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Rezension: Predigen. Damit Gottes Wort Menschen erreicht (Tim Keller)

Keller, Timothy 2017. Predigen. Damit Gottes Wort Menschen erreicht. Gießen: Brunnen-Verlag.

Der bekannte amerikanische Theologe und presbyterianische Pastor Timothy Keller hat 2015 ein Buch über das Predigen geschrieben, das seit 2017 in Deutsch erhältlich ist.

Es gliedert sich auf 272 Seiten in drei Hauptteile:

  • Teil 1: Dem Wort Gottes dienen
  • Teil 2: Die Menschen erreichen
  • Teil 3: Das Wirken und die Kraft des Heiligen Geistes

Im Anhang erklärt er, wie man eine Auslegungspredigt schreibt.

Im Vorwort filtert Keller aus der Bibel drei verschiedene Ebenen der Verkündigung heraus. Ebene 1 ist das persönliche Gespräch, Ebene 2 sind Vorträge und Bibelarbeiten und Ebene 3 ist die Predigt. Eine Schlüsselrolle bei der Verkündigung des Evangeliums weist er der Predigt zu (:11).

Es folgt der ausführliche Prolog (:13f). Keller arbeitet heraus, dass eine gute Predigt vom Prediger abhinge (:14), aber eine vollmächtige Predigt vom Wirken des Heiligen Geistes abhängt (:15). Einen „perfekten Prediger“ zeige echte geistliche Beredsamkeit aus. Die habe „… aus der leidenschaftlichen Liebe des Predigers zu entspringen sowie aus der Liebe zu den Menschen vor ihm, deren ewige Seligkeit davon abhängt, ob sie diese Wahrheit annehmen oder nicht. Letztlich ist der Prediger immer zwei Hauptinstanzen verantwortlich: dem Wort Gottes und dem menschlichen Hörer.“ (:17). Es gehe darum, „Christus zu predigen“. Für Keller ist 1Kor 1,18-2,5 die möglicherweise wichtigste Bibelstelle über die Predigt, weil sie Christus, den Gekreuzigten, als den Schlüssel zum Verständnis von Bibeltexten benennt. Weiter gehe es darum das „Herz der Kultur“ zu erreichen, damit der Hörer verstehen und sein Denken konfrontiert werden kann (:21f). Wichtig sei es, das Wort und den Hörer zu lieben (:23f).

Teil 1: Dem Wort Gottes dienen

Kapitel 1: Das Wort Gottes predigen: Keller unterscheidet fünf Grundtypen von Predigten. „Es sind die auslegende, die evangelistische, die katechetische, die prophetische und die Festpredigt“ (:31). Weiter ließen sich Text- (Auslegung) und Themenpredigt unterscheiden, die sich aber auch überlappen können (:31). Er plädiert für die Textpredigt als „Normalfall“ (:33f), weil sie vor „Steckenpferden“ und „Lieblingsthemen“ bewahren kann. Der Generalschlüssel laute: „Kontext, Kontext, Kontext“. Der roten Faden sei immer das Evangelium von Jesus Christus (:39). Keller zeigt Stolperfallen auf und plädiert für einfaches Predigen. In Kapitel 2 „Das Evangelium predigen – immer“ (:47) liegt m. E. der Hauptertrag des Buches, der manchmal aber auch etwas überspitzt erscheint. „Wir müssen bei jedem Text Christus predigen, d. h. wir müssen jedes Mal das Evangelium predigen und dürfen nicht nur allgemein „erbaulich“ oder moralisierend sein – eine Aufgabe, die viel schwieriger ist, als Sie vielleicht denken.“ (:48). Tun wir das nicht, bestünde die Gefahr von Gesetzlichkeit oder Antinomismus, die beide die Sicht auf die Gnade verstellen würden (:54f). Jeder Text sei eine Art Straße zu Christus und wenn er nur eine Nebenstraße sei, gelte es den Abzweig zur Hauptstraße zu finden (:65f). In Kapitel 3 zeigt Keller dann sechs Arten auf, Christus aus der ganzen Bibel zu predigen (anhand jeder Literaturgattung, jedes Themas, jeder Person, jedes Schlüsselsymbol, jedes Erlösungsereignisses und anhand des instinktiven sechsten Sinnes).

Teil 2: Die Menschen erreichen

In Kapitel 4 geht es darum, Christus der Kultur zu predigen. Der christliche Glauben erschiene vielen als wahnsinnig (:87f). Keller zitiert Forsyth (:89): „Der christliche Prediger ist nicht der Nachfolger des griechischen Redners, sondern des hebräischen Propheten“. Der Redner stachele Menschen zum Handeln an, während der Prediger zur Erlösung einlade. Es gelte kontextuell zu kommunizieren (:93f). „Kontextualisierung heißt, auf die Kultur, zu der ich predige, einzugehen und sie gleichzeitig infrage zu stellen. Es heißt, die Götzen einer Gesellschaft bloßstellen, während man gleichzeitig den Menschen in ihr und ihren Hoffnungen und Sehnsüchten mit Achtung begegnet. Es bedeutet, das Evangelium auf eine Art zu predigen, die die Menschen verstehen können und die gleichzeitig überzeugend ist.“ (:93). Es gelte den christlichen Glauben in ein säkularisiertes Zeitalter zu kommunizieren (:96); durch richtiges Vokabular, Anknüpfung an die Kultur, Ernstnehmen der Zweifel und Einwände, aufnehmen des Positiven und Konfrontation mit dem Negativen. Das Evangelium solle an den „Druckstellen der Kultur“ zum Tragen kommen und sei nicht nur für die Bekehrung da, sondern für das ganze Leben (:96). Diese Punkte führt Keller dann im Einzelnen und in der angemessenen Tiefe aus. In Kapitel 5 setzt er das Predigen in Bezug zum spätmodernen Denken. Für Keller ist die tiefste Wurzel des modernen Denkens „die Ablehnung jeglicher Autoritäten, die außerhalb des eigenen Ichs lieben.“ Nach dem 2. Weltkrieg sei die Annahme dazu gekommen, dass nun die Wirklichkeit den Wünschen der Menschen gefügig gemacht werden müsse (:114f). Der Säkularismus sei ein eigenes Glaubenssystem (:118). Keller führt dann die aktuellen Annahmen des Säkularismus in den Bereichen der Rationalität, Geschichte, Gesellschaft, Moral und Gerechtigkeit und Identität auf. Überall, wo die aktuellen Grundannahmen in diesen Bereichen den Menschen „im Regen stehen lassen, müssen wir den Menschen zeigen, was das Evangelium uns gibt“ (:125). Es gelte das „souveräne Ich“ in Frage zu stellen (:125f) und deutlich zu machen, dass unsere Identität durch die Anerkennung von außen komme (:130f). Auch der Mythos der absoluten Freiheit müsse hinterfragt werden (:131f). Hierzu und zu weiteren Grundannahmen bringt Keller brillante (apologetische) Gedanken, wie z. B. den Satz: „Freiheit ist eben nicht die Abwesenheit von Einschränkungen, sondern das Finden der richtigen, frei machenden Einschränkungen … Wir müssen bereit sein, taktische Freiheitsopfer zu bringen, um dadurch strategisch und langfristig Freiheit zu gewinnen“ (:135). Oder: „Christen haben nicht nur eine tiefere Motivation für das Engagement für Gerechtigkeit, sondern auch eine stärkere Hoffnung“ (:143), und weiter: „Die christliche Sicht von der Geschichte vermeidet also beides: den utopischen Optimismus der Moderne und den lähmenden Weltuntergangspessimismus“ (:145). Im Kampf gegen diese ideologischen Grundhaltungen solle der christliche Prediger nicht kleinlaut oder ängstlich sein (:146). Christus muss dem Herzen gepredigt werden (Kapitel 6). „Das Ziel der Predigt kann also nicht einfach darin bestehen, die Wahrheit dem Verstand der Zuhörer plausibel zu machen, sondern die Wahrheit muss auch ihre Herzen ergreifen“ (:151). Deshalb gelte es herzlich (:157), anschaulich (:160), ins Staunen führend (:165), einprägsam (:167), christozentrisch (:169) und praktisch (:170) zu predigen.

Teil 3: Das Wirken und die Kraft des Heiligen Geistes

Teil 3 und Kapitel 7 „Die Predigt und der Heilige Geist“ sind deckungsgleich. Der dritte Teil fällt mit 16 Seiten kurz aus. Zentral ist für Keller die Aussage des Paulus aus Kol 1,25-29. Paulus mühe sich ab, das ganze Wort Gottes zu verkündige und vertraute dabei auf die Kraft Gottes. „Die >Gnadenwirkungen< des Heiligen Geistes, die in uns einen Charakter produzieren, der Gott immer ähnlicher wird, sind unerlässlich – nicht nur, weil sie gewisse Begabungsdefizite kompensieren können, sondern auch, weil man als Pastor dauernd in Gefahr steht, in die Falle der Heuchelei zu tappen. Zu den Aufgaben eines Pastors gehört es ja, den Menschen jeden Tag zu sagen, wie groß und toll Gott ist. In welchem Beruf muss man das schon? Aber für einen Pastor geht es täglich darum, anderen Menschen auf hundert Arten Gott groß zu machen“ (:186). Keller zeigt auf, dass es neben dem biblischen Text und dem Kontext des Hörers, auch einen Subtext des Predigers geht. Es sei die Botschaft hinter der Botschaft, die in uns mitschwingt und die nicht zum Hauptziel der Predigt werden darf, wie z.B. die gegenseitige Bestärkung (Zugehörigkeitsgefühl), die Selbstvermarktung des Predigers, das „Training für den Alltag“ (Schwarzbrot) und der Subtext der Anbetung (der richtig angewendet werden solle). Ziel sei es, eine Stimme Gottes zu werden und ein Diener Christi (:195f)

Es folgt noch ein ausführlicher Anhang, in dem Keller erklärt, wie man eine Auslegungspredigt schreibt (:199-216). Es sei dabei für die Themenformulierung wichtig, auch das pastorale Ziel einer Predigt im Blick zu haben (:203f). Es folgt weiter eine Auslegungspredigt-Fallstudie, sowie eine Fallstudie zu einer Themenpredigt, der sich praktische Tipps zu diversen Predigtthemen anschließen. (:219f).

Das Buch schließt mit Anmerkungen (Fußnoten), die sich über fast 50 Seiten erstrecken.

Fazit: Das Buch enthält wichtige Aussagen und Hinweise, die für jede Tätigkeit der Verkündigung relevant sind. Es bleibt dabei aber m. E. vorwiegend auf der Meta-Ebene und ist nicht so sehr dazu geeignet, das Handwerk der Predigt zu lernen. Durch die Kürze des letzten Kapitels und des sehr langen Anhanges hat das Buch eine Unwucht. Die Stärke liegt in Kellers Ansatz in der Betonung, dass jede Predigt einen Fokus auf Jesus Christus haben sollte. Ich würde es jedem und jede zum Lesen empfehlen, der/die in der Verkündigung des Wortes Gottes tätig ist.

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