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Glaube/Nachfolge Rezensionen

Rezension: Lebensmitte als geistliche Aufgabe

Neues Bild (13)Grün, Anselm, Lebensmitte als geistliche Aufgabe, Münsterschwarzach: Vier-Türme-Verlag 172008
4 von 5 Punkten

Einen Tag vor dem 42. Geburtstag darf man auch mal so eine Rezension veröffentlichen;-):

Menschen ab 40 Jahren machen eine Wandlung durch. Man nennt sie auch midlife-crisis, die Krise der Lebensmitte. Diese Krise ist regelrecht „… eine tiefere Existenzkrise, in der die Frage nach dem Sinn des Ganzen gestellt wird …“(:9). Die Klostergemeinschaft, um Anselm Grün herum, hat sich diesem Phänomen gewidmet und untersucht, warum das so ist und wie man dieser Krise der Lebensmitte begegnen kann. Dabei stützen sie sich auf religiöse Erkenntnisse des deutschen Mystikers Johannes Tauler (1300-1361) und auf psychologische Erkenntnisse von C.G. Jung. Das Buch verbindet die beiden Perspektiven und bezeichnet sich als Hilfe auf dem Weg, den Jesus Christus uns führt. In der Einleitung wird deutlich: „Vom Glauben her gesehen ist in dieser Krise Gott selbst am Werk. Er bringt Bewegung in das menschliche Herz, um es für sich aufzubrechen und es von allen Selbsttäuschungen zu befreien. Die Krise als Werk der Gnade, dieser Aspekt erscheint kaum in der umfangreichen Literatur über die Lebensmitte.“ (:9f). Die Krise ist „… zugleich der Ort einer neuen und intensiven Gottesbegegnung und Gotteserfahrung.“ (:10).

Zunächst wird die Bewältigung der Lebensmitte bei Johannes Tauler umfassend dargestellt (:13f). Tauler beschreibt die Krise als Gnade Gottes. Vor dieser Krise kann der Mensch in dreifacher Wiese fliehen (:18f): (1) Er sieht den Reformbedarf nicht bei sich, sondern in den Strukturen seiner Umgebung. (2) Er flieht in äußere religiöse Formen, statt nach innen zu horchen. (3) Er sucht sich immer neue Lebensformen. Keine davon ist die Lösung. Es gilt vielmehr die Zeit der Lebensmitte als entscheidende Stufe auf dem Weg zu Gott zu sehen und als schmerzliche Stufe auf dem Weg der Selbstverwirklichung (:21). Ebenso ungünstig ist die Reaktion des Zurückbleibens oder des Stehenbleibens (:21f). Die Folge davon ist die innere Austrocknung. Die richtige Antwort auf die Krise sieht Tauler daher in der Selbsterkenntnis (:27f). „Tauler … sieht darin das Werk des Heiligen Geistes. Dieser Geist will uns erschüttern, damit wir zu unserer eigenen Wahrheit durchstoßen.“ (:29) Diese Reaktion erfordert dann Gelassenheit (:33f). „Es geht in der Krise der Lebensmitte um einen inneren Führungswechsel. Nicht mehr ich, sondern Gott soll mich führen. In der Krise ist ja schon Gott am Werk, und ich soll ihm nichts in den Weg stellen, dass er sein Werk an mir vollenden kann.“ (:36). Mit dieser Erkenntnis „… verliert die Krise an Bedrohlichkeit und Gefährlichkeit.“ (:37). Daraus folgt dann die „Gottesgeburt“ (:39f). „Gott treibt die Menschen, sich im Gedränge dieser Krise ihrem eigenen Seelengrund zuzuwenden, ihre Ohnmacht und Schwäche zu erkennen und sich ganz Gottes Geist zu überlassen.“ (:39). Die Krise ist also als „geistliche Aufgabe“ zu verstehen (:41).

Dann folgen die Erkenntnisse von C.G. Jung (1875-1961) (:43f). Grün findet es erstaunlich, dass er als Psychologe zu ähnlichen Erkenntnissen wie Tauler kommt. Jung geht bei der menschlichen Entwicklung grundsätzlich von der „Individuation“ aus (:45f). Das ist ein Prozess „… welcher ein psychologisches Individuum, das heißt eine gesonderte, unteilbare Einheit, ein Ganzes, erzeugt.“ (:45). Der Prozess hat zwei große Phasen: Die Expansion in der ersten Lebenshälfte und die Introversion in der zweiten Hälfte. Dabei geht es in der zweiten Lebenshälfte um die Entfaltung des Selbst. Der Wendepunkt zwischen erster und zweiter Lebenshälfte ist die Lebensmitte zwischen 35 und 45 Jahren. „Und das Grundproblem dieser Wende besteht darin, dass der Mensch meint, er könnte mit den Mitteln und Prinzipien der ersten Lebenshälfte nun auch die Aufgaben der zweiten meistern.“ (:48). Aber „Der Nachmittag ist genauso wichtig wie der Vormittag. Doch er folgt eben anderen Gesetzen.“ (:49) Nun gilt es, sich an die innere Realität anzupassen. „Statt Expansion ist nun die Reduktion auf das Wesentliche, der Weg nach innen, Introversion gefordert.“ (:49). Dazu gehört zunächst die „Relativierung der persona“ (:49f). Hier geht es um die Erkenntnis, den Status durch Amt und Titel und den Erwartungen von außen nicht zu entsprechen, sondern seine innere Persönlichkeit zu entwickeln. Dann gehört dazu die „Annahme des Schattens – das Gegensatzproblem“ (:50f). In der zweiten Lebenshälfte gilt es das Unbewusste (den Schatten) anzunehmen, der in der ersten Lebenshälfte eine untergeordnete Rolle spielte. Hier ging es um die Festigung des Ichs, des Bewussten. Jetzt muss man sich auch dem Unbewussten zuwenden. Wer das nicht tut, wird entweder zum Prinzipienreiter (es darf nur eine Richtschnur des Handelns geben) oder er wirft alle Werte über Bord: „Berufsänderungen, Scheidungen, religiöse Wandlungen, …sind Symptome dieses Hinüberschwingens ins Gegenteil.“ (:52). Aber mit der Verdrängung bleibt die Störung des Gleichgewichts. „Man erliegt dem Irrtum, dass der gegenseitige Wert unseren bisherigen Wert aufgehoben hat.“ (:52). Dabei geht es lt. Jung darum, die früheren Werte zusammen mit einer Anerkennung ihres Gegenteils zu erhalten. (:53). Es geht also um Integration. Jetzt wird es sehr psychologisch. Jung meint, dass man das weibliche und männliche Element des Lebens (anima und animus) vereinigen muss. Hört sich komischer und komplizierter an, als dann ausgeführt wird (53f). Grün schließt diesen Abschnitt mit der Erkenntnis, dass anima und animus Archetypen des Menschen sind, „… die nicht in erster Linie mit Mann und Frau zu tun haben, sondern mit der Struktur der menschlichen Seele. Entscheidend ist, dass sich der Mann in der Lebensmitte neu überlegen will, wie er seine Ganzheit leben möchte. Und die Frau muss sich klar werden, was zu ihrem Wesen als Frau alles gehört.“ (:61). Letztlich geht es um die Annahme des Sterbens und die Begegnung mit Gott. „Das eigentliche Problem, vor dem der Mensch in der Lebensmitte steht, ist schließlich seine Haltung gegenüber dem Tod … Nur wenn der Mensch an ein Weiterleben nach dem Tode glaubt, ist das Ende seines irdischen Lebens, ist der Tod ein vernünftiges Ziel.“ (:62). „Für Jung ist das Weiterleben nach dem Tod keine Sache des Glaubens, sondern der psychischen Realität. Die Seele findet es vernünftig. Indem sie sich darauf einrichtet, bleibt sie gesund.“ (:62). „Das Leben hat ein Ziel. In der Jugend besteht das Ziel darin, dass der Mensch sich in der Welt einrichtet und etwas erreicht. Mit der Lebensmitte ändert sich das Ziel. Es liegt nicht auf dem Gipfel, sondern im Tal, dort wo der Aufstieg begann.“ (:63) „Denn leben, lebendig bleiben, reifen kann nur, wer das Gesetz des Lebens annimmt, das sich auf den Tod als sein Ziel hinbewegt.“ (:63). Grün schließt: „Die geistliche Wiedergeburt, das Sich-wandeln-lassen durch Gott, ist die Aufgabe der zweiten Lebenshälfte, eine Aufgabe voller Gefahren, aber auch voller Verheißungen.“ (:67)

Bemerkenswert ist, dass das Buch nun seine 17. Auflage seit 1980 hatte. Mittlerweile ist die Forschung hier auch weitergegangen und man geht momentan von viel mehr Lebenskrisen aus (z.B. die Quarterlife-Krise). So schreibt Grün zum Schluss, der wohl in der neueren Auflage hinzugefügt wurde: „Es gibt zwar die typische Krise der Lebensmitte, doch wir sollten uns darauf nicht fixieren …. So versuche ich, jetzt im Augenblick zu leben, dankbar zu sein für alles, was in und mit mir geschehen ist, und immer offen zu sein für die Herausforderungen, die mir die Gegenwart stellt.“ (:70)

Fazit: Alles in allem ein sehr anregendes Buch für Personen, die sich in der Lebensmitte befinden. Sehr empfehlenswert, auch wenn manche Ausführungen von Jung zunächst befremdlich wirken. Dazu kommt ein super Preis: 6,60 € und man hat die 72 Seiten an einem Abend gelesen.

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Jugendarbeit Kirche/Gemeinde Leitung Mitarbeiterführung Rezensionen

Rezension: herzblut – Dynamische Jugendarbeit

herzblut - Dynamische Jugendarbeit, Markus Kalbherzblut
Dynamische Jugendarbeit
Wie deine Jugendarbeit Leben verändert
Markus Kalb
4,5 von 5 Punkten  / 136 Seiten

Endlich! Ein Buch über christliche Jugendarbeit, mit evangelikaler Ausrichtung, aus Deutschland. Das wurde auch Zeit, nachdem jahrelang nur Bücher aus Amerika übersetzt wurden. Markus Kalb, Leiter der Wiedenester Jugendarbeit, hat es geschrieben. Er hat den Titel „Herzblut“ gewählt. Ihm geht es laut Cover um „Dynamische Jugendarbeit“, die das Leben von Jugendlichen verändert.

Die Stärke des Buches liegt darin, dass sich Markus auf das innere Zentrum einer christlichen Jugendarbeit konzentriert und den konkreten strategischen Aufbau nur grundsätzlich behandelt. Als Praktiker hätte ich mir hier etwas mehr praktische Tipps gewünscht.
Aber natürlich muss erst das „Innere“ stimmen, bevor „Äußeres“ gemacht wird. Und hier legt Markus richtig los. Man nimmt ihm ab, dass es ihm um das Herz geht. Er schreibt persönlich, aus Erfahrung, jesuszentriert und von da aus – sicher für manche überraschend – wertkonservativ.
Das Buch ist in drei Teile geteilt, die jeweils in Kapitel gegliedert sind: 1. Das Herz des Jugendmitarbeiters (Jesus lieben – Jugendlichen dienen) / 2. Das Herz des Teams (Jesus lieben – Mitarbeiter gewinnen) / 3. Das Herz des Jugendlichen (Jesus lieben – Ihm nachfolgen).

Im 1. Teil geht es Markus um den Mitarbeiter. Er ist immer ein Vorbild: „Du kannst nicht kein Vorbild sein“ (:16). Er liebt zuerst Jesus und von da aus seine Jugendlichen. Markus entfaltet sehr gut den feinen Unterschied zwischen einer programmorientierten und beziehungsorientierten Jugendarbeit (:34f). Der Mitarbeiter lebt aus der Kraft des Heiligen Geistes und hat eine dienende Haltung. Das Ziel des Mitarbeiters ist es, wie Jesus zu werden. Markus gibt dafür konkrete Tipps („immer“ beten, Gedankenfütterung, Bibel lesen, im Moment leben, um ein weiches Herz ringen). Für mich eines der stärksten Kapitel des Buches.
In Teil 2 lenkt Markus dann den Leser auf das Team. Wer Teamarbeit begreift, kann ein Team genießen. Die Zusammenstellung des Teams ist entscheidend. Weiter geht es um die Mitarbeitergewinnung (:60f)  und  die ordentliche Einarbeitung und Einführung von neuen Mitarbeitern.
Dann widmet sich Markus im 3. Teil den Herzen der Jugendlichen. Die Liebe der Jugendlichen zu Jesus ist Ziel der Jugendarbeit. Ab 81f. zeigt Markus krasse Fehlentwicklungen auf, die sich in unsere Szene eingeschlichen haben. Er fordert auf, zum echten Jesus zurückzukehren: „So bauen wir uns unseren Jesus selbst. Der uns besser gefällt. Der aber leider tot ist – denn nur der echte Jesus lebt.“ (:83). Wir brauchen keinen falschen Kuschel-Jesus (:88). Jesus will retten, vor dem Zorn Gottes, weil Gott heilig ist. Ohne Jesus gibt es keine Rettung. Schließlich: „Gott ist nicht gerne zornig. Er will uns nicht vernichten und strafen… Er ist die Liebe, er sucht seine Kinder. Gott der Vater ist es ja, der aus Liebe seinen Sohn gesandt hat.“ (:91) Richtig gute, deutliche und seltene Worte in einem Buch über Jugendarbeit. Dieser Jesus ist es wert, geliebt zu werden. Er steht aber bei Jugendlichen zunächst in Konkurrenz mit Beziehungen & Sex, Geld & Besitz, Leistung & Erfolg, Party & Musik, Religion & Gesetzlichkeit (:92). Jugendliche müssen daher zuerst sich selbst lieben (:94f), weil Gott sie liebt. Sehr gut auch die Ausführungen zu Glaube vs. „Regelion“ (:103f). Auf dem Fundament eines stabilen Glaubens gelingt es Jugendlichen ihren Nächsten und ihre Freunde lieben, sozial aktiv zu sein und schließlich die Ortsgemeinde zu lieben. Letztendlich geht es darum, dass Jugendliche geistlich erwachsen werden.

Ich empfehle, sich das 136-Seiten-Buch „mal eben“ „reinzuziehen“; dann aber über die einzelnen Kapitel im Team zu diskutieren. Markus schreibt über Grundprinzipien der christlichen Jugendarbeit. Die müssen verinnerlicht werden. So wird daraus die richtige Strategie wachsen. Alles mit Herzblut.

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Glaube/Nachfolge Rezensionen

Rezension: Einreden

Neues Bild (12)Grün, Anselm, Einreden – Der Umgang mit Gedanken, Münsterschwarzach: Vier Türme Verlag 212001
4 von 5 Punkten

Einreden ist das erste Buch von Anselm Grün, was ich gelesen habe. Anselm Grün ist Benediktinerpater. Das Buch ist einer Reihe des Klosters Münsterschwarzach erschienen. Die Bücher sind kompakt, kurz (93 Seiten), günstig (6,60 €) und schnell zu lesen.

In Einreden macht Grün deutlich, wie Gedanken unser Leben und damit unser Verhalten bestimmen – in negativer und positiver Weise. Dabei geht es teilweise um Praktiken, die viele vielleicht auch als „Stille Zeit“ bezeichnen würden. Nur wesentlich leichter umzusetzen;-).
„Wer sich positiv verändern will, muss an die Wurzel seiner Stimmungen ran – an die >Einreden<.“, lautet es auf dem Cover. „Daher ist es eine wichtige Aufgabe, sich mit den Sätzen zu beschäftigen, die sich in uns von selbst formulieren und die doch eine so immense Wirkung auf unsere Einstellung, auf unsere Stimmung, auf unser Denken, Fühlen und Handeln haben.“ (:12).

Grün greift auf die Geschichte des alten Mönchtums zurück. Dort spielte der Umgang mit Gedanken eine wichtige Rolle. „Wenn wir daher nach Gottes Willen handeln wollen, müssen wir bei unseren Gedanken ansetzen und sie Gottes Geist entsprechen lassen.“ (:14). Dieser spricht durch die Schrift zu uns (:15). „Daher ist die Auswahl der Gedanken, die auf uns einströmen, eine Hauptaufgabe des geistlichen Lebens.“ (:16). In den folgenden Kapiteln lässt er nun die Erkenntnisse dieser weisen Männer einfließen (er nennt sie oft Vätersprüche).
Wir können uns negativ etwas einreden (ab S.19) und natürlich auch positiv (ab S.33). Interessant ist, dass ein alter Mönch z.B. ein Raster hatte, um auf bestimmte in ihm hochkommende Gedanken zu reagieren (:33). So ein Raster kann man sich auch heute zulegen und einüben. Eine Möglichkeit ist es z.B. Bibelverse zu rezitieren. „Wenn mich ein Wort fasziniert, mich unmittelbar betroffen macht, dann ist das ein Zeichen, dass es mich einige Zeit oder sogar ein Leben lang begleiten sollte, dass es mein Übungswort werden könnte.“ (:37). Das fängt schon morgens an: „Wenn du dich vom Schlaf erhebst, so öffne sofort als allererstes deinen Mund zum Lob Gottes und stimme Lieder und Psalmen an …die erste Beschäftigung, mit der sich der Geist morgens abgibt, hält an, … Daher sei du immer der erste, um Weizen hinzuwerfen, bevor dein Feind Unkraut hineinwerfen kann.“ (:37).
Empfehlenswert ist es auch Bibelwörter mit Tätigkeiten zu verbinden. Hier wird Grün sehr alltagspraktisch: „Wenn wir einen Bibelspruch oder ein Gebet aber mit einer Tätigkeit verbinden, die wir sowieso verrichten, dann kostet es keine Energie, einen solchen Vorsatz durchzuhalten … Ob wir einen solchen Vorsatz zur Gewohnheit werden lassen können, ist nicht Sache der Willensstärke, sondern der Klugheit.“ (:38) „… Vorsätze seien das sicherste Mittel, uns daran zu hindern, etwas in unserem Leben in Bewegung zu bringen … Ich flüchte mich vor der Herausforderung des gegenwärtigen Augenblickes in die Unverbindlichkeit der Zukunft … Die Kunst des geistlichen Lebens besteht darin, die kleinen Dinge des Alltags zu einer Einübung in die Gegenwart Gottes zu machen …. Wir müssen ein Programm aufstellen, wie wir uns in kleinen Schritten in den Geist Jesu einüben können, ein bescheidenes Programm, das auch durchführbar ist. Wenn wir nur einen Gang, den wir täglich gehen, zu einer Einübung in die Gegenwart Gottes machen, dann hat sich damit schon etwas Entscheidendes in unserem Leben geändert.“ (:39f). „Man sagt es sich etwa vor, wenn man auf dem Weg zur Arbeit ist oder von der Arbeit kommt, wenn man das Haus betritt, … diese Zeiten und Augenblicke, die immer wiederkehren, plant man bewusst. Man verbindet sie automatisch mit einem Wort, so dass man die Gewähr hat, das Wort trifft mich wenigstens einige Male am Tage.“ (:47). Dabei ist das Wort für ihn kein Zaubermittel, „… aber es ruft in mir etwas wach, es macht mich selbst wacht und stellt mich in die Gegenwart Gottes.“ (:51)
Anschließend geht er auf die psychologische Seite des Einredens ein (ab S.53). Anhand der Transaktionsanalyse macht er deutlich, wie kindlich erlebte „Einschärfungen“ uns bestimmen.
Ab Seite 63 nennt Grün Methoden zum Umgang mit Gedanken. Dazu einige Zitate:

  • „Wir können die negativen Gedanken in uns nicht einfach vertreiben. Das ist auch nicht nötig. Wir sollen aktiv auf sie reagieren. Wir sollen sie nicht unterdrücken, sondern mit ihnen umgehen, mit ihnen kämpfen.“ (:66)
  • „Anstatt uns den Gedanken zu verbieten, lassen wir ihn zu und können offen mit ihm kämpfen. Nur so können wir ihn überwinden, ohne ständige Angst, dass er wieder in uns auftauchen könnte.“ (:67)
  • „Die Vorstellung, dass der schlechte Gedanken von Dämonen stammt, hilft dem Mönch, sich von ihm zu distanzieren und mit ihm wie mit einem äußeren Feind umzugehen. Zumindest befreit sie ihn von den Selbstvorwürfen, die sich viele machen, sobald sie einen verwerflichen Gedanken in sich entdecken.“ (:75)

Mit dem letzten Kapitel „Glauben – so tun als ob“, schließt Grün seinen Band ab. Dabei befreit er den Glauben auch vom Erfahrungsdruck: „Glaube als So-tun-als-ob befreit uns von diesem Druck. Wir brauchen nicht unbedingt etwas zu spüren.“ (:84). „Gott hat mit uns und unserer Welt mehr Möglichkeiten, als wir uns ausdenken können. Und er hat uns in der Schrift seine Möglichkeiten geschildert. Wenn wir so tun, als ob seine Zusagen stimmen, dann können wir freier leben … Das ist keine Flucht vor der Realität in eine Idylle göttlicher Verheißungen, sondern ein Leben aus dem Glauben, der sich vom Faktischen nicht täuschen lässt, sondern feststeht in dem, was wir erhoffen und daher frei ist von dem Druck, alles selbst in die Hand nehmen und leisten zu müssen.“ (:87). Er betont, dass Gottes Geist in uns wohnt. Es ist die andere Realität in uns. „Wir bilden uns in den positiven Einreden nicht Beliebiges ein, sondern wir bilden uns das Wort Gottes ein, weil wir eine Vorahnung haben, dass es stimmt.“ (:89) „Wenn wir einfach so tun, als ob alles stimmt, was uns der Glaube sagt, dann halten wir uns nicht darüber auf, wie wir eigentlich glauben müssten, sondern wir probieren mit all unseren Zweifeln und mit unserem Unglauben und mit unserer Unlust an Gott den Glauben aus.“ (:90)
„Das ist eine sehr alltägliche Form des Glaubens, aber eine Form, die unseren Alltag zu wandeln und zu heilen vermag.“ (:91)
Der Ansatz ist sehr pragmatisch. Deswegen werde ich ihn einfach mal ausprobieren. Und meine ersten Anfänge in dieser Richtung sind vielversprechend. Weil es so einfach ist.

11.02._Gruen_Einreden

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Kirche/Gemeinde Leitung Mitarbeiterführung Rezensionen

Rezension: Der Beziehungsfaktor

SAMSUNG DIGITAL CAMERAWright, Walter C., Der Beziehungsfaktor – Mitarbeiterorientiert führen. Ziele gemeinsam erreichen, Gießen: Brunnen Verlag 2003
4 von 5 Punkten

„Führung ist ein Lebensstil, der alles durchdringt – was wir tun und was wir sind“ (:11), schreibt Prof. E.H. Peterson im Vorwort des Buches von Walter C. Wright. Wright war lange Universitätspräsident einer Hochschule in Vancouver und schreibt hier auf 238 Seiten ein sehr wichtiges Buch über Führung und Leitung. Es ist in Deutschland im Rahmen der acf-edition erschienen (Akademie christlicher Führungskräfte). Das Buch kostet im Moment bei amazon neu nur € 4,95 (Sept. 2012). Ein unfassbar guter Preis für so ein gutes Buch.

Zunächst legt Wright da, was im für dieses Buch wichtig ist. Das wichtigste beim Führen ist für ihn die Beziehung. „Führung durch Beziehungen heißt: Wir arbeiten als Team gut zusammen und haben Spaß dabei.“ (:14)

In Die Theologie einer dienenden Führung“, dem ersten von sechs Kapiteln legt er die Grundlage dienender Führung. „In dieser Betrachtung vertrete ich die Meinung, dass Führung eine Beziehung ist – eine Beziehung, durch die eine Person versucht, die Gedanken, das Verhalten, den Glauben oder die Werte einer anderen Person zu beeinflußen.“ (:20).
Wright entfaltet anhand des Judasbriefes was gute Führung bedeutet. Eine gute Führungskraft hat ihre Mitte gefunden. Sie kennt ihre Identität und die begründet sich einzig und allein auf die Liebe Gottes (vgl.: 25). Das macht lebensfähig und gibt Sinn, weil ein Leiter dann aus Gottes Perspektive lebt. Sie orientiert sich an der Freundlichkeit Gottes, die in seiner Bundestreue wurzelt. Davon abgeleitet entfaltet er die Prinzipien dienender Führung: 1. Bei Führung geht es um Einfluss und Dienst. „Dienende Führung aber zielt auf die Gemeinschaft ab. Sie benutzt ihre Macht für das Wachstum derjenigen, die geleitet werden und für das Gelingen des gemeinsamen Auftrages der Gemeinde.“ (:35). // 2. Beim Führen geht es um die Visionen und Hoffnung. „Führungskräfte vermitteln eine bestechende Vision für das Morgen.“ (:36) und „Führung ist eine einflussreiche Beziehung, die die Menschen auf eine gemeinsame Vision ausrichtet.“ (:37) // 3. Bei Führung geht es um Charakter und Vertrauen. „Wir hören auf Menschen, denen wir vertrauen. Wir akzeptieren den Einfluss einer Person, deren Charakter wir respektieren.“ (:37) „Die drei Dinge, die Menschen von Führungskräften erwarten, sind Richtung, Vertrauen und Hoffnung.“ (:38) // Bei Führung geht es um Beziehungen und um Macht. „Führung ist eine Beziehung der Macht. Sie ist die Ausübung von Macht. Macht ist das Potenzial für Einfluss.“ (:39) // 5. Bei Führung geht es um Abhängigkeit und Verantwortung. „… den letzten Endes haben die Geführten die Führung in der Hand. Es gibt Führung nur, wenn sich jemand entschließt zu folgen – den Einfluss zu akzeptieren.“ (:41) Demnach: „Führung ist eine zielgerichtete einflussreichende Beziehung, die von denen anerkannt wird, die sich entschließen, zu folgen.“ (:41) Folglich brauchen Führungskräfte Sicherheit und Weisheit. Beides kommt aus der Beziehung zu Gott.

In Kapitel 2 „Die dienende Führungskraft“ geht es um die Person des Leiters. „Gemeindehirte zu sein ist eine verantwortungsvolle Position und ein Dienst, kein Rang und keine Machtposition.“ (:47) Anhand von Onesimus, der zu Philemon in Kollosä zurückkehrt, entfaltet er Gedanken über die Einstellung, die eine Führungskraft braucht. Das erscheint mir ein wenig hergeholt. Er entfaltet dann weiter Grundsätzliches zum Thema Führung und stellt noch einmal fest, dass Führung in erster Linie eine Beziehung zwischen Menschen ist und die Führungskraft beeinflusst (:54f). Dabei wird Führung auch immer vom Geführten ausgeübt (:62), der sich entschließt sich dem Einfluss der Führungskraft auszusetzen. Führung muss dabei der Reife der Geführten angepasst werden (Situationsbezogenes Führen) (63f). Das Ziel ist die Befähigung des Geführten (71f). Deswegen ist es wichtig ein Mentor zu sein, anzuleiten und Teams zu bilden. Mentorschaft kann passiv, gelegentlich oder absichtlich geschehen. Wright redet von „… einer aufeinander einwirkenden Lernbeziehung … Sie hat den Zweck, die Reife der Führungskraft in Bezug auf das Führen zu fördern.“ (:75). Eine weitere Form der Befähigung ist das Anleiten (:78f). Schließlich gehört das Teambildung zur Befähigung. Was dazu gehört führt Wright nun von 81-93 aus. Für ein Team „… ist auch eine begabte Führungskraft nötig, die dem Team dient und darauf achtet, dass der Auftrag erfüllt und für die Menschen gesorgt wird, und auch Entscheidungen getroffen werden.“ (:93)

„Vision und Hoffnung“ ist die Überschrift von Kapitel 3. „Eine Vision sieht das Morgen so deutlich, dass sie das Heute bestimmt.“ (:100) In einer christlichen Gemeinschaft geht es Wright darum Menschen mit einzubeziehen: „Wenn wir wirklich glauben, >das jeder Menschen etwas zur Gruppe beitragen kann, dann müssen wir notgedrungen so viele Menschen wie möglich einschließen<. Führungskräfte beziehen mit ein. Sie schauen nach Wegen, die Verschiedenheit zu fördern und Raum für Menschen zu schaffen, um ihre einzigartigen Beiträge zum Ganzen entwickeln.“ (:101) Die Führungskraft muss wissen: „Ich bin dafür verantwortlich, eine Vision zu vermitteln, Werte zu stärken, die Leute zu ermutigen und danke zu sagen.“ (:105) Zu einer guten Vision gehört eine hoffnungsvolle strategische Planung. Diese Ausführungen ab 105f gefallen mir sehr gut. Zweck, Auftrag, Werte, Kultur, Strategien sind festzustellen. Dabei gilt es zu beachten, dass wir in einer Zeit von lauter Veränderungen und Wertewechseln leben, die er von 110-120 m.E. sehr treffend darlegt. Für Wright wird u.a. Zeit ein Spitzenwert in der Zukunft (:111). Integrität und Charakter werden zu Schlüsselfragen (:114). In dieser Zeit muss durch Planung die Vision gelebt werden. Er zitiert Jürgen Moltmann, der sagt, …“das Planung Hoffnung bringt und der Versuch ist, die Geschichte in eine gottgemäße Richtung zu lenken.“ (:122). Dann führt er von 122-147 das Modell einer Planung aus. Das finde ich sehr gelungen. Zunächst geht es um die Frage „Wer wir sind?“, also um die Mission: „Die Mission ist die einzigartige Berufung oder das Kennzeichen der Organisation, die von der Geographie oder dem Standort, den Werten, Überzeugungen, angebotenen Diensten, vorhandenen Mitteln, der Zielgruppe, der man dient usw. bestimmt wird.“ (:123). Die Mission ist das Mandat. Sie macht Zusammenarbeit mit anderen erst möglich: „Ein starkes Bewusstsein für eine Identität und Mission ermöglicht es einer Organisation, mit anderen unterschiedlichen Organisationen zusammenzuarbeiten. Denn dann muss sie nicht befürchten, ihre grundlegenden Merkmale zu verlieren.“ (:124). Zur Planung gehört die Festlegung von Werten. Die Frage nach dem Umfeld und wo man hin will. Unter Betriebsplanung versteht Wright die Fragen: Was können wir tun? Wie sollten wir es tun? Wann werden wir es tun? Wer bringt uns dorthin? Alles muss auch bewertet und überprüft werden. Daraus entwickelt sich das Szenario, eine hoffnungsvolle Vision. „Führungskräfte tun ihr Bestes, das weiseste Szenario mit der Gemeinschaft, die sie führen, zu erstellen. Sie glauben, dass dies Gottes Plan ist, mit dem sie versuchen, die Kräfte und Energien ihrer Organisation zu bündeln.“ (:142). Er führt auch aus, was ein gutes Szenario ausmacht und beendet das Kapitel mit Offb. 21.

Kapitel 4 behandelt dann das Thema: „Durch Werte beeinflussen“. Es geht ihm um den Charakter und die Werte der Führungskraft. Hier kommt er wieder auf die Gemeinde in Kolossä zu sprechen, die Onesimus jetzt als ehemaligen Sklaven aufnehmen muss und zitiert aus Kolosser 2,5-7; 3,1-4,1. Konfliktfähigkeit ist ein wichtiger Wert, den eine Gemeinschaft lernen muss. Manchmal wirkt das Buch nicht ganz stringent oder wiederholt sich, so auch in diesem Kapitel. Sei es drum. Seine Ausführungen zum Charakter sind absolut wichtig: „Menschen mit Charakter sind Führungskräfte, ob sie nun eine Führungsposition haben oder nicht.“ (:163). Auch die Kultur einer Organisation zu erkennen, ist für eine Führungskraft ganz wichtig (:167f). Hilfreich dabei das Diagramm auf Seite 174. „Die Unternehmenskultur ist in allen unseren Unternehmen und Kirchen eine starke Macht. Sie ist eine Macht, die Führungskräfte verstehen und ansprechen müssen, denn sie schaffen und fördern die Unternehmenskultur.“ (:175). Für Wright ist wichtig, dass Kirche als Reich Gottes und als Unternehmen gesehen wird: „Ich bin nicht bereit, weniger zu akzeptieren als effektives Wirken als Unternehmen und lebendige christliche Gemeinschaft. Das schließt sich nicht gegenseitig aus, es ergänzt sich im Wesentlichen.“ (:176). „Die Kultur kann die Durchführung der Mission erzwingen, aber sie ist nicht die Mission selbst.“ (:178). Eine Führungskraft kann die Kultur entscheidend beeinflussen. Das macht sie in dem sie ihre eigenen Werte lebt. „Alles was eine Führungskraft tut, fördert eine Kultur.“ (:186) Eine Kultur zu schaffen und zu fördern ist eine der Schlüsselaufgaben der Führung. Es ist ein lang andauender Prozess. Er erfordert eine langjährige Verpflichtung der Führung …. Sie müssen erwarten, Gott in ihren Organisationen in den nächsten Jahren wirken zu sehen.“ (:198). Das geht für Wright nur mit Gottes Gnade und mit dem Wissen, dass Vergebung möglich ist (:199f). „Nur in Abhängigkeit von Gott und Erkenntnis, dass wir Vergebung brauchen, können wir es wagen, die Verantwortung für die Führung derer zu übernehmen, zu denen Gott uns sendet.“ (:200)

In Kapitel 5 geht es dann um dass: „Beeinflussen durch Beziehungen“. „Bei Führung durch Beziehungen geht es um Führungskräfte, die geführt werden, Geführte, die selbst führen, Diener, die führen und Führungskräfte, die dienen. Führung ist eine Beziehung von gegenseitiger Abhängigkeit.“ (:207). Dabei spielt die Fürsorge und Förderung von bezahlten und ehrenamtlichen Mitarbeitern eine Rolle (:209f). Wright stellt richtig fest, dass „… alle Angestellten heute im Wesentlichen Freiwillige sind. Sie haben sich dafür entschieden, an ihrem gegenwärtigen Arbeitsplatz zu bleiben.“ (:209) Er führt aus, warum Menschen freiwillig helfen (:212f), empfiehlt eine gute Werbung und Begleitung von Freiwilligen (:216f) Dabei muss auch im ehrenamtlichen Dienst die Mission der bestimmende Faktor sein. Er empfiehlt einen klaren Fürsorge Plan für Freiwillige: Erwartungen klarstellen, Einigung über Ziele, Erfolg überprüfen, für Leistung und Wachstum zurüsten (:220f.). Dazu gehört die Arbeitsplatzbeschreibung, die der Klarstellung von Erwartungen dient. Diese vermittelt auch den Wert der Arbeit. Außerdem muss Einigkeit über das Vorhaben erzielt werden (:230f). Hier schreibt er: „Führungskräfte sind für den Erfolg der Menschen, die sie führen, verantwortlich.“ (:231) Deshalb muss es auch einen Prozess der Überprüfung geben (:233f). Nicht als Kontrollmittel, sondern zur Förderung der Person. „Die Menschen verdienen zu erfahren, wie sie die ganze Zeit arbeiten.“ (:236). Dann ist sein Ziel das Leute nach dem Einsatz besser ausgerüstet sind als vorher. Sie sollen durch den Einsatz wachsen. „Führung ist eine fördernde, persönliche Beziehung… Gute Führungskräfte bringen sich ein in solch fördernde Beziehungen mit den Menschen, für die sie verantwortlich sind.“ (:244) Er kommt zu der Schlussfolgerung: „Führen ist Macht nutzen, um Menschen zu dienen.“ (:245).

Kapitel 6 rundet mit dem Thema „Verantwortlich beeinflussen“ das Buch ab. Zur Verantwortung gehört Geduld und Beharrlichkeit. Besonders die Verantwortung vor Gott ist zu nennen. Das Gebet als Hören auf Gott, ist für ihn ein ganz wichtiger Faktor (:252f). Verantwortung hat man aber auch gegenüber der Organisation. Man braucht hier Personen, denen man Rechenschaft schuldig ist. Dies ist auf ein Vorstand, dem er einige Ausführungen widmet (:256f). Für ihn gibt es „… wahrscheinlich keine wichtigere und möglicherweise auch problematischere Beziehung als die zwischen der Führungskraft und dem Vorstand.“ (:256). Durch die Aufteilung zwischen ehrenamtlichen „Vorständen“ und hauptamtlichen „Geschäftsführern“ gibt es lt. Wright zwei Arten von „Eigentümern“, die sich ergänzen, aber auch konkurrieren. Der Vorstand hat die letztliche Verantwortung, aber der Angestellte verbringt am meisten Zeit in der Organisation. Wenn sie zusammenarbeiten bilden sie ein Führungsteam. „Wir reden von gemeinsamer Führung, Rechenschaft und Vertrauen. Es geht um die Partnerschaft einer gemeinsamen Vision.“ (:258). Weiter hat jeder Leiter auch eine Verantwortung für sich selbst: 259f. Das gilt für die Zeit und das Leben (Familie, Freunde). „Zwanzig Jahre später werden die Beziehungen, die wir aufgebaut haben, wichtiger sein als unser Erfolg als Führungskraft. Verantwortlich für meine Zeit sein heißt auch, Zeit für Freundschaften zu finden, die über die Grenzen meiner Pflichten als Führungskraft hinausgehen.“ (:267). Und schließlich: Vergebung (:268). Für Wright ist die Krise der Führung eine Krise der Vergebung. Aber „Fehlerlose Führung ist ein Paradox … Führungskräfte führen, indem sie Fehler machen“ (:272). „Vergebung gibt Menschen die Möglichkeit, Risiken einzugehen.“ (:273). Eine Führungskraft muss aber auch sich selbst vergeben. „Vergebung ist der Kern der Beziehung der Führungskraft zu Gott.“ (:276).

Also, ein sehr detailliertes Buch über Führung. Wright spricht fundamentale Dinge an, die vor allen Dingen aus seiner Erfahrung her kommen. Manchmal springt er ein wenig, aber das wertet das Buch nicht ab. Dieses Buch ist ein Must-Read für Leiter.

12.09._Wright_Der Beziehungsfaktor

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Kirche/Gemeinde Leitung Rezensionen

Rezension: Columbans Revolution

Neues Bild (11)Müller, Peter R., Columbans Revolution, Schwarzenfeld: Neufeld Verlag 2008
Wie irische Mönche Mitteleuropa mit dem Evangelium erreichten – und was wir von ihnen lernen können

4 von 5 Punkten / 96 Seiten / € 9,90

Als Irland-Fan, Geschichts-Fan und Gemeinde-Fan konnte ich an diesem Buch von Peter R. Müller nicht vorübergehen. Es hat knapp 100 Seiten und lässt sich gut lesen.
In der Einleitung macht Müller deutlich, warum das Thema für uns heute relevant ist. Es geht ihm um kulturelle Relevanz. Die haben die irischen Mönche gelebt und die müssen wir als Gemeinden heute auch leben.

Deshalb beschreibt er zunächst einmal die Welt der Kelten und woher die irischen Mönche kamen, als sie auf dem europäischen Festland ihre ungeheure Wirkung entfalteten. Die Gemeinschaftskultur und die Spiritualität sind dafür die tragenden Faktoren.
Diese Gruppe kommt jetzt auf das Festland, in eine andere Welt. In Kapitel 3 wird diese beschrieben. Eine gallisch-römische Kultur war bestimmend, die sich im Laufe der Jahre verchristlich hat (bis 400 n. Chr), allerdings nicht auf dem Land.
Dann beschreibt er die Person des Columban und seine Strategie Klöster zu gründen, die Auswirkungen auf die direkte Umgebung hatten. Er arbeitete mit den regionalen Machthabern zusammen und arbeitete immer im Team. Daraus entstand das iro-fränkische Mönchstum. Sie hatten klare Regeln, legten Wert auf Predigt und Lehre, auf Heilung, Zeichen und Wunder, auf machtvolle Begegnungen. Sie knüpften an die Bedürfnisse der Menschen an, die ihre Mitte suchten. Schließlich passte alles und der richtige Kairos war gekommen.

Wie ist jetzt die Wirkung der irischen Mönche zu bewerten. Das führt er im 5. Kapitel aus. Es entstanden einheimische Gemeinschaften, es wurde evangelisiert, es wurden Missionare entsandt und das Evangelium wurde kulturell adaptiert. Damit knüpften sie direkt an die Bedürfnisse der damaligen Bevölkerung auf dem Festland an und schafft für diese Bedürfnisse Lösungen. Diese Lösungen der Iren stellt er historisch dar und überträgt er auf unsere heutige Zeit:

1. „Wo Kirche einen Beitrag zur Lösung strukturellen Handlungsbedarfes leistet, kann sie die Energien des Veränderungsdruckes als Rückenwind für die verbale und praktische Verbreitung des Evangeliums nutzen … Kirche ist nicht nur mit sich selbst beschäftigt, sondern Teil des Lebens der Menschen um sie herum und Antwort auf ihre Bedürfnisse.“ (:72)
2. „Der christliche Glaube existiert nicht, außer ›übersetzt‹ in eine Kultur … Kommunikation findet immer unter kulturellen Prämissen statt. Je mehr wir der Kultur in unserer Kommunikation respektvollen Raum geben, desto eher verstehen wir die wirklichen Anliegen unserer Zielgruppe und können verständlich in ihrer Welt übersetzen, kulturell relevante Antworten geben und so das Evangelium verstehbar machen.“ (:74)
3. „Die langfristige Perspektive erlaubt es, nach dem Prinzip von Saat und Ernte in das Wachstum zu investieren und sich auf Zinseszinseffekte bei der Wirksamkeit zu verlassen. Sie erlaubt das Arbeiten an einem Ziel, das die Fähigkeiten eines Einzelnen, einer Gruppe oder einer Generation übersteigt, und überfordert dabei dennoch nicht die Kräfte.“ (:76)
4.“Die Beeinflusser zu beeinflussen, eröffnet ein großes, weit reichendes Wirkungspotential. Es beseitigt nicht die ethisch und moralisch hoch verfänglichen destruktiven Situationen, die Macht mit sich bringen kann. Die Alternative, nämlich Wirkungslosigkeit und Rückzug aus den Schaltzentralen der Macht, beseitigt sie aber noch viel weniger. Zusammenarbeit mit Machthabern ermöglicht eine große evangelistische Wirkung. Diese dynamis ist wie Dynamit; sie kann scheinbar Unmögliche bewegen. Wird sie nicht mit höchster Vorsicht und permanenter, unnachgiebiger Selbstreflexion gehandhabt, bringt sie allerdings mit Sicherheit die Katastrophe hervor.“ (:78f)

Von daher gibt er noch mal einen Ausblick auf die heutigen Herausforderungen von Gemeinde. Dazu einige Zitate:
„Als Menschen der Industrialisierung in den Städten strandeten, antworte die Kirche mit Bahnhofsmission und Heilsarmee. Heute leben wir in der hyperbeschleunigten Welt von Burn-out, Bore-out und Buy-out. Welche Antworten geben wir. Welche Antworten sind wir?“ (:84)
„Dennoch kann es nicht bedeuten, die Machthaber in Politik, Wirtschaft und Kultur sich selbst zu überlassen. Nur in Kontakt können wir für Gottes gütigen Einfluss werben und ihn durch unser Sein in die Schaltzentralen bringen.“ (:87)

Außerdem weist er noch auf zwei interessante Internetseiten hin: www.v-n-b.de (Vineyard-Gemeinde Berlin) und zwoelf-schritte.de.

Insgesamt ein sehr lesenswertes Buch, dass aber vor allen Dingen Fragen aufwirft und nicht Antworten gibt. Aber diese Fragen regen zum Nachdenken und zum Suchen von Antworten an. Die brauchen wir dringend.

11.02._Müller_ColumbansRevolution