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Glaube/Nachfolge Rezensionen

Rezension: Einreden

Neues Bild (12)Grün, Anselm, Einreden – Der Umgang mit Gedanken, Münsterschwarzach: Vier Türme Verlag 212001
4 von 5 Punkten

Einreden ist das erste Buch von Anselm Grün, was ich gelesen habe. Anselm Grün ist Benediktinerpater. Das Buch ist einer Reihe des Klosters Münsterschwarzach erschienen. Die Bücher sind kompakt, kurz (93 Seiten), günstig (6,60 €) und schnell zu lesen.

In Einreden macht Grün deutlich, wie Gedanken unser Leben und damit unser Verhalten bestimmen – in negativer und positiver Weise. Dabei geht es teilweise um Praktiken, die viele vielleicht auch als „Stille Zeit“ bezeichnen würden. Nur wesentlich leichter umzusetzen;-).
„Wer sich positiv verändern will, muss an die Wurzel seiner Stimmungen ran – an die >Einreden<.“, lautet es auf dem Cover. „Daher ist es eine wichtige Aufgabe, sich mit den Sätzen zu beschäftigen, die sich in uns von selbst formulieren und die doch eine so immense Wirkung auf unsere Einstellung, auf unsere Stimmung, auf unser Denken, Fühlen und Handeln haben.“ (:12).

Grün greift auf die Geschichte des alten Mönchtums zurück. Dort spielte der Umgang mit Gedanken eine wichtige Rolle. „Wenn wir daher nach Gottes Willen handeln wollen, müssen wir bei unseren Gedanken ansetzen und sie Gottes Geist entsprechen lassen.“ (:14). Dieser spricht durch die Schrift zu uns (:15). „Daher ist die Auswahl der Gedanken, die auf uns einströmen, eine Hauptaufgabe des geistlichen Lebens.“ (:16). In den folgenden Kapiteln lässt er nun die Erkenntnisse dieser weisen Männer einfließen (er nennt sie oft Vätersprüche).
Wir können uns negativ etwas einreden (ab S.19) und natürlich auch positiv (ab S.33). Interessant ist, dass ein alter Mönch z.B. ein Raster hatte, um auf bestimmte in ihm hochkommende Gedanken zu reagieren (:33). So ein Raster kann man sich auch heute zulegen und einüben. Eine Möglichkeit ist es z.B. Bibelverse zu rezitieren. „Wenn mich ein Wort fasziniert, mich unmittelbar betroffen macht, dann ist das ein Zeichen, dass es mich einige Zeit oder sogar ein Leben lang begleiten sollte, dass es mein Übungswort werden könnte.“ (:37). Das fängt schon morgens an: „Wenn du dich vom Schlaf erhebst, so öffne sofort als allererstes deinen Mund zum Lob Gottes und stimme Lieder und Psalmen an …die erste Beschäftigung, mit der sich der Geist morgens abgibt, hält an, … Daher sei du immer der erste, um Weizen hinzuwerfen, bevor dein Feind Unkraut hineinwerfen kann.“ (:37).
Empfehlenswert ist es auch Bibelwörter mit Tätigkeiten zu verbinden. Hier wird Grün sehr alltagspraktisch: „Wenn wir einen Bibelspruch oder ein Gebet aber mit einer Tätigkeit verbinden, die wir sowieso verrichten, dann kostet es keine Energie, einen solchen Vorsatz durchzuhalten … Ob wir einen solchen Vorsatz zur Gewohnheit werden lassen können, ist nicht Sache der Willensstärke, sondern der Klugheit.“ (:38) „… Vorsätze seien das sicherste Mittel, uns daran zu hindern, etwas in unserem Leben in Bewegung zu bringen … Ich flüchte mich vor der Herausforderung des gegenwärtigen Augenblickes in die Unverbindlichkeit der Zukunft … Die Kunst des geistlichen Lebens besteht darin, die kleinen Dinge des Alltags zu einer Einübung in die Gegenwart Gottes zu machen …. Wir müssen ein Programm aufstellen, wie wir uns in kleinen Schritten in den Geist Jesu einüben können, ein bescheidenes Programm, das auch durchführbar ist. Wenn wir nur einen Gang, den wir täglich gehen, zu einer Einübung in die Gegenwart Gottes machen, dann hat sich damit schon etwas Entscheidendes in unserem Leben geändert.“ (:39f). „Man sagt es sich etwa vor, wenn man auf dem Weg zur Arbeit ist oder von der Arbeit kommt, wenn man das Haus betritt, … diese Zeiten und Augenblicke, die immer wiederkehren, plant man bewusst. Man verbindet sie automatisch mit einem Wort, so dass man die Gewähr hat, das Wort trifft mich wenigstens einige Male am Tage.“ (:47). Dabei ist das Wort für ihn kein Zaubermittel, „… aber es ruft in mir etwas wach, es macht mich selbst wacht und stellt mich in die Gegenwart Gottes.“ (:51)
Anschließend geht er auf die psychologische Seite des Einredens ein (ab S.53). Anhand der Transaktionsanalyse macht er deutlich, wie kindlich erlebte „Einschärfungen“ uns bestimmen.
Ab Seite 63 nennt Grün Methoden zum Umgang mit Gedanken. Dazu einige Zitate:

  • „Wir können die negativen Gedanken in uns nicht einfach vertreiben. Das ist auch nicht nötig. Wir sollen aktiv auf sie reagieren. Wir sollen sie nicht unterdrücken, sondern mit ihnen umgehen, mit ihnen kämpfen.“ (:66)
  • „Anstatt uns den Gedanken zu verbieten, lassen wir ihn zu und können offen mit ihm kämpfen. Nur so können wir ihn überwinden, ohne ständige Angst, dass er wieder in uns auftauchen könnte.“ (:67)
  • „Die Vorstellung, dass der schlechte Gedanken von Dämonen stammt, hilft dem Mönch, sich von ihm zu distanzieren und mit ihm wie mit einem äußeren Feind umzugehen. Zumindest befreit sie ihn von den Selbstvorwürfen, die sich viele machen, sobald sie einen verwerflichen Gedanken in sich entdecken.“ (:75)

Mit dem letzten Kapitel „Glauben – so tun als ob“, schließt Grün seinen Band ab. Dabei befreit er den Glauben auch vom Erfahrungsdruck: „Glaube als So-tun-als-ob befreit uns von diesem Druck. Wir brauchen nicht unbedingt etwas zu spüren.“ (:84). „Gott hat mit uns und unserer Welt mehr Möglichkeiten, als wir uns ausdenken können. Und er hat uns in der Schrift seine Möglichkeiten geschildert. Wenn wir so tun, als ob seine Zusagen stimmen, dann können wir freier leben … Das ist keine Flucht vor der Realität in eine Idylle göttlicher Verheißungen, sondern ein Leben aus dem Glauben, der sich vom Faktischen nicht täuschen lässt, sondern feststeht in dem, was wir erhoffen und daher frei ist von dem Druck, alles selbst in die Hand nehmen und leisten zu müssen.“ (:87). Er betont, dass Gottes Geist in uns wohnt. Es ist die andere Realität in uns. „Wir bilden uns in den positiven Einreden nicht Beliebiges ein, sondern wir bilden uns das Wort Gottes ein, weil wir eine Vorahnung haben, dass es stimmt.“ (:89) „Wenn wir einfach so tun, als ob alles stimmt, was uns der Glaube sagt, dann halten wir uns nicht darüber auf, wie wir eigentlich glauben müssten, sondern wir probieren mit all unseren Zweifeln und mit unserem Unglauben und mit unserer Unlust an Gott den Glauben aus.“ (:90)
„Das ist eine sehr alltägliche Form des Glaubens, aber eine Form, die unseren Alltag zu wandeln und zu heilen vermag.“ (:91)
Der Ansatz ist sehr pragmatisch. Deswegen werde ich ihn einfach mal ausprobieren. Und meine ersten Anfänge in dieser Richtung sind vielversprechend. Weil es so einfach ist.

11.02._Gruen_Einreden

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Kirche/Gemeinde Leitung Mitarbeiterführung Rezensionen

Rezension: Der Beziehungsfaktor

SAMSUNG DIGITAL CAMERAWright, Walter C., Der Beziehungsfaktor – Mitarbeiterorientiert führen. Ziele gemeinsam erreichen, Gießen: Brunnen Verlag 2003
4 von 5 Punkten

„Führung ist ein Lebensstil, der alles durchdringt – was wir tun und was wir sind“ (:11), schreibt Prof. E.H. Peterson im Vorwort des Buches von Walter C. Wright. Wright war lange Universitätspräsident einer Hochschule in Vancouver und schreibt hier auf 238 Seiten ein sehr wichtiges Buch über Führung und Leitung. Es ist in Deutschland im Rahmen der acf-edition erschienen (Akademie christlicher Führungskräfte). Das Buch kostet im Moment bei amazon neu nur € 4,95 (Sept. 2012). Ein unfassbar guter Preis für so ein gutes Buch.

Zunächst legt Wright da, was im für dieses Buch wichtig ist. Das wichtigste beim Führen ist für ihn die Beziehung. „Führung durch Beziehungen heißt: Wir arbeiten als Team gut zusammen und haben Spaß dabei.“ (:14)

In Die Theologie einer dienenden Führung“, dem ersten von sechs Kapiteln legt er die Grundlage dienender Führung. „In dieser Betrachtung vertrete ich die Meinung, dass Führung eine Beziehung ist – eine Beziehung, durch die eine Person versucht, die Gedanken, das Verhalten, den Glauben oder die Werte einer anderen Person zu beeinflußen.“ (:20).
Wright entfaltet anhand des Judasbriefes was gute Führung bedeutet. Eine gute Führungskraft hat ihre Mitte gefunden. Sie kennt ihre Identität und die begründet sich einzig und allein auf die Liebe Gottes (vgl.: 25). Das macht lebensfähig und gibt Sinn, weil ein Leiter dann aus Gottes Perspektive lebt. Sie orientiert sich an der Freundlichkeit Gottes, die in seiner Bundestreue wurzelt. Davon abgeleitet entfaltet er die Prinzipien dienender Führung: 1. Bei Führung geht es um Einfluss und Dienst. „Dienende Führung aber zielt auf die Gemeinschaft ab. Sie benutzt ihre Macht für das Wachstum derjenigen, die geleitet werden und für das Gelingen des gemeinsamen Auftrages der Gemeinde.“ (:35). // 2. Beim Führen geht es um die Visionen und Hoffnung. „Führungskräfte vermitteln eine bestechende Vision für das Morgen.“ (:36) und „Führung ist eine einflussreiche Beziehung, die die Menschen auf eine gemeinsame Vision ausrichtet.“ (:37) // 3. Bei Führung geht es um Charakter und Vertrauen. „Wir hören auf Menschen, denen wir vertrauen. Wir akzeptieren den Einfluss einer Person, deren Charakter wir respektieren.“ (:37) „Die drei Dinge, die Menschen von Führungskräften erwarten, sind Richtung, Vertrauen und Hoffnung.“ (:38) // Bei Führung geht es um Beziehungen und um Macht. „Führung ist eine Beziehung der Macht. Sie ist die Ausübung von Macht. Macht ist das Potenzial für Einfluss.“ (:39) // 5. Bei Führung geht es um Abhängigkeit und Verantwortung. „… den letzten Endes haben die Geführten die Führung in der Hand. Es gibt Führung nur, wenn sich jemand entschließt zu folgen – den Einfluss zu akzeptieren.“ (:41) Demnach: „Führung ist eine zielgerichtete einflussreichende Beziehung, die von denen anerkannt wird, die sich entschließen, zu folgen.“ (:41) Folglich brauchen Führungskräfte Sicherheit und Weisheit. Beides kommt aus der Beziehung zu Gott.

In Kapitel 2 „Die dienende Führungskraft“ geht es um die Person des Leiters. „Gemeindehirte zu sein ist eine verantwortungsvolle Position und ein Dienst, kein Rang und keine Machtposition.“ (:47) Anhand von Onesimus, der zu Philemon in Kollosä zurückkehrt, entfaltet er Gedanken über die Einstellung, die eine Führungskraft braucht. Das erscheint mir ein wenig hergeholt. Er entfaltet dann weiter Grundsätzliches zum Thema Führung und stellt noch einmal fest, dass Führung in erster Linie eine Beziehung zwischen Menschen ist und die Führungskraft beeinflusst (:54f). Dabei wird Führung auch immer vom Geführten ausgeübt (:62), der sich entschließt sich dem Einfluss der Führungskraft auszusetzen. Führung muss dabei der Reife der Geführten angepasst werden (Situationsbezogenes Führen) (63f). Das Ziel ist die Befähigung des Geführten (71f). Deswegen ist es wichtig ein Mentor zu sein, anzuleiten und Teams zu bilden. Mentorschaft kann passiv, gelegentlich oder absichtlich geschehen. Wright redet von „… einer aufeinander einwirkenden Lernbeziehung … Sie hat den Zweck, die Reife der Führungskraft in Bezug auf das Führen zu fördern.“ (:75). Eine weitere Form der Befähigung ist das Anleiten (:78f). Schließlich gehört das Teambildung zur Befähigung. Was dazu gehört führt Wright nun von 81-93 aus. Für ein Team „… ist auch eine begabte Führungskraft nötig, die dem Team dient und darauf achtet, dass der Auftrag erfüllt und für die Menschen gesorgt wird, und auch Entscheidungen getroffen werden.“ (:93)

„Vision und Hoffnung“ ist die Überschrift von Kapitel 3. „Eine Vision sieht das Morgen so deutlich, dass sie das Heute bestimmt.“ (:100) In einer christlichen Gemeinschaft geht es Wright darum Menschen mit einzubeziehen: „Wenn wir wirklich glauben, >das jeder Menschen etwas zur Gruppe beitragen kann, dann müssen wir notgedrungen so viele Menschen wie möglich einschließen<. Führungskräfte beziehen mit ein. Sie schauen nach Wegen, die Verschiedenheit zu fördern und Raum für Menschen zu schaffen, um ihre einzigartigen Beiträge zum Ganzen entwickeln.“ (:101) Die Führungskraft muss wissen: „Ich bin dafür verantwortlich, eine Vision zu vermitteln, Werte zu stärken, die Leute zu ermutigen und danke zu sagen.“ (:105) Zu einer guten Vision gehört eine hoffnungsvolle strategische Planung. Diese Ausführungen ab 105f gefallen mir sehr gut. Zweck, Auftrag, Werte, Kultur, Strategien sind festzustellen. Dabei gilt es zu beachten, dass wir in einer Zeit von lauter Veränderungen und Wertewechseln leben, die er von 110-120 m.E. sehr treffend darlegt. Für Wright wird u.a. Zeit ein Spitzenwert in der Zukunft (:111). Integrität und Charakter werden zu Schlüsselfragen (:114). In dieser Zeit muss durch Planung die Vision gelebt werden. Er zitiert Jürgen Moltmann, der sagt, …“das Planung Hoffnung bringt und der Versuch ist, die Geschichte in eine gottgemäße Richtung zu lenken.“ (:122). Dann führt er von 122-147 das Modell einer Planung aus. Das finde ich sehr gelungen. Zunächst geht es um die Frage „Wer wir sind?“, also um die Mission: „Die Mission ist die einzigartige Berufung oder das Kennzeichen der Organisation, die von der Geographie oder dem Standort, den Werten, Überzeugungen, angebotenen Diensten, vorhandenen Mitteln, der Zielgruppe, der man dient usw. bestimmt wird.“ (:123). Die Mission ist das Mandat. Sie macht Zusammenarbeit mit anderen erst möglich: „Ein starkes Bewusstsein für eine Identität und Mission ermöglicht es einer Organisation, mit anderen unterschiedlichen Organisationen zusammenzuarbeiten. Denn dann muss sie nicht befürchten, ihre grundlegenden Merkmale zu verlieren.“ (:124). Zur Planung gehört die Festlegung von Werten. Die Frage nach dem Umfeld und wo man hin will. Unter Betriebsplanung versteht Wright die Fragen: Was können wir tun? Wie sollten wir es tun? Wann werden wir es tun? Wer bringt uns dorthin? Alles muss auch bewertet und überprüft werden. Daraus entwickelt sich das Szenario, eine hoffnungsvolle Vision. „Führungskräfte tun ihr Bestes, das weiseste Szenario mit der Gemeinschaft, die sie führen, zu erstellen. Sie glauben, dass dies Gottes Plan ist, mit dem sie versuchen, die Kräfte und Energien ihrer Organisation zu bündeln.“ (:142). Er führt auch aus, was ein gutes Szenario ausmacht und beendet das Kapitel mit Offb. 21.

Kapitel 4 behandelt dann das Thema: „Durch Werte beeinflussen“. Es geht ihm um den Charakter und die Werte der Führungskraft. Hier kommt er wieder auf die Gemeinde in Kolossä zu sprechen, die Onesimus jetzt als ehemaligen Sklaven aufnehmen muss und zitiert aus Kolosser 2,5-7; 3,1-4,1. Konfliktfähigkeit ist ein wichtiger Wert, den eine Gemeinschaft lernen muss. Manchmal wirkt das Buch nicht ganz stringent oder wiederholt sich, so auch in diesem Kapitel. Sei es drum. Seine Ausführungen zum Charakter sind absolut wichtig: „Menschen mit Charakter sind Führungskräfte, ob sie nun eine Führungsposition haben oder nicht.“ (:163). Auch die Kultur einer Organisation zu erkennen, ist für eine Führungskraft ganz wichtig (:167f). Hilfreich dabei das Diagramm auf Seite 174. „Die Unternehmenskultur ist in allen unseren Unternehmen und Kirchen eine starke Macht. Sie ist eine Macht, die Führungskräfte verstehen und ansprechen müssen, denn sie schaffen und fördern die Unternehmenskultur.“ (:175). Für Wright ist wichtig, dass Kirche als Reich Gottes und als Unternehmen gesehen wird: „Ich bin nicht bereit, weniger zu akzeptieren als effektives Wirken als Unternehmen und lebendige christliche Gemeinschaft. Das schließt sich nicht gegenseitig aus, es ergänzt sich im Wesentlichen.“ (:176). „Die Kultur kann die Durchführung der Mission erzwingen, aber sie ist nicht die Mission selbst.“ (:178). Eine Führungskraft kann die Kultur entscheidend beeinflussen. Das macht sie in dem sie ihre eigenen Werte lebt. „Alles was eine Führungskraft tut, fördert eine Kultur.“ (:186) Eine Kultur zu schaffen und zu fördern ist eine der Schlüsselaufgaben der Führung. Es ist ein lang andauender Prozess. Er erfordert eine langjährige Verpflichtung der Führung …. Sie müssen erwarten, Gott in ihren Organisationen in den nächsten Jahren wirken zu sehen.“ (:198). Das geht für Wright nur mit Gottes Gnade und mit dem Wissen, dass Vergebung möglich ist (:199f). „Nur in Abhängigkeit von Gott und Erkenntnis, dass wir Vergebung brauchen, können wir es wagen, die Verantwortung für die Führung derer zu übernehmen, zu denen Gott uns sendet.“ (:200)

In Kapitel 5 geht es dann um dass: „Beeinflussen durch Beziehungen“. „Bei Führung durch Beziehungen geht es um Führungskräfte, die geführt werden, Geführte, die selbst führen, Diener, die führen und Führungskräfte, die dienen. Führung ist eine Beziehung von gegenseitiger Abhängigkeit.“ (:207). Dabei spielt die Fürsorge und Förderung von bezahlten und ehrenamtlichen Mitarbeitern eine Rolle (:209f). Wright stellt richtig fest, dass „… alle Angestellten heute im Wesentlichen Freiwillige sind. Sie haben sich dafür entschieden, an ihrem gegenwärtigen Arbeitsplatz zu bleiben.“ (:209) Er führt aus, warum Menschen freiwillig helfen (:212f), empfiehlt eine gute Werbung und Begleitung von Freiwilligen (:216f) Dabei muss auch im ehrenamtlichen Dienst die Mission der bestimmende Faktor sein. Er empfiehlt einen klaren Fürsorge Plan für Freiwillige: Erwartungen klarstellen, Einigung über Ziele, Erfolg überprüfen, für Leistung und Wachstum zurüsten (:220f.). Dazu gehört die Arbeitsplatzbeschreibung, die der Klarstellung von Erwartungen dient. Diese vermittelt auch den Wert der Arbeit. Außerdem muss Einigkeit über das Vorhaben erzielt werden (:230f). Hier schreibt er: „Führungskräfte sind für den Erfolg der Menschen, die sie führen, verantwortlich.“ (:231) Deshalb muss es auch einen Prozess der Überprüfung geben (:233f). Nicht als Kontrollmittel, sondern zur Förderung der Person. „Die Menschen verdienen zu erfahren, wie sie die ganze Zeit arbeiten.“ (:236). Dann ist sein Ziel das Leute nach dem Einsatz besser ausgerüstet sind als vorher. Sie sollen durch den Einsatz wachsen. „Führung ist eine fördernde, persönliche Beziehung… Gute Führungskräfte bringen sich ein in solch fördernde Beziehungen mit den Menschen, für die sie verantwortlich sind.“ (:244) Er kommt zu der Schlussfolgerung: „Führen ist Macht nutzen, um Menschen zu dienen.“ (:245).

Kapitel 6 rundet mit dem Thema „Verantwortlich beeinflussen“ das Buch ab. Zur Verantwortung gehört Geduld und Beharrlichkeit. Besonders die Verantwortung vor Gott ist zu nennen. Das Gebet als Hören auf Gott, ist für ihn ein ganz wichtiger Faktor (:252f). Verantwortung hat man aber auch gegenüber der Organisation. Man braucht hier Personen, denen man Rechenschaft schuldig ist. Dies ist auf ein Vorstand, dem er einige Ausführungen widmet (:256f). Für ihn gibt es „… wahrscheinlich keine wichtigere und möglicherweise auch problematischere Beziehung als die zwischen der Führungskraft und dem Vorstand.“ (:256). Durch die Aufteilung zwischen ehrenamtlichen „Vorständen“ und hauptamtlichen „Geschäftsführern“ gibt es lt. Wright zwei Arten von „Eigentümern“, die sich ergänzen, aber auch konkurrieren. Der Vorstand hat die letztliche Verantwortung, aber der Angestellte verbringt am meisten Zeit in der Organisation. Wenn sie zusammenarbeiten bilden sie ein Führungsteam. „Wir reden von gemeinsamer Führung, Rechenschaft und Vertrauen. Es geht um die Partnerschaft einer gemeinsamen Vision.“ (:258). Weiter hat jeder Leiter auch eine Verantwortung für sich selbst: 259f. Das gilt für die Zeit und das Leben (Familie, Freunde). „Zwanzig Jahre später werden die Beziehungen, die wir aufgebaut haben, wichtiger sein als unser Erfolg als Führungskraft. Verantwortlich für meine Zeit sein heißt auch, Zeit für Freundschaften zu finden, die über die Grenzen meiner Pflichten als Führungskraft hinausgehen.“ (:267). Und schließlich: Vergebung (:268). Für Wright ist die Krise der Führung eine Krise der Vergebung. Aber „Fehlerlose Führung ist ein Paradox … Führungskräfte führen, indem sie Fehler machen“ (:272). „Vergebung gibt Menschen die Möglichkeit, Risiken einzugehen.“ (:273). Eine Führungskraft muss aber auch sich selbst vergeben. „Vergebung ist der Kern der Beziehung der Führungskraft zu Gott.“ (:276).

Also, ein sehr detailliertes Buch über Führung. Wright spricht fundamentale Dinge an, die vor allen Dingen aus seiner Erfahrung her kommen. Manchmal springt er ein wenig, aber das wertet das Buch nicht ab. Dieses Buch ist ein Must-Read für Leiter.

12.09._Wright_Der Beziehungsfaktor

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Kirche/Gemeinde Leitung Rezensionen

Rezension: Columbans Revolution

Neues Bild (11)Müller, Peter R., Columbans Revolution, Schwarzenfeld: Neufeld Verlag 2008
Wie irische Mönche Mitteleuropa mit dem Evangelium erreichten – und was wir von ihnen lernen können

4 von 5 Punkten / 96 Seiten / € 9,90

Als Irland-Fan, Geschichts-Fan und Gemeinde-Fan konnte ich an diesem Buch von Peter R. Müller nicht vorübergehen. Es hat knapp 100 Seiten und lässt sich gut lesen.
In der Einleitung macht Müller deutlich, warum das Thema für uns heute relevant ist. Es geht ihm um kulturelle Relevanz. Die haben die irischen Mönche gelebt und die müssen wir als Gemeinden heute auch leben.

Deshalb beschreibt er zunächst einmal die Welt der Kelten und woher die irischen Mönche kamen, als sie auf dem europäischen Festland ihre ungeheure Wirkung entfalteten. Die Gemeinschaftskultur und die Spiritualität sind dafür die tragenden Faktoren.
Diese Gruppe kommt jetzt auf das Festland, in eine andere Welt. In Kapitel 3 wird diese beschrieben. Eine gallisch-römische Kultur war bestimmend, die sich im Laufe der Jahre verchristlich hat (bis 400 n. Chr), allerdings nicht auf dem Land.
Dann beschreibt er die Person des Columban und seine Strategie Klöster zu gründen, die Auswirkungen auf die direkte Umgebung hatten. Er arbeitete mit den regionalen Machthabern zusammen und arbeitete immer im Team. Daraus entstand das iro-fränkische Mönchstum. Sie hatten klare Regeln, legten Wert auf Predigt und Lehre, auf Heilung, Zeichen und Wunder, auf machtvolle Begegnungen. Sie knüpften an die Bedürfnisse der Menschen an, die ihre Mitte suchten. Schließlich passte alles und der richtige Kairos war gekommen.

Wie ist jetzt die Wirkung der irischen Mönche zu bewerten. Das führt er im 5. Kapitel aus. Es entstanden einheimische Gemeinschaften, es wurde evangelisiert, es wurden Missionare entsandt und das Evangelium wurde kulturell adaptiert. Damit knüpften sie direkt an die Bedürfnisse der damaligen Bevölkerung auf dem Festland an und schafft für diese Bedürfnisse Lösungen. Diese Lösungen der Iren stellt er historisch dar und überträgt er auf unsere heutige Zeit:

1. „Wo Kirche einen Beitrag zur Lösung strukturellen Handlungsbedarfes leistet, kann sie die Energien des Veränderungsdruckes als Rückenwind für die verbale und praktische Verbreitung des Evangeliums nutzen … Kirche ist nicht nur mit sich selbst beschäftigt, sondern Teil des Lebens der Menschen um sie herum und Antwort auf ihre Bedürfnisse.“ (:72)
2. „Der christliche Glaube existiert nicht, außer ›übersetzt‹ in eine Kultur … Kommunikation findet immer unter kulturellen Prämissen statt. Je mehr wir der Kultur in unserer Kommunikation respektvollen Raum geben, desto eher verstehen wir die wirklichen Anliegen unserer Zielgruppe und können verständlich in ihrer Welt übersetzen, kulturell relevante Antworten geben und so das Evangelium verstehbar machen.“ (:74)
3. „Die langfristige Perspektive erlaubt es, nach dem Prinzip von Saat und Ernte in das Wachstum zu investieren und sich auf Zinseszinseffekte bei der Wirksamkeit zu verlassen. Sie erlaubt das Arbeiten an einem Ziel, das die Fähigkeiten eines Einzelnen, einer Gruppe oder einer Generation übersteigt, und überfordert dabei dennoch nicht die Kräfte.“ (:76)
4.“Die Beeinflusser zu beeinflussen, eröffnet ein großes, weit reichendes Wirkungspotential. Es beseitigt nicht die ethisch und moralisch hoch verfänglichen destruktiven Situationen, die Macht mit sich bringen kann. Die Alternative, nämlich Wirkungslosigkeit und Rückzug aus den Schaltzentralen der Macht, beseitigt sie aber noch viel weniger. Zusammenarbeit mit Machthabern ermöglicht eine große evangelistische Wirkung. Diese dynamis ist wie Dynamit; sie kann scheinbar Unmögliche bewegen. Wird sie nicht mit höchster Vorsicht und permanenter, unnachgiebiger Selbstreflexion gehandhabt, bringt sie allerdings mit Sicherheit die Katastrophe hervor.“ (:78f)

Von daher gibt er noch mal einen Ausblick auf die heutigen Herausforderungen von Gemeinde. Dazu einige Zitate:
„Als Menschen der Industrialisierung in den Städten strandeten, antworte die Kirche mit Bahnhofsmission und Heilsarmee. Heute leben wir in der hyperbeschleunigten Welt von Burn-out, Bore-out und Buy-out. Welche Antworten geben wir. Welche Antworten sind wir?“ (:84)
„Dennoch kann es nicht bedeuten, die Machthaber in Politik, Wirtschaft und Kultur sich selbst zu überlassen. Nur in Kontakt können wir für Gottes gütigen Einfluss werben und ihn durch unser Sein in die Schaltzentralen bringen.“ (:87)

Außerdem weist er noch auf zwei interessante Internetseiten hin: www.v-n-b.de (Vineyard-Gemeinde Berlin) und zwoelf-schritte.de.

Insgesamt ein sehr lesenswertes Buch, dass aber vor allen Dingen Fragen aufwirft und nicht Antworten gibt. Aber diese Fragen regen zum Nachdenken und zum Suchen von Antworten an. Die brauchen wir dringend.

11.02._Müller_ColumbansRevolution

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Rezension: Teams führen

Teams führen, Rainer NiermeyerNiermeyer, Rainer, Teams führen, München: Haufe 22008
4 von 5 Punkten

Dieses Buch ist ein Grundlagenwerk über Teamarbeit. Auf 214 Seiten streift es alle wesentlichen Punkte des Themas. Es ist vor allen Dingen für Teamleiter geschrieben, die ein Team entwickeln wollen. Aber auch Teammitglieder können von diesem Buch Nutzen ziehen, weil es Grundlegendes zur Teamarbeit sagt. Auch der Preis von 24,95 € macht deutlich, dass es sich um ein Buch für Profis handelt.

Es ist in acht Hauptkapitel gegliedert, bietet innerhalb dieser Kapitel 13 Kienbaum-Kompetenztests zur Reflektion und bietet dann noch einige ordentliche Kopiervorlagen.

Nach einem überblickschaffenden Schnelleinstieg ins Buch (7-11) wird einleitend der Vorteil von Teamarbeit vorangestellt. Hier wird auf die wichtige Unterscheidung von echten und „unechten“ Teams hingewiesen (:13f). Es gibt die Arbeitsgruppe, das Pseudo-Team, das potenzielle Team, das echte Team und schließlich das Hochleistungsteam. Dann wird auf die Grenzen der Teamarbeit hingewiesen (:17f).
Ebenfalls einleitend ist das Kapitel über „Die fünf wichtigsten Kompetenzen für Teamleiter“ ab Seite 21. Hierzu zählen die Führungsmotivation, die Handlungsorientierung, die Kooperationsfähigkeit, das Einfühlungsvermögen und die Konfliktfähigkeit.

Im 1. Kapitel geht es um die Zusammenstellung eines Teams. Ein erstes wichtiges Kriterium ist die Größe (7-8 Mitglieder). Weiter ist auf die Teamrollen zu achten. Hier unterscheidet Niermeyer acht verschiedene Teamtypen: Prototyper, Kraftmotor, Zuverlässiger, Detaillist, Helfer, Sammler, Ideengeber, Stratege. Das finde ich sehr erhellend und inspirierend. Der Erfolg des Teams liegt in der Gegensätzlichkeit seiner Mitglieder. Er unterteilt diese acht Typen noch in die Pole „Bewahrer und Neuerer“ (Bedürfnisbilanz von Menschen) und „Macher und Denker“ (Persönlichkeitstypen). Die Typen werden dann ab Seite 37f erklärt. Bei der Teamzusammenstellung ist auf ein ausgewogenes Team zu achten. Ebenso muss die Fachkompetenz (plus Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und Personale Kompetenz) beachtet werden (:43f). Dann folgen Checklisten, die bei der Teamzusammenstellung helfen können.

Das 2. Kapitel widmet sich dem Thema Zieldefinition und Zielvereinbarung. Der Teamziele müssen aus den Unternehmenszielen abgeleitet werden. Das Team kann dann über die Ziele geführt werden. Dafür ist eine Zielvereinbarung mit dem Team und den Mitarbeitern notwendig (Mitarbeitergespräch), die dann auch zur Leitungsbeurteilung dienen.

In Kapitel 3 geht es um die Rolle des Teamleiters. Auch ein Teamleiter muss seine Position im Team erst finden. Er ist gleichzeitig Chef und Teammitglied und muss sach- und personenorientiert auftreten. Niermeyer unterscheidet hier vier Entwicklungsstufen eines Teamleiters: Abtaucher, Therapeut, Einpeitscher, Leader (Idealfall). Dann geht er ab S.74 auf die unbedingten Aufgaben eines Teamleiters (Aktionen steuern, Entscheidungen treffen, Beratungsfunktion, Repräsentation, Vernetzung, Mitarbeiterführung/Förderung). Schließlich zeigt er Möglichkeiten auf, wie ein Teamleiter ausgewählt werden kann (:83f).

Dem Thema Meetings vorbereiten, moderieren und nachbereiten widmet sich das 4. Kapitel. „Meetings sind der Herzschlag eines jeden Teams. Ihr Verlauf zeigt, wie ›gesund‹ die Gruppe ist und wie die Zusammenarbeit läuft.“ (:87). Meetings können unterschiedliche Funktionen haben und in unterschiedlichen Formen auftreten: Teammeeting zum Informationsaustausch, Focus Group zur Problemlösung, Progress-Meeting um auf Stand zu bringen, One-to-One, Reporting-Meeting um Fakten zu präsentieren. Alle Meetingformen haben auch einen sozialen Nutzen (:90). Es folgen Tipps zur Vorbereitung von Meetings (:90f): Notwendigkeit, Teilnehmer, Agenda, Dramaturgie. Weiter geht es um die optimale Gestaltung von Meetings (:95f) und ihre erfolgreiche Durchführung (:98f).

In Kapitel 5 geht es dann um das Feedback an die Mitarbeiter. Zunächst ist die Wirksamkeit von Feedback sicherzustellen (Säulen einer Feedbackkultur auf S.106). Dann folgen Tipps zum Feedback geben. Auch auf ein wirksames Feedback an den Teamleiter wird im 360 Grad-Feedback hingewiesen.

Mittendrin im Buch folgt dann ein Exkurs über die Entwicklungsphasen eines Teams (115-124): Forming, Storming, Norming und Performing. Hilfreich finde ich, dass mögliche To-Do’s für jede Phase aufgeführt sind.

Wie ein Team dann zum Hochleistungsteam wird, steht in Kapitel 6. Zunächst gilt es, den aktuellen Stand des Teams herauszufinden. Dazu ist eine Analyse der acht Teamfaktoren notwendig: Führungsqualität, Integration in die Gesamtorganisation, Konfliktmanagement, Qualifikation und Kompetenzen, Organisation und Arbeitsmethoden, Kommunikation und Arbeitsklima, Zielorientierung und Engagement. (Hilfreich ist dazu der Fragebogen von 129-135.) Anschließend kann das Team durch Teamcoaching entwickelt werden. Niermeyer schlägt hier drei Wege vor: Beobachtung und Feedback, Training on the job, Teamtraining. Ebenso ist die Identitätsentwicklung sehr wichtig. Zusätzlich können auch externe Einzelcoachings ein Team fördern (:147f). Hilfreich kann auch ein internes Coaching durch den Teamleiter sein. Hier gibt Niermeyer ausführliche und hilfreiche Tipps (:153f).

Kapitel 7 widmet sich Konfliktsituationen im Team. Konflikte sollte man als Chance verstehen, die Verbesserungspotential aufzeigen. Es gilt sie zu erkennen, sich dann richtig zu verhalten und schließlich einen Konfliktlösungsprozess zu beginnen: Aufdecken, Perspektiven entwickeln, Lösungen suchen, Lösungen bewerten, Vereinbarungen treffen.

Um die Stärkung der Position des Teamleiters geht es in Kapitel 8. Ein Teamleiter muss manchmal Widerstände überwinden, Saboteuren das Handwerk legen und Trends erkennen.

Dann folgen einige schon vorher im Buch erwähnte Formulare und Arbeitsmittel (191-207), die man offiziell kopieren und für das Team vervielfältigen darf.

Fazit: Das Buch ist ein Grundlagenbuch und bietet viele und hilfreiche Informationen und Tools zur Teamarbeit. Einiges muss für den ehrenamtlichen Bereich angepasst werden. Natürlich ist auch immer die jeweilige Situation einer Firma oder einer Gemeinde zu berücksichtigen. Für jede/n Teamleiter/innen ein sehr wichtiges Buch.

PDF-Datei: 12.09._Niermeyer_Teams führen

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Leitung Mitarbeiterführung Rezensionen

Rezension: Die Managerkonferenz – Effektives Führungstraining

Die Managerkonferenz, Thomas GordonGordon, Thomas, Die Managerkonferenz – Effektives Führungstraining, München: Wilhelm Heyne Verlag 19. Auflage 2005
3,5 von 5 Punkten

19 Auflagen sagen schon mal ziemlich viel aus. In den USA erschien es 1977 und in Deutschland 1979. Das Buch ist ein Klassiker der Führungsliteratur. Die Taschenbuchausgabe mit 316 Seiten gibt es für € 8,95. Das ist echt wenig Geld für den guten Inhalt.
Thomas Gordon hat den Erziehungsbestseller „Familienkonferenz“ geschrieben und wendet diese Erkenntnisse auf eine Führungsperson an. Ein Schwerpunkt liegt auf der „Jeder-gewinnt-Methode“. Das Buch umfasst 12 Kapitel. Meine Rezension ist anhand der Kapitel aufgebaut unter die ich die mir jeweils wichtigen Zitate und Inhalte aufführe.

Kapitel 1: Wie wird man ein effektiver Führer? „Ein Schlüssel zur Führungseffektivität ist die Fähigkeit, Menschen zu beeinflussen, ohne von der eigenen Macht Gebrauch zu machen.“ (:25)
Kapitel 2: Wer führt, ist noch kein Führer. „Tatsächlich hat es aber keiner geschafft, der eine Führungsrolle übernimmt. Das ist erst der Anfang.“ (:29) „Wenn sie zum Leiter einer Gruppe werden, führt das unvermeidlich zu bedeutsamen Veränderungen in Ihrer Beziehung zu den Mitgliedern der Gruppe.“ (:30) Gordon verweist hier darauf, dass Sozialwissenschaftler „… die Führungsrolle als Interaktion zwischen Führern und Gefolgschaft zu verstehen begannen.“ (:34) Jeder Mensch ist auf der Suche nach Befriedigung seiner Bedürfnisse. „Menschen schließen sich also Gruppen an, weil sie hoffen, dass sie dadurch in den Besitz zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse gelangen. Umgekehrt verlassen sie Gruppen, wenn ihre Bedürfnisse nicht mehr befriedigt werden … Menschen folgen einem Führer (und lassen ihre Aktivitäten von ihm steuern), wenn sie der Auffassung sind, er werde ihnen verschaffen, was sie brauchen oder wünschen. Daraus folgt, dass ein Führer seine spezifische Rolle nur ausfüllen und behaupten kann, wenn die Gruppenmitglieder das Gefühl haben, sie könnten ihre Bedürfnisse befriedigen, in dem sie >dem Führer folgen<.“ (:35) Gordon stellt fest, dass auch der Führer Bedürfnisse hat und die Organisation, die zum Führen berufen hat. Er spricht in diesem Zusammenhang vom Dilemma des Führers. Hier verweist er auf die Maslow-Pyramide (:41) und stellt fest, dass ein Führer die Bedürfnisse höherer Ordnung befriedigen muss. Ebenso muss er als Problemlöser auftreten können. Probleme resultieren nach Gordon ebenfalls aus mangelnder Bedürfnisbefriedigung, entweder beim Führer oder beim Mitarbeiter. Es gilt festzustellen, wer das Problem besitzt. (:56).
Kapitel 3: Sie können es allein machen – oder mit Hilfe der Gruppe? Gordon rät, dass ein Führer bei der Problemlösung immer die Hilfe der Gruppe in Anspruch nehmen sollte. Er schläft die Bildung eines Managementteams vor. „Die Bildung eines Managementteams ist der sicherste Weg, für eine stete Weiterentwicklung der Mitarbeiter zu sorgen.“ (:63) Hier werden hierarchische Unterschiede aufgehoben: „So kommen wir zu der paradoxen Feststellung, dass effektive Führer ganz wie Gruppenmitglieder handeln und effektive Gruppenmitglieder ganz wie Gruppenführer.“ (:66) Problemlösung muss dabei immer als Prozess verstanden werden.
Kapitel 4: Techniken, die Mitarbeitern helfen, ihre Probleme zu lösen. Ein Führer muss Menschen dazu bringen, ihre Probleme zu erkennen. Als Tool schlägt Gordon hier das aktive Zuhören vor. „Die ganze Kunst des >aktiven Zuhörens< besteht darin, dass der Empfänger dem Sender die Ergebnisse seiner Dekodierung häufig und fortlaufend rückmeldet.“ (:80) Ziel ist es, Verständnis füreinander zu bekommen, auch wenn man vielleicht in der Sache nicht zustimmen kann.
Kapitel 5: Zuhören in der alltäglichen Praxis. Beim Zuhören spielen Gefühle eine Rolle, bisweilen auch sehr starke. Hier rät Gordon: „Wenn Führer sich klar machen, dass starke Gefühle nicht für alle Ewigkeiten gelten, werden sie weniger Angst vor ihnen haben und mehr Konstruktivität im Umgang mit ihnen entwickeln.“ (:103) Wichtig ist es zum Kernproblem vorzudringen: „Die Probleme der Menschen sind wie Zwiebeln – sie bauen sich in Schichten auf … Aktives Zuhören hilft dem anderen wirksam dabei, über das vordergründige Problem schließlich bis zum Kernproblem vorzudringen.“(:106)
Kapitel 6: Wie Sie sich in der Konfrontation mit Mitarbeitern verhalten. Wenn der Führer ein Problem mit dem Mitarbeiter hat, muss man die Konfrontation von sich aus suchen: „Wir brauchen also ein bisschen Mut, um uns selbst zu behaupten und den anderen entgegenzutreten.“ (:121) Hier setzt Gordon auf die Ich-Botschaft: Verhalten + Gefühle + Wirkungen (:128f). „Ich-Botschaften sind Hilfsappelle, und daraus erklärt sich ihre häufig erstaunliche Wirksamkeit.“ (:131)
Kapitel 7: Was können Sie für die Effektivität Ihres Managementteams tun? In diesem Kapitel geht es vor allen Dingen um die Gestaltung von Meetings, die nach Gordon unverzichtbar sind und entweder zur Information dienen oder der Problemlösung. Ein Problem ist aber erst mal nicht schlecht oder ungesund, sondern hilft einer Organisation sich zu entwickeln. Problem wird also sehr weit verstanden. Ab Seite 156 gibt es dann 17 hilfreiche Richtlinien für Managementmeetings. Das ist alles sehr praxisbezogen. Interessant finde ich besonders folgende Aussagen: „Die Gruppe und nicht der Führer sollte für die Tagesordnung verantwortlich sein.“ (:160). „Gruppen sollten immer sensibel für Tagesordnungspunkte bleiben, die nicht die ganze Gruppe angehen, und sie möglichst rasch einem Einzelnen oder einer Untergruppe übertragen.“ (:162). „Stimmen sie nie ab. Einzige Ausnahme: eine Abstimmung, die keine Entscheidung bringen, sondern nur zeigen soll, wie sie Gruppenmitglieder zu einem bestimmten Problem stehen.“ (:163) Weiter beschreibt er die Pflichten der Teilnehmer vor und während des Meetings und die Pflichten des Gruppenführers.
Kapitel 8: Konflikte: Wer siegt, wer unterliegt? Konflikte sind unvermeidlich. „Daraus ergeben sich zwei Aufgaben: Wir müssen herausfinden, wie wir die Zahl der Konflikte so gering wie möglich halten und wie wir die unvermeidlichen lösen können.“ (:174) Dazu führt Gordon jetzt zwei Techniken an: „Ich gewinne, du verlierst“ und „Du gewinnst, ich verliere“. Beide Methoden sind für ihn inakzeptabel. Er führt ihre Nachteile auf und geht auf den Einsatz von Macht ein.
Kapitel 9: Die Jeder-gewinnt-Methode: Wie aus Konflikt Kooperation entsteht. Diese Methode ist für ihn der Ausweg aus Konflikten, weil es keine Verlierer gibt. „Sie schafft eine Lösung, die zu gegenseitiger Bedürfnisbefriedigung führt, wo jeder gewinnt.“ (:209) Hier wird auf den Einsatz von Macht verzichtet. Es wird herausgestellt, dass zwei Personen einen Bedürfniskonflikt haben und ihn gemeinsam lösen wollen. Dazu sind sechs Schritte nötig (:228f): Problem erkennen und definieren / Alternative Lösungen entwickeln / Alternative Lösungen bewerten / Entscheidung treffen / Entscheidung bewerten / Anschließend Lösung bewerten. Schließlich verschweigt Gordon auch evtl. auftretende Probleme dieser Methode nicht (:234f). Wichtig dabei: Immer wieder muss der Führer bereit sein, auf seine Macht verzichten: „Die Macht des Führers zeigt sich nur in ihrem Gebrauch. Leider kann das Vertrauen und die Sicherheit, die ein Führer dadurch geschaffen hat, dass er jahrelang auf die Ausübung seiner Macht verzichtete, in einem einzigen Augenblick, in dem er dann doch zu dieser Macht greift, ernsthaft leiden.“ (:253)
Kapitel 10: Die Jeder-gewinnt-Methode innerhalb der Organisation. Hier geht Gordon auf Themen wie Arbeitgeber-Gewerkschaft oder Problemlösungen in größeren Gruppen ein.
Kapitel 11: Die periodische Planungskonferenz (PKK): ein neuer Ansatz der Leistungsbewertung. Gordon schlägt die PKK als zwei Wege-Konferenz vor, die vom Vorgesetzten und Mitarbeiter gemeinsam gestaltet wird: „Statt sich mit der Leistung in der Vergangenheit (mit dem, was bereits erbracht worden ist) zu beschäftigen, verlangt die PKK von dem Vorgesetzten und dem Mitarbeiter, sich auf die Leistung in der Zukunft (auf das, was erbracht werden kann) zu konzentrieren.“ (:283)
Kapitel 12: Einige Fragen von Bedeutung. Gordon fordert die Führungspersönlichkeit heraus, sich zu entscheiden, wie sie Beziehungen leben will: „Führer müssen sich entscheiden, welche Art von Führer sie sein wollen. Diese Wahl kann ihnen niemand abnehmen … Der Führungsstil, für den sie sich entscheiden, wird wesentlich darüber mitbestimmen, was für ein Mensch sie werden. Sie können keine klare Trennungslinie zwischen der Führungsrolle und Ihrem übrigen Dasein ziehen.“ (:300) Er schlägt ein Credo für Beziehungen vor (:305). Genauso muss entschieden werden, wie die Organisation und schließlich die Gesellschaft sein soll. „Wenn wir eine demokratische Gesellschaft wollen, brauchen wir eine demokratische Organisation, die ihrerseits auf demokratische Führer angewiesen ist. Diese verfügen über die notwendigen Techniken und Methoden, für alle Teile befriedigende Beziehungen zu Menschen herzustellen, die sie führen.“ (:308)

Fazit: Gordons Ansatz ist ein echter Ansatz für kongregationalistisch organisierte Kirchengemeinden. Die Techniken zur Problemanalyse und der anschließende Umgang mit Problemen und Personen finde ich sehr gut. Die Stärke liegt in dem grundsätzlichen demokratischen Ansatz. Diesen Ansatz bejahe ich ebenfalls. Ob der aber immer zu Ziel führt, weiß ich nicht. Ich glaube, man muss Führungsstile auch situationsbedingt wechseln und anpassen. Die Stärke an Gordons Stil liegt auf jeden Fall in der Befähigung zur Mündigkeit der Mitarbeiter und darin, dass ein Führer aufgefordert wird, Vertrauen zu bauen.

12.09._Gordon_Die Managerkonferenz

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Kirche/Gemeinde Rezensionen

Rezension: Relevante Gemeinde

Relevante Gemeinde, Heinrich Christian RustRust, Heinrich Christian, Relevante Gemeinde, Kassel: Oncken 2/2010
4 von 5 Punkten

Dieses Buch ist ein Buch für alle, die sich in einer älteren, durchschnittlichen,  „normalen“ und freikirchlichen Gemeinde engagieren und ein starkes Anliegen für ihre Ortsgemeinde haben. Deswegen finde ich dieses Buch so gut und deswegen habe ich es begeistert gelesen. Endlich mal ein Buch für solche Leute, die die Fragen bewegen, ob die verfassten Freikirchen noch eine Zukunft haben oder ob nicht völlig neue Formen gefragt sind?
Das Buch ist allerdings auf nur 63 Seiten sehr dicht geschrieben. Einige Fragen werden auch nur aufgeworfen und nicht klar beantwortet. Hier muss man dann selber weiterdenken und zu Ergebnissen kommen. Es reißt also vieles an, was dann in die Gemeindepraxis einfließen muss.

Auf nur 63 Seiten trifft Rust meines Erachtens die wesentlichen Punkte, die für o.g. Zielgruppe wichtig sind. Sie sind in 5 Kapiteln unterteilt:
1. Liebe und Liebeskummer
2. Für wen ist Gemeinde Jesus Christi relevant?
3. Die Bedeutung der Gestalt der Gemeinde?
4. Welche Bedeutung hat die Konfession einer Gemeinde?
5. Relevanz durch die Bindung an Jesus Christus

In Kapitel 1 stellt Rust fest, dass es viele Christen gibt, die enttäuscht von ihrer „klassischen freikirchlichen“ Gemeinde sind, „…die in ihrer Bravheit und gesellschaftlichen Angepasstheit kaum noch etwas von dem >Licht der Welt< ausstrahlen.“ (6) Zu dieser Gruppe gehören vor allen Dingen auch junge Leute. Sie wollen zwar Gemeinde leben, finden aber in der klassischen Freikirche kein Zuhause mehr. Das wirft die Frage nach der Relevanz aus. Kann man die überhaupt messen? Viele neue aufkommende Gemeindemodelle scheinen relevanter zu sein. Besonders die Emerging-Church-Bewegung stellt vieles der bisherigen Modelle in Frage. „Wie stellen wir uns in den verfassten Freikirchen dieser massiven Infragestellung unserer Traditionen und unseres gemeindlichen Ansatzes?“ (8) Wann ist also eine Gemeinde relevant, wichtig, wichtiger gegenüber anderen Objekten?

Diese Frage wird nun in Kapitel 2 beantwortet. Hier sieht Rust drei Ebenen der Relevanz. Die Relevanz einer Gemeinde für die Gesellschaft. Die Relevanz für den Einzelnen. Die Relevanz einer Gemeinde für ihren Initiator Jesus Christus.
Als Einzelner kann ich in einer Gemeinde in einer verbindlichen Gemeinschaft leben. Hier werde ich geformt und gefördert. Ich feiere das neue Leben im Abendmahl. Wie kann man da eigentlich auf Gemeinde verzichten? Der Trend geht dahin Gemeinde zu verlassen. Hausgemeinden werden gegründet, die oft nicht von Hauskreisen einer verfassten Gemeinde unterschieden werden können, außer dass sie isoliert sind. Rust wirft die Frage aus, was eine Gemeinde zu einer Gemeinde macht? (14f). Im Wesentlichen kann man sagen: „Die regelmäßige Gemeinschaft, die Kommunion im Sinne der Beziehungspflege zu Gott und der gemeinsame Auftrag.“ (15).
Für die Gesellschaft muss Gemeinde Bedeutung haben. Einige sagen: Hinein in die Welt. Wir müssen die Gesellschaft prägen und transformieren. Andere sagen: Raus aus der Welt, oder zumindest: Anders als die Welt. Rust meint, dass wir vielleicht beides parallel machen müssen. „Müssen wir möglicherweise beide Bewegungen parallel vollziehen, um die Salzkraft und die Leuchtkraft zu erhalten: Müssen wir uns trennen und zugleich hineingehen?“ (18). Er plädiert dafür: „Christsein ist eine Berufung zur Weltgestaltung und Weltverantwortung: Salz und Licht gehören in die Welt. Die Mission Gottes ereignet sich das, wo sie auf die Bedürfnisse des Menschen trifft… Jede christliche Mission ist somit auch kontextuell, sie knüpft bei der Kultur an, die sie vorfindet.“ (21) Wie das in einer postmodernen Kultur gehen kann, führt Rust nun auf den Seiten 22-27 aus.
Darüberhinaus hat Gemeinde Bedeutung für Jesus Christus. „Jesus ist ohne seine Gemeinde neutestamentlich überhaupt nicht zu definieren.“ (28) Gemeinde ist die Braut Christi und hat eine super hohe Relevanz für Jesus (28-30). Das heißt aber nicht, dass einzelne Gemeinden oder Gemeindebewegungen an Relevanz verlieren können (31). Dennoch ist es zu früh von einer Bankrotterklärung des Christentums zu reden, wie manche Emerging-Church Vertreter es tun (31-32).

In Kapitel 3 geht es dann um die Bedeutung der Gestalt der Gemeinde, also um die Gemeindekultur. „Das Evangelium ändert sich nicht, aber die Wege, wie wir es präsentieren und in unsere Kultur hineinbringen, die ändern sich.“ (33) Dies zu beachten ist für jede Gemeinde wichtig und es gilt: „Gemeinde Jesu treibt nicht Mission, sie ist Mission, oder sie hört auf Gemeinde Jesu zu sein.“ (34) Und dies kann durch Reformen auch in klassischen Gemeinden immer wieder erkannt werden. Interessant ist hier wie Rust das Gleichnis von dem Wein und den Weinschläuchen auslegt. Alter Wein und neuer Wein bleibt erhalten. Beide Weine haben ihre Berechtigung. Der alte Wein ist sogar beliebter. (34). Gibt es denn für die verfassten Kirchen in Deutschland noch eine Zukunft? die Trends und Entwicklungen in Amerika deuten auf was anders hin. Aber dass die auch für Deutschland gelten, bezweifelt Rust (35). Außerdem besteht hier immer die Erneuerung der verfassten Kirche. Dazu nennt er fünf Grundwerte der Mission, die jede Kirche zu jeder Zeit entdecken muss, wenn sie relevant sein will: Anbetung/Gottesdienst, Gemeinschaft, Evangelisation, Diakonie und Lehre/Jüngerschaft. (38).
Rust führt nun aus, wie man das als Kirche diese Werte heute füllt oder füllen sollte, übt Kritik an einzelnen Formen und zeigt auch neue Wege auf. Hier bekommt man viele Anregungen. Einige Zitate zu den einzelnen Grundwerten:

  • Anbetung/Gottesdienst: „Die gegenwärtige Gottesdienstpraxis in den meisten etablierten Freikirchen ist weit von den partizipierenden Strukturen des im 1.Korinterbrief beschriebenen Modells entfernt.“ (38) „Die Predigtthemen sind häufig anthropozentrisch ausgerichtet…. Es gibt nur wenig Zeiten der Besinnung oder kontemplativen Gotteserfahrung.“ (39) Er spricht von einer musikalischen Monokultur, wobei er hier mehr altes kirchliches Liedgut fordert. Das Abendmahl spielt oft nur eine nicht zu verantwortende Nebenrolle (41). Es gibt keine gesunde Praxis des Sündenbekenntnisses und des Zuspruches der Vergebung.
  • Gemeinschaft: „Die meisten freikirchlichen Gemeinden sind „vergruppt“, aber nicht wirklich vernetzt…. Wir haben viele Projektgruppen, aber wenig Partnerschaften. Man kommt zusammen, um Ziele zu verwirklichen, aber weniger, um das Leben und den Glauben miteinander zu teilen, zu genießen und zu feiern.“ (42) „Leider haben wir wenige Generationen- und milieuübergreifende Gemeinschaftsformen. Die Integration von Menschen aus unterschiedlichen Migrationshintergrund gelingt nur selten richtig gut … Eine Gemeinde, die sich in ihrer Gemeinschaftsbildung vorrangig an der klassischen „heiligen, christlichen“ Familie orientiert, wird in der Postmoderne nur sehr eingeschränkte missionarische Möglichkeiten haben.“ (43) Als Schlüsselwort für die Gemeinschaftsbildung nennt Rust Gastfreundschaft. Außerdem macht er darauf aufmerksam, dass wir verpflichtende Zeitpläne weitgehend in dynamische Zeitpläne umwandeln müssen, was das Gemeindeleben betrifft.
  • Evangelisation: „Kommen heute Menschen anders zum Glauben als früher?“ (46). Wahrheit ist heute nicht wie ein Denksystem zu bewerten, sondern wie eine Person, der man begegnen muss, damit sie sich erschließen kann … Es geht um eine Begegnung mit der Wahrheit, die eine Person ist, um eine ganzheitliche Begegnung mit Jesus Christus.“ (47). Wir müssen Zeugnis von unserer Christuserfahrung ablegen. Vor der Bekehrung gibt es viele Schritte des Vertrauens. Bekehrung geschieht viel prozesshafter als früher. (48) Dazu müssen Evangelisation und Diakonie wieder Hand in Hand gehen. (49)
  • Diakonie: Evangelisation und Diakonie müssen Ausdruck des einen missionarischen Auftrags sein. „Versöhnung zwischen Menschen ist nicht gleichzeitig Versöhnung mit Gott, soziale Aktion ist nicht Evangelisation, politische Befreiung ist nicht Heil. Dennoch bekräftigen wir, dass Evangelisation und soziale wie politische Betätigung gleichermaßen zu unserer Pflicht als Christen gehören. Denn beide sind notwendige Ausdrucksformen unserer Lehre von Gott und dem Menschen, unserer Liebe zum Nächsten und unserem Gehorsam gegenüber Jesus Christus … Wenn Menschen Christus annehmen, kommen sie durch Wiedergeburt in Sein Reich. Sie müssen versuchen, Seine Gerechtigkeit nicht nur darzustellen, sondern sie inmitten einer ungerechten Welt auch auszubreiten. Das Heil, das wir für uns beanspruchen, soll uns in unserer gesamten persönlichen und sozialen Verantwortung verändern. Glaube ohne Werke ist tot.“ (51) „Die Mission Gottes hat immer diese beiden Beine: Die Evangelisation und die Diakonie.“ (52)
  • Lehre und Jüngerschaft: Mittlerweile beschränkt sich für ein Großteil der Christen die Unterweisung auf den Sonntagmorgen, weil Bibelstunde nicht mehr funktioniert und Hauskreise nicht richtig von allen angenommen werden oder zu selbstständig laufen. Wenn die Gottesdienste dazu noch gästeorientiert sind, dann gibt es nicht mehr viel Lehre. Ziel von geistlichem Wachstum muss die zunehmende Liebe sein, zu Gott und den Mitmenschen. Evtl. könnte man dazu verschiedene Seminarangebote einführen, die wählbar sind.

In Kapitel 4 geht es um die Bedeutung der Konfession. Hier schreibt Rust, dass das Denken in geschlossenen Systemen, sei es durch Abgrenzung oder Identitätsmotive, oder durch den Wunsch nach Steuerbarkeit, ist unattraktiv und lähmend geworden (57). Immer mehr Christen rücken zusammen und stärken damit das christliche Zeugnis. Rust sieht sich diesen Trend weiter ausbreiten, auch wenn es hier Gegenstimmen zu gibt. Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen den Konfessionen sind das Thema der Zukunft (60).

Kapitel 5 beschreibt nun abschließend die Relevanz durch die Bindung an Jesus Christus. „Solange Jesus Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene in unseren Gemeinden verkündigt und geglaubt wird, wird diese Gemeinde auch Salzkraft haben … Ich habe den Wunsch, dass wir uns deshalb in unserem Bemühen, der Gemeinde mehr Relevanz zu geben, weniger auf die Gestaltungsformen des Gemeindelebens oder auf eine Neubesinnung unseres missionarischen Auftrags konzentrieren, sondern auf ihn selbst: Den Herrn der Gemeinde…. Je fester wir uns an Jesus Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen binden, umso weiter wird er uns auch zu den Menschen in diese Welt senden können. Darin liegt die eigentliche Relevanz der Gemeinde.“ (61)