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Jugendarbeit Kirche/Gemeinde Leitung Rezensionen

Rezension: Abenteuer Jugendarbeit

Abenteuer Jugendarbeit, Doug FieldsFields, Doug, Abenteuer Jugendarbeit – Basics für (junge) Leiter, pulsmedien 2006
4,5 von 5 Punkten

Ich bewertete mal dieses Buch so hoch, weil es so wenig gute Bücher über Jugendarbeit in deutscher Sprache gibt. Doug Fields Bücher wurden zum Glück ins Deutsche übersetzt. Sein erstes Buch ist Bestseller und Standardwerk für jeden Mitarbeiter: Jugendarbeit mit Vision.

Hier ist nun sein zweites Buch aus dem Jahre 2006, was ich aber jetzt (2009) erst gelesen habe: Abenteuer Jugendarbeit
Dieses Buch ist sehr amerikanisch geprägt und geht stark von der amerikanischen Situation in der christlichen Jugendarbeit aus. D.h., dass in vielen Gemeinden hauptberufliche Jugendmitarbeiter angestellt werden (und wohl auch sehr schnell wechseln oder wechseln müssen). In Deutschland geht der Trend zwar auch dahin, aber in unserer Szene gibt es deutlich mehr ehrenamtliche Jugendleiterteams.
Dennoch ist dieses Buch sehr empfehlenswert für jeden christlichen Jugendmitarbeiter (jede christliche Jugendmitarbeiterin). Für Leute, die berufliche Jugendarbeit machen, sowieso. Ich würde es auf jeden Fall lesen, bevor ich beruflich als Jugendreferent irgendwo beginne (sehr hilfreich da Kapitel 12).

Doug Fields schreibt persönlich von seinen Erfahrungen. Manchmal wirkt das Persönliche etwas aufgesetzt, aber letztlich nehme ich es ihm ab. Man spürt ihm das Anliegen für Jugendarbeit ab und ich bin dankbar, dass er seine Erfahrungen aufgeschrieben hat und allen zugänglich macht.

Für besonders wichtig halte ich folgende Kapitel:
4: Was wollen Jugendliche? – dass man Zeit mit ihnen verbringt
5: Freunde oder Feinde – Wie man familienfreundlich arbeitet und die Eltern der Jugendlichen mit im Blick hat. Ein sehr gutes und wichtiges Thema, was mir bis jetzt viel zu wenig beachtet wurde.
9: Jugendliche & Verantwortung – wie du in neue Leiter investiert und warum das wichtig ist

Persönlich wichtig für jeden Mitarbeiter ist Kapitel 3: Wie bleibe ich geistlich fit? – Hier geht es um meine Beziehungspflege zu Jesus.

Alles in allem ein sehr wichtiges Buch zu einem guten Preis (12,95). Interaktiv kann es beim Lesen auch werden.

09.05._Fields_Abenteuer Jugendarbeit

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Glaube/Nachfolge Kirche/Gemeinde Rezensionen

Rezension: Hoffnungsträger

HoffnungsträgerRiewesell, Thorsten / Emptmeyer, Ines (Hrsg.), Hoffnungsträger – Wahre Geschichten von Menschen, die Hoffnung bringen, Gerth-Medien: Asslar 2011
4 von 5 Punkten

In diesem kompakten und super zu lesendem Buch (125 Seiten) werden Geschichten erzählt. Erlebte und wahre Geschichten von Menschen, die Hoffnung bekommen und Hoffnung gegeben haben.
Dabei wird die Hoffnung in der Person von Gott selbst begründet. Wie er handelt, handeln Menschen in ganz Deutschland in unterschiedlichen Städten und Dörfern. Zum Beispiel Martin aus Chemnitz, aus dem Club Heilse, der Jugendlichen vorbehaltlos hilft oder von Shirin, die Kontakt zur Plinke in Hannover bekommt und damit eine neue Chance. Von Menschen die aus dem Knast in eine Wohngemeinschaft kommen oder Planung von Jugendgottesdiensten, die dann total von Bernd, bzw. Gott durchkreuzt werden.

Sie sind erlebt worden und das macht sie so spannend. Und sie fordern heraus nachzudenken, was man selbst tun kann, oder was die eigene Gemeinde tun kann. Denn das wird auch deutlich: tagtäglich gibt es eine Menge Tragödien, die wir oft gar nicht sehen. Deshalb braucht es Hoffnungsträger, die bereit sind, Hoffnung dahin zu bringen, wo sie nötig ist.

Dieses Buch zeigt einen Ausschnitt aus dem erlebten Leben in Deutschland. Junge Menschen berichten von ihren Erlebnissen mit der Liebe Gottes. Deshalb muss dieses Buch gelesen und verbreitet werden. Auch, weil die Geschichten zum Handeln auffordern. Zum Hinsehen und zum Hingehen. Zum Nächsten in meiner Stadt.

12.02._Riewesell_Hoffnungsträger

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Kirche/Gemeinde Rezensionen

Rezension: Emerging Church

Emerging Church, KimballErkenntnisse aus dem Buch von
Kimball, Dan – Emerging Church, die postmoderne Kirche, Asslar 2005, 261 Seiten

4 von 5 Punkten

Warum ich dieses Buch erst jetzt (2010) gelesen habe?
Ich hatte es kurz nach Erscheinen gekauft als jeder darüber sprach. Ich hatte dann den Eindruck, ich weiß jetzt, was drinnen steht, weil ich so viele Gespräche darüber mitbekommen habe. Aber ich lese aus Prinzip Bücher, die in meinem Regal für zu lesende Bücher stehen. Und jetzt las es sich fast schon wie ein Roman, der eine Zeitenwende und ihre Reaktion der Kirche darauf beschreibt.
Allerdings bin ich davon überzeugt, dass 98 % der traditionellen Gemeinden noch nicht mit der Reaktion auf Erkenntnisse begonnen haben, die Kimball darstellt. Daher ist das Buch brandaktuell.

Emerging Church (aufbrechende/entstehende Kirche) ist keine eigene Kirche oder Konfession. Der Gedanke der Emerging Church, also dass Kirche aufbricht oder neu entsteht, zieht sich durch alle Kirchen – alte und neue. Es gibt keiner Mustergemeinde für Emerging Church, sondern Hunderte und Tausende von Gemeinden, in denen die Emerging Church lebt (:14).
Diese Bewegung ist eine Entwicklung aus dem postmodernen kulturellen Kontext heraus, ohne eine Musterlösung zu sein. Also eine Reformation der aktuellen Kirchenmodelle, damit sie in der neuen Zeit (der Postmoderne/Nachmoderne) überleben kann. Dabei geht es nicht darum, irgendwelche Gemeindemodelle zu kopieren.  Mark Oestreicher: Die Methoden aus der einen Kirche zu nehmen und sie auf eine andere zu übertragen, ohne über den Kontext nachzudenken, ist einer der größten Fehler, der heute in der Kirche gemacht wird. (:30)
Einiges aus dem Buch scheint man in Amerika gerade erst entdeckt zu haben und ist uns in Europa schon lange bekannt. In den USA ist die ganze Gesellschaft christlicher und hat nun auch natürlich stärker die Chance als christliche Gesellschaft auf die Postmoderne zu reagieren (siehe S. 21f). Oestreicher: Westeuropa, Australien und Kanada sind schon seit einigen Jahren postchristlich. Die USA sind es gerade erst geworden. Und Lateinamerika hinkt in diesem Wandel ein Jahrzehnt hinter uns her. (: 67)

Im ersten Teil zeigt Kimball postmoderne Zeitphänomene auf. Dabei ist zu beachten, dass nicht auf einmal alle postmodern denken, sondern sich das Denken nach und nach und immer mehr durchsetzten wird. Sehr hilfreich sind dazu die Schaubilder auf Seite 56f, die den Unterschied zwischen Moderne und Postmoderne und die Zeit des Übergangs, in der wir leben, gut erklären. Einige Kennzeichen:

  • Retro-Spiritualität: Wenn er sich schon die Zeit nähme, in eine Kirche zu gehen, sagte er mir, dann wolle er auch eine echte geistliche Veranstaltung erleben (:25).
  • Mission: Wenn man einmal genauer darüber nachdenkt, ist es eigentlich verrückt: Es soll einfacher sein, in einem heidnischen Land von Gott zu erzählen, als in einem Land, das schon von ihm gehört hat! (:67) … So wie Missionare respektvoll in eine fremde Kultur eintreten, müssen wir uns der postchristlichen Kultur in einem sensiblen Bewusstsein für das herrschende Weltbild nähern und gleichzeitig mutig die frohe Botschaft von Jesus und Gottes Wahrheit verkündigen. (:74)
  • Vielfalt/Wahrnehmung der Gesellschaft von Kirche: Die Kapitel „Schwule buddhistisch-muslimische Christen – ein neuer spiritueller Mix“ und „Ich mag Jesus, aber ich mag die Christen nicht“ halte ich für besonders lesenswert, weil sie wie ein Spiegel sind. – So nimmt uns die Gesellschaft wahr. (65-87)
  • Kirche: Wir können nicht in die Kirche gehen, weil wir die Kirche sind! (:88) … Zur Urgemeinde schreibt er: Man versammelte sich nicht in der Kirche, sondern die Kirche versammelte sich (Apg 14,27). (:89) … Wir stehen „… vor der grundlegenden und entscheidenden Herausforderung, den Menschen beizubringen, dass sie die Kirche sind und nicht nur zur Kirche gehen oder ihr angehören. (:91) Im Mittelpunkt steht nicht mehr der Dienst an der Welt: die Kirche selbst ist in den Mittelpunkt gerückt. Unser Motto hat sich reduziert von: „Wir sind als Kirche dazu da, einer verloren und zerbrochenen Welt zu dienen“, zu: „Was hat die Kirche mir zu bieten?“ (:92 – hier ist auch eine gute Gegenüberstellung zwischen der Konsumentenkirche und der Missionalen Kirche). Sehr gut die Zusammenfassung des Kapitels „Was ist Kirche?“ auf S. 93. Wir sind als Leiter aufgefordert: Sie muss den Menschen deutlich machen, wie die Kirche in die übergreifende Geschichte der Bibel passt. Die Menschen müssen erkennen, in welchem Bezug sie als Individuen und als Teil der Kirche zur Geschichte Gottes stehen. Die Kirche ist ein Instrument Gottes, durch das der Heilige Geist wirkt und seine Liebe zu den Menschen bringt und durch die wie durch Jesus die Welt erlöst und unter Gottes Herrschaft gestellt wird. (:93). Das ist Heilsgeschichte pur, wenn man in der Spannung des „schon jetzt und noch nicht“ bleibt. Ich denke, es wird nicht nur einen einzelnen, allgemein gültigen Ansatz geben, sondern Dutzende, ja sogar Hunderte von verschiedenen Glaubensgemeinschaften, von denen jede den für ihren Kontext einzigartigen Weg gefunden hat. (:97)

Im 2. Teil wird er dann praktisch und gibt Tipps, wie man als Kirche/Gemeinde in der postmoderner werdenden Kultur auftreten kann:

  • Gottesdienste: Hier verfolgt er vier Ansätze:
    1. Ansatz: Schaffen Sie in ihrer Gemeinde altersstufenspezifische Gottesdienste.
    2. Schaffen Sie einen Gottesdienst mit neuen Werten und einem neuen Ansatz, aber bleiben sie eine Gemeinde.
    3. Gestalten Sie ihre bestehenden Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene neu.
    4. Gründen Sie eine neue Gemeinde, um junge Menschen zu erreichen.
    Egal wie sie vorgehen – das Ziel besteht darin, die postmoderne Kultur zu erreichen
    Die Frage, ob ein Gottesdienst für Gläubige oder Nichtgläubige gedacht ist, wurde im Zusammenhang mit den Gottesdiensten für Kirchendistanzierte debattiert. Für die Emerging Church ist das kein großes Thema mehr, denn das, was von den sucherorientierten Gemeinden abgeschafft oder versteckt wurde, ist genau das, was die Nichtgläubigen von heute sehen und erleben wollen (:109).

    Anbetung und Evangelisation sind im Alten und im Neuen Testament in auffälliger Weise miteinander verknüpft. (:110)
    Wir sollten zu einer freien und ungezwungenen Art, Gott anzubeten und zu verkünden, zurückkehren, sodass es in unseren Versammlungen keinen Zweifel darüber gibt, dass der heilige Gott gegenwärtig ist. (:110)
    Ich will damit betonen, dass wir uns als Kirche nicht in erster Linie versammeln, um Menschen zu dienen, sondern um Gott anzubeten. Wortspielerei? (:111)
  • Dann führt er aus, wie ein postmoderner Gottesdienst aussehen könnte und liefert einiges an guten Ideen (:112f): Ganzheitlicher Ansatz – starke Gemeinschaft – nicht konsumorientiert – alle Sinne ansprechend (:121f) – sakrale Räume (:127f): In der postmodernen Kultur steht Dunkelheit für Spiritualität (:130) … aber versuchen Sie, so gut es geht, ein Gefühl von „Bühne und Zuschauer“ zu vermeiden (:135) – Spiritualität und Kunst: Er plädiert dafür alte und junge Menschen im Gottesdienst vorkommen zu lassen, Frauen und Männer, Kinder und Familien – für alle Sinne: Anbetung, Kollekte als Anbetung, viele weitere Ideen (:158)
    Das Problem ist, dass wir in einer Gesellschaft leben, die Zuschauer hervorbringt … Der Gottesdienstzuschauer ist und bleibt ein Widerspruch in sich.
    (:151)
  • Anschließend gibt er Tipps zum Predigen (168f). Beruhigend hier: Der Heilige Geist ist die wahre Quelle einer guten Predigt, die die Menschen bewegt. Weil die Herausforderung zu predigen heute größer ist als in der Vergangenheit, dürfen wir das auf keinen Fall vergessen (:195).
  • Tipps zum Evangelisieren: 197f – gute Gegenüberstellung von moderner und postmoderner Evangelisation: 201 – Ziel ist es Leute zum Reich Gottes einzuladen, in eine Gemeinschaft – belong/believe/behave als jahrelanger Prozess (206) – Betonung von Gemeinschaft, statt Event (206)
    Eine Gemeinde braucht keinen Arbeitsbereich für Mission und Evangelisation, wenn ihre Mitglieder sich alle als Menschen mit einer Mission betrachten, sowohl lokal als auch global. (207)
    ja und nein, finde ich, denn man braucht ja auch gute Projekte, um Menschen zu erreichen, die keine christlichen Freunde haben.
    Wir müssen bei allem, was wir tun, evangelistisch denken. (:209)
    Eine wirklich evangelistische Gemeinde ist eine Gemeinschaft, die tiefer in der Bibel verwurzelt ist, mehr betet, die die Menschen in ihrer Umgebung mehr liebt. (209)
  • Im Kapitel „Geistliches Wachstum“ plädiert er anhand Hebr 5,12-14 für Selbstverantwortung: In Vers 14 heißt es, dass die Erwachsenen selbst – und kein anderer Mensch oder eine andere Institution – für ihr geistliches Wachstum verantwortlich sind …
    Wir müssen den Menschen beibringen … wie sie unter der Woche aus der Bibel leben und „Nahrung gewinnen“ können … (222f)
  • Sehr interessant auch das Kapitel „Leiten in der Emerging Church“ (226f): Wenn ich ein buddhistisches Oberhaupt treffe, habe ich einen heiligen Mann vor mir. Wenn ich einen christlichen Leiter treffe, sehe ich einen Manager. (230)

10.01._Kimball_Emerging Church – die postmoderne Kirche

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Jugendarbeit Kirche/Gemeinde Leitung Rezensionen

Rezension: Neun Eigenschaften eines Jugendmitarbeiters

Neun Eigenschaften eines JugendmitarbeitersYaconelli, Mike, Focus on You(th) – die neun Eigenschaften eines Jugendmitarbeiters, Hänssler 2005

4 von 5 Punkten // 170 Seiten / ca. 2€

Der Titel und das Cover sind etwas merkwürdig. Die Ausführungen stark von der evangelikalen Szene in den USA geprägt. Der Stil von Mike Yaconeli ist manchmal sehr pointiert und spitz. Das gefällt nicht jedem und man muss es in die deutsche Situation übertragen. Aber der Inhalt hat es in sich.

Mike Yaconelli (1942-2003) erörtert neun Eigenschaften eines Jugendmitarbeiters. Denn der ist ja das Wichtigste in einer Jugendarbeit.
Mir gefällt, dass er als Fundament der Jugendarbeit die Bibel bezeichnet, direkt vorne weg. „…und Gott sei denen gnädig, die diese Erwartung „ersticken“, indem sie sie Bibel langweilig machen.“ (S.15)
Aussagen wie: „Es ist noch nie leicht gewesen, Jesus nachzufolgen, und das müssen wir unseren Kids sagen. Wenn wir sie und die Wahrheit zu sehr in Watte packen, reden wir ihnen ein, dass ein Leben mit Jesus einfach ist.“ (S.30), fordern heraus.
Das Kapitel 4: Draufgänger gesucht, ist besonders herausfordernd: „Mutige Jugendarbeit … ist wie eine Explosion. Manchmal machen wir Fehler, und oft missverstehen die Leute uns. Aber diese Explosion ist die Chance und der Ort für echt kreative Arbeit.“ (S.59)
Die Ausführungen über Demut (88-89) treffen und korrigieren mich. Der Satz: „Etwas ist besser als nichts.“, beruhigt mich (95).
Am Ende wird das Buch schwächer. Aber die Ausführungen über den geheimnisvollen Gott in Kapitel 9 und über den Plan Gottes mit uns, sind wieder klasse (S.150).

Alles in allem ein Buch, dass man als hauptberuflicher und ehrenamtlicher Jugendleiter lesen muss. Es ist eines der wenigen Bücher über christliche Jugendarbeit in Deutsch. Und scheinbar ist es ein Auslaufmodell, denn es ist zurzeit für einen super Preis zu haben.

09.01._Yaconelli_Focus on You_th_

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Kirche/Gemeinde Leitung Rezensionen

Rezension: Vier Führungsprinzipien der Bibel

Kessler, Volker, Vier Führungsprinzipien der Bibel – Dienst, Macht, Verantwortung, Vergebung, Gießen/Basel: Brunnen Verlag 2012
4 von 5 Punkten / 89 Seiten / € 9,99

Ein kleines, kompaktes und sehr feines Buch über Leitung. Volker Kessler, Leiter der Akademie christlicher Führungskräfte, schreibt ein Kompendium über Führung und erläutert die vier biblischen Führungsprinzipien: Dienst, Macht, Verantwortung und Vergebung. Dabei geht es Kessler mehr um den Charakter der Führungsperson, als um praktische Handlungsanweisungen.

Das Buch ist in sechs Kapitel unterteilt.
Das 1. Kapitel: Führen als Christ: Das Doppelgebot der Liebe, dient als Einleitung und legt die Grundlage. Das Doppelgebot aus dem Markusevangelium, Kapitel 12, Verse 29-31, gilt für alle Menschen und für Führungskräfte „… ganz besonders, weil Führungskräfte immer auch Vorbildfunktion haben.“ (:7) Ein Führer ist für Kessler jemand, dem anderen folgen, egal ob er viel oder wenig formale Macht hat oder ob er Lehrer, Redner oder Autor mit >geistiger Macht< ist. Unter einer christlichen Führungskraft versteht Kessler jemanden, der Christus bewusst nachfolgt, egal wo er führt. Aber: „Nur der sollte Menschen führen, der sie auch liebt.“ (:8) Dabei gilt die Regel, die Benedikt von Nursia für den Abt aufstellte: „Er hasse die Fehler, er liebe den Täter.“ (:8) Diese Liebe kommt aus der Tatsache, dass Christus uns zuerst geliebt hat. Von dieser Liebe her gilt es nun dienend, mit weisem Machteinsatz, verantwortlich und aus der Vergebung heraus Menschen zu führen.

Das 2. Kapitel: Führen als Dienst, beginnt Kessler mit dem Satz: „Dienende Führung ist das Leitbild christlicher Führung überhaupt.“ (:13) Er verweist auf die Aussage Jesu in Markus 10,42-25. Damit wird die Hierarchie-Pyramide auf den Kopf gestellt. Es müssen aber lt. Kessler erst drei Missverständnisse geklärt werden: „die anderen dienen, ich führe“ / „ich diene und lasse die anderen führen“ / „ich diene und mache alles für andere“. Dienende Führung ist ein Paradoxon. Ein Führer will dienen und möchte, dass die zu führenden Menschen in ihrer Persönlichkeit wachsen. Deshalb möchte eine Führungskraft „… einem Ziel, einer Aufgabe, einer Organisation dienen. Dieser Dienst führt sie zu der Erkenntnis, dass es für die gemeinsame Aufgabe gut ist, wenn sie Verantwortung in der Leitung übernimmt.“ (:20) Kessler verweist hier auf die biblische Gabe der kybernesis (Steuerung – 1Kor 12,28). Sie hilft anderen Gabenträgern ihre Gaben einzusetzen. „Ein Leiter, der in erster Linie Diener ist, ist das Gegenteil von jemandem, der in erster Linie leiten will.“ (:20) Deshalb nehmen dienende Führungskräfte ihr Ego zurück, um andere in den Mittelpunkt zu stellen. „Für dienende Leiter steht der Dienst, der Auftrag im Vordergrund, nicht ihre Position.“ (:22). Dazu gehören die Annahme der Menschen und das Führen in die Selbstverantwortung. Folglich folgen die Menschen freiwillig, weil der Führer eine personale Autorität hat. Wichtig ist die Fähigkeit sich selbst zu führen, Kritik einordnen zu können und gut zuzuhören. Er schließt u.a. mit den Sätzen: „Eine gute christliche Führungskraft dient erstens Gott, zweitens ihrer Organisation und drittens den Menschen innerhalb dieser Organisation. Im Normalfall passen diese drei Dienste zusammen. Im Konfliktfall ist allerdings eine Führungskraft zuerst Gott gegenüber verpflichtet, dann dem Auftrag, zu dem sie berufen wurden, und dann den Mitarbeitern, die ihr helfen sollen, diesen Auftrag zu erfüllen.“ (:27)

In Kapitel 3: Führen mit Macht, stellt Kessler zunächst klar: „Führen ohne Macht geht gar nicht.“ (:29). Er zeigt verschiedene Definition von Macht aus (u.a.“Macht ist Durchsetzungsmöglichkeit“). Aus theologischer Sicht wird Macht von Gott an die Menschen verliehen und beinhaltet daher Verantwortung gegenüber dem Geber der Macht. Vollmacht und Macht gehören für ihn zusammen. Macht kann missbraucht werden und es kann auf Macht verzichtet werden, was ebenfalls unmoralisch sein kann (Machtvakuum). „Ohne Macht kann ich meinem Nächsten gar nicht helfen.“ (:36) „Macht darf niemals Ziel an sich sein, sondern immer nur Mittel.“ (:36) „Ein Machteinsatz ist dann legitim, wenn er entweder Gutes bewirkt oder Böses verhindert.“ (:37) Informelle Macht ist riskant, weil sie nicht verantwortet werden muss. Weiter macht Kessler deutlich, dass Macht ein sozialer Prozess ist. Führung und Unterordnung wird zugelassen. Er zeigt ausführlich die verschiedenen Machtbasen auf (Macht durch Legitimation, Sanktionsmacht, durch Information, durch Identifikation) und sieht einen Trend weg von der hierarchisch organisierten Macht, hin zur personalen Macht (Wissen, Vertrauen, Charisma). Er geht weiter auf die interkulturelle Sicht von Macht ein, weil der Gebrauch von Macht in erster Linie von der jeweiligen Kultur abhängt. Schließlich stellt er sechs ethische Leitlinien zum Umgang mit Macht auf.

Kessler geht in Kapitel 4: Verantwortlich führen, auf die Verantwortung eines Leiters ein. Da ist zunächst die Verantwortung vor jemanden. „Eben weil sich der Mächtige verantworten muss, wird sein Machtgebrauch zum Dienst.“ (:53) Im biblischen Sinne geht es um eine doppelte Verantwortung: „Man ist vor jemandem verantwortlich, um man ist für etwas verantwortlich.“ (:54) Kessler verweist an dieser Stelle auf die Präambel des deutschen Grundgesetzes „vor Gott und den Menschen“. Für diese Verantwortung braucht es aber ein Bewusstsein. „Wer das Wesen der Verantwortlichkeit verstanden hat, der hat das Wesen des Menschen verstanden.“ (:58) Damit ist der Mensch auch immer für die Konsequenzen seiner Entscheidungen verantwortlich. Kessler geht weiter auf das Problem der Reichweite der Verantwortlichkeit ein. „Die Herausforderung der modernen Welt liegt darin, die Grenzen der eigenen Verantwortung zu definieren.“ (:61) Hier ist es für ihn entscheidend zuerst „seinen Nächsten“ im Blick zu haben.

Schließlich lebt ein Leiter aus der Vergebung heraus, was im Kapitel 5: Führen aus und mit Vergebung, deutlich wird. „Das Leben als Christ ist geprägt von Vergebung. Das ist tröstlich für Führungskräfte: >Vergebung ist der Kern der Beziehung einer Führungskraft zu Gott< (Wright 2003:276). Nicht die Moral macht aus einer Führungskraft eine christliche Führungskraft, sondern die Christusbeziehung.“ (:65) Das Wissen um Vergebung ist gerade in Bezug auf (schwierige) zu treffende Entscheidungen wichtig. „Verantwortung übernehmen und Vergebung erfahren, sind oft zwei Seiten der gleichen Medaille.“ (:66) Kessler plädiert für eine Fehlerkultur. In Bezug auf Vergebung kann es aber auch sein, dass man dem „Menschen“ vergibt und sich trotzdem vom „Mitarbeiter“ einer Organisation trennen muss, zum Schutz der Gemeinschaft. Als Fazit schreibt er: „Verantwortung und Vergebung sind miteinander verbunden: Verantwortung wird meist nur da übernommen, wo Vergebung möglich ist.“ (:75)

Abschließend in Kapitel 6, macht Kessler noch einmal Mut zum Führen. „Eine Organisation, eine Gesellschaft krankt, wenn nur die Falschen bereit sind zu führen.“ (:77). Wer aber das Wissen um Dienst, Macht, Verantwortung und Vergebung hat, der soll die Führung übernehmen. „Nimm den Führungsstab, dem man Dir reicht, in die Hand.“ (:77)

Kesslers Ausführungen sind sehr dicht und sehr wichtig. Gerade die kompakte Zusammenschau aller vier Bereiche macht dieses Buch über Führung so wertvoll. Für mich wird hier deutlich, dass Gefahr von Führungskräften immer dann ausgeht, wenn sie einseitig werden. Ebenso entsteht die Gefahr für die Geführten, wenn sie ihre Führungskräfte einseitig begrenzen. Mich persönlich haben die Kapitel über Dienst, über Macht und über Vergebung am meisten angesprochen.

Ich wünsche mir, dass viele führungsbegabte Christen dieses Buch lesen und sich verantwortlich in unsere Gesellschaft einbringen. Denn mit einer dienenden Führungseinstellung wird verantwortlich mit Macht umgegangen und dann ist auch Vergebung möglich. Das brauchen wir.

12.09._Kessler_Vier_Führungsprinzipien