Meine Religion mache ich mir selbst.<“ (:113)
  • Zur gebrochenen Kirche: „Wir erkennen … für alle Lebensfelder und Verantwortungsbereiche des Menschen einen steten Rückgang des Wahrheitsanspruches des christlichen Glaubens. Das Ergebnis ist offenkundig: Der Glaube wird zur privaten Option.“ (:139)
  • In Bezug auf nicht gelungene Sachen von Christen: „Das Thema einer Berufung in einen sog. säkularen Beruf tangiert uns höchstens am Rande. Das Ergebnis ist dann, dass Menschen, die in unserer Gesellschaft Verantwortung übernehmen, sich eher schwer damit tun, sich als Teil einer ganz normalen christlichen Gemeinde zu verstehen.“ (:145)
  • „Gnade wurde zum fruchtbaren Boden für Leistung. Gnade war die Befreiung aus dem Gefängnis der Selbstrechtfertigung des Menschen. Nun wird aber auch gelten: Entfällt dieser Boden der Gnade, ist ermöglichte >Freiheit zur Lebens- und Weltgestaltung< zur Verkümmerung verurteilt.“ (:146)
  • „Richten wir unsere Programme und Projekte nicht bedeutend stärker an Menschen aus als an Gott?“ (:149)
  • Individualisierung der Kirche: „Gemeinschaftliches Angewiesensein wird ersetzt durch das mir am ehesten zustehende Individualprogramm.“ (:151)

3. Fünf akute Bedrohungen unserer Zeit und die Rolle der Christen
Müller nennt die Zunahme von Geschwindigkeit und Komplexität, die Macht von zentrifugalen Kräften, Zunahme von Mangelszenarien, Kampf der Kulturen und die Auseinandersetzung, die hinter dem Sichtbaren abläuft.

  • „Verlangsamung und Vereinfachung wäre bewusste Alternativkultur zu dem, was innerhalb unserer westlichen Gesellschaft das Leben überfährt und zerstört.“ (:166)
  • „Es ist dieser Jesus, der zusammenbringt, was zusammengehört: Gott und Mensch, die Menschen untereinander, Mensch und Schöpfung. Die Gemeinde Jesus also: Mitte, verlangsamt und vereinfacht, inmitten einer unaufhaltsam schneller und komplexer werdenden Welt.“ (:170)
  • „Es ist uns kaum erlaubt, das Thema Mangel für unsere Zeit und für unsere Kultur für wahr zu halten … Das Fehlende darf uns nicht diktieren. Es ist – in dieser gefallenen Welt – Normalität … Was ich habe gehört nicht mir – es ist mir von Gott anvertraut. Ich bin aufgefordert, guter Haushalter des mir Anvertrauen zu sein.“ (:172f)
  • „Kultur ist immer auch der äußere Ausdruck von dem, was gewünscht und gehofft wird. Elementarer Prägefaktor aller Kultur ist die Hoffnung bzw. die Hoffnungslosigkeit.“ (:179)
  • „Das Erbe achten heißt, den Staat und den christlichen Glauben sowie deren Zusammenspiel hoch zu achten.“ (:187)
  • „Die interne Schwächung der westlichen Welt wird kombiniert mit einem religiösen Angriff von außen auf ebendiese Welt.“ (:190)

4. Die Herausforderungen annehmen – und was uns dazu gegeben ist
Hier verweist er auf das positive Erbgut Europas und sieht Hoffnungslinien durch Wahrheit und Barmherzigkeit, Herzenswärme, versöhnte Vielfalt, Bildung und Gastfreiheit. Er ermutigt zum kleinen Einmaleins: Dienerschaft, Haushalterschaft und den richtigen Umgang mit unterschiedlichen Erkenntnissen. Als fünf entscheidende Bewährungsfelder des christlichen Glaubens sieht er an: Das Individuum in seiner Einzigartigkeit, die Gemeinde als Ur-Entfaltungsort des Lebens, Ehe und Familie, Arbeit und Beruf und den Staat.

  • Zur Gastfreundschaft: „Sie ist >Geburtsraum eines neuen Lebens<. Sie >erlaubt ein Durchatmen<. Gastfreundschaft hat >etwas Wehrloses und Verletzliches< an sich. Sie ist >Leben gegen den Trend<. Sie ist >gesunde Verlangsamung des Lebens<…. Nicht zu Unrecht gilt Gastfreundschaft als Königin der Diakonie.“ (:205)
  • Zur Dienerschaft: „Das Prinzip der Dienerschaft müsste sich … gerade in Bereichen des Schwierigen, in Bereichen des Scheiterns oder beispielsweise in Bereichen wie dem Umgang mit dem Islam, mit homosexuell empfindenden Menschen oder andern, bisher unüblichen Situationen bewähren.“ (:210f) „Das Ziel der Dienerschaft besteht immer in der Mündigkeit der betroffenen Menschen.“ „Dienende Leitung heißt, aktiv voranzugehen und nicht nur zu koordinieren, was andere denken und wollen.“ „Verkündigung ist Dienen, und wer dient, verkündigt.“ (alle: 211)
  • Umgang mit Erkenntnissen: „Die entscheidende Frage scheint nicht darin zu liegen, ob und wie wir zu letztgültigen Erkenntnissen kommen, sondern wie wir mit ihr und jetzt geschenkter (und begrenzter) Erkenntnis mündig umgehen, sogar dann, wenn sie der Meinung anderer zuwiderläuft.“ (:221) Interessant sind die Ausführungen über Erkenntnis ab S. 221. Müller nennt hier drei Filter, durch die unsere Erkenntnis geschickt werden muss: Wissen, Nachfolge und Gemeinschaft. „Bei einer Überbetonung des Wissens … gedeiht eine rationalistische Rechthaberei. Bei einer unkorrigierten Überbetonung des Gemeinschaftlichen kommt es zu einer harmonisierenden Beliebigkeit. Und bei einer nicht korrigierten Nachfolge zu einer aktivistischen Selbstbezogenheit …“ (:223) Hilfreich: Die Tipps zum Umgang mit Erkenntnissen auf S.224f.
  • Gemeinde ist Entfaltungsraum des Reiches Gottes. Über sie entfaltet sich das Reich Gottes in die Welt von heute „Gemeinde ist der erste Ort, den sich Christus in dieser Welt sucht, um Gestalt zu gewinnen: Die Gemeinde ist sein Leib.“ (:231)

5. Gemeinde als Antwort Gottes auf die Herausforderungen der Zeit (Oder: Fünf Schlüsselfelder, in denen die Zukunft Gestalt gewinnt)
Wichtig sind ihm die Vision der Gemeinde und die rechte Gesinnung als Schlüssel zur Weltveränderung. Unsere Welt braucht Orte der Hoffnung, der Wahrheit und der Barmherzigkeit. Müller fordert eine Herzensuniversität als Zuspitzung von Mündigkeit und verweist schließlich auf das, was noch kommt und uns die Unvollkommenheit aushalten lässt.

  • „Nicht unser Tun, unser Können, unsere Programmgestaltung, sondern unsere Gesinnung ist der Schlüssel, den Herausforderungen dieser Welt zu begegnen.“ (:243)
  • Zur Hoffnung siehe Ausführungen ab S.275: Sie entsteht in der Vorstellungswelt des Menschen. Sie betrifft die Vorstellung von einem Weg auf ein Ziel hin. Sie liegt in Personen. Hoffnung ist nie gegen etwas, sondern immer für etwas – nie gegen eine Sache, sondern für eine Sache. Sie ist der rote Teppich, der uns von der Zukunft her (Wiederkunft Jesu) ausgelegt ist.
  • „Die Letztfrage kann nicht sein, ob wir heute in einer Multioptionsgesellschaft, einer Risikogesellschaft oder einer postmodernen Erlebnisgesellschaft leben. Vielmehr ist die letzte Grundfrage die, ob und inwiefern es heute gelingen kann, einen Beitrag dazu zu geben, dass sich die >Brautgemeinde< innerhalb der jetzt aktuellen Welt zur >Hochzeit des Lammes< schmücken und rüsten lässt.“ (:308)
  • Müller zitiert Schlatter: „Die Verheißung Jesu macht unser Leben zum Vorabend des Festtages.“ (:310)

Alles in allem ein sehr umfassendes und dichtes Buch. Manche Ausführungen sind sehr praktisch. Andere mir zu theoretisch. Dennoch ein wegweisendes Buch für Gemeinden, was ich mit Gewinn gelesen habe.

12.09._Müller_Trends2016

Kategorien
Leitung Rezensionen

Rezension: Moderne Väter

Moderne Väter, Thomas Schirrmacher

Schirrmacher, Thomas, Moderne Väter – weder Waschlappen noch Despot, Holzgerlingen: Hänssler 2007

In der Reihe „Hänssler kurz und bündig“ ist das Buch Moderne Väter – Weder Waschlappen noch Despot erschienen. Es ist für Väter, aber auch für Mütter, die was über die Vaterrolle lernen wollen. Man soll/kann es in 2h durchlesen. Und das stimmt. In den zusammengefassten praktischen Tipps am Ende der Kapitel liegt die Stärke des Buches. Natürlich denkt man, dass in so einem Buch der „Tiefgang“ fehlt. Umso mehr war ich erstaunt, wie tief man doch auf 92 Seiten werden kann. Und überhaupt – wann liest man schon mal ein Buch über die Vaterrolle. 2h sind immerhin 2h. Das gefällt mir schon mal. Der Preis von € 7,95 auch.

Prof. Dr. Thomas Schirrmacher, zwei Kinder, schreibt als Vater für Väter. Das Buch gliedert sich in 3 Hauptteile + Anhang. I. Kinder lieben Väter – Väter lieben Kinder / II. Vaterschaft angesichts moderner Probleme / III. Weblinks und Literaturtipps / IV. Anmerkungen.

Im 1. Hauptteil, der in drei Kapitel unterteilt ist, stellt er in Kapitel 1 fest, dass Vaterschaft im Umbruch ist und deshalb eine Chance besteht, wobei manche auch von einer Krise reden. Er berichtet, wie er persönlich in seiner Vaterrolle durch die Krise gegangen ist, trotz guter Vorsätze (:16f). Dann rekapituliert er die Geschichte der Vaterschaft (:19f), geht auf das Verständnis von Autorität ein (:21f … zwischen Waschlappen und Despot).

Im zweiten Kapitel geht es um das Comeback des Vaters. Es wurde erkannt, dass schon Säuglinge Väter lieben und umgekehrt. Jahrelang galt aber, dass Erziehung Frauensache ist. Väter wurden/haben sich von Kindern distanziert, dabei haben Kinder einen guten Einfluss auf Männer (:31f). Die Folgen der Vaterlosigkeit beschreibt er dann ab 32f und stellt die dramatischen Erkenntnisse dar (vgl. Auflistung S.35). Für Schirmmacher ist echte Vaterschaft ein Schutz vor Misshandlung und Missbrauch (:36). Im weiteren Verlauf geht er auf das Verhältnis von Vätern und Töchter ein und von Vätern und Söhnen und gibt dazu ganz praktische Tipps (:40-41).

Im dritten Kapitel macht Schirrmacher auf die Unverzichtbarkeit des Vaters aufmerksam. Kinder gehören auch den Vätern, gerade weil sie anders erziehen. Hier geht er auch auf die Rolle als geistlicher Vater ein und gibt gute Tipps (:49f). Ab 51f folgende behandelt er den Rollenunterschied in der Ehe und damit auch in der Erziehung und gibt wiederum praktische (sehr gute) Tipps, wie sich Mütter und Väter gegenseitig in der Erziehung unterstützten können (56f).

Im 2. Hauptteil empfiehlt S. Vätern so in die Familie zu investieren, wie in den Beruf. „Meine Eltern sind derzeit Mitte 80. Was ihnen geblieben ist, ist, was sie in ihre Familie investiert haben. … Ihr Beruf beginnt frühestens mit 20-25 Jahre nach der Zeugung und endet statistisch derzeit 20-25 Jahre vor dem Tod.“ (:60) Auch dafür gibt es wieder lauter praktische Tipps (:62f). Es folgt ein gründlicher Exkurs aus christlicher Sicht zum Thema „Ernährer oder Erzieher“. Dabei geht es um strenge und lasche Erziehung und über das Verständnis von „Hauptsein“ des Mannes, Autorität und Verantwortung und um Gott, als Urbild aller Vaterschaft (Eph 3,14.15), die sich barmherzig und tröstend auswirkt. Dann folgt sogar ein Kapitel über das Thema „Alleinerziehende Väter, Stiefväter und Ex-Väter“ (:72f).

Schließlich folgen im 3. Hauptteil acht Seiten Link- und Literaturtipps.

Fazit: super Buch. Unbedingte Leseempfehlung. Klasse Preis/Zeit/Leistungsverhältnis.