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Rezension: Mut tut gut – Das Encouraging-Training

Mut tut gut, Encouraging-Training, Theo SchoenakerSchoenaker, Theo, Mut tut gut – Das Encouraging-Training, RDI Verlag: Sinntal 132004
3,5 von 5 Punkten

Theo Schoenaker, Jg. 1932, Begründer des Adler-Dreikurs-Instituts und der Individualpsychologischen Sozialtherapie. Er ist einer der bedeutendsten Schüler von Rudolf Dreikurs. Er ist Individualpsychologischer Berater, Logopäde und Autor mehrerer individualpsychologischer Lebenshilfe- und Fachbücher. Seit 2002 ist er außerordentlicher Professor am Meredith College Raleigh NC. 1990 entwickelte er das Encouraging-Training, mit dem er international – Europa und USA – zur Verbreitung der Ermutigungsidee und damit zu mehr Frieden und Zusammenarbeit beträgt.[2]

Der Inhalt

„Wenn ich Dich anschaue, berühre, ein gutes Wort der Anerkennung sage, Dich sein lasse, wie Du bist, oder Dich anlächle, und Du fühlst Dich dadurch besser, dann war das, was ich tat, eine Ermutigung für Dich.“ (9). Das sind die ersten Worte im Buch von Theo Schoenaker und darum geht es ihm auf den folgenden 280 Seiten. Für Schoenaker ist Ermutigung, das „… einzige, was das natürliche Wachstumspotential im Menschen zur Entwicklung bringen kann …“ (S.9), und damit der Schlüssel zur vollen Entfaltung einer menschlichen Persönlichkeit. Ermutigung ist für ihn „… das Öl im Getriebe der Gesellschaft. Sie wirkt präventiv und unterstützt die selbstregulierenden Kräfte des Menschen. Sie ist überall einsetzbar, und sie ist erlernbar!“ (S.10). Genau gegenteilig wirkt daher Entmutigung. In allen Bereichen empfiehlt der daher die Anwendung der Ermutigung, ob es sich um Erziehung, Zusammenarbeit oder Lernprozesse handelt.

Das Buch ist in fünf Hauptkapitel gegliedert, plus zwei Kapitel, die als Anhang dienen:

Im 1. Kapitel, Die entmutigende Gesellschaft, zeigt S. auf, wie uns unser gesellschaftliches Umfeld schon als Kind nachhaltig prägt, und in der Regel entmutigend wirkt: „Wir alle lernten … >Ich kann nicht<, >Ich bin nicht gut genug<. Wir verloren den Mut und lernten Angst zu haben.“ (S.17). Die Folgen davon sind Minderwertigkeitsgefühle, die Praxis der üblen Nachrede und Vermeidungstendenzen in den unterschiedlichsten Lebensbereichen.

Die Antwort auf dieses Szenario folgt im 2. Kapitel mit dem Thema Ermutigende Erkenntnisse. Der Mensch muss sich als soziales Wesen begreifen und durch sein Handeln der Gesellschaft dienen. So wird er selber profitieren, besonders in seinen sozialen Lebensaufgaben Arbeit, Liebe, Gemeinschaft, Beziehung zum Kosmos, bzw. Religion und Umgang mit sich selbst. Als entscheidungsfähiges Wesen bestimmen wir selber die Qualität unseres Lebens und tragen die Verantwortung für unser Handeln. Hilfreich ist, wenn wir uns dabei unsere eigenen Ziele vergegenwärtigen. Bei allem bleibt unsere Unvollkommenheit bestehen, die wir aber verstehen müssen und somit Toleranz gegenüber uns selbst üben können. Besonders negative Erfahrungen als Kind blockieren uns oft dabei. Daneben macht S. bei jedem von uns vier Lebensprioritäten aus (Bequemlichkeit, Gefallen wollen, Kontrolle, Überlegenheit), die es zu erkennen gilt, um damit positiv für die Allgemeinheit umzugehen.

Im 3. Kapitel geht es um die Ermutigung selber. Ermutigung ist für S. alles, was dem anderen gut tut. Sie ist für jeden erlernbar und hängt direkt mit unserer eigenen Haltung gegenüber uns selbst zusammen, die positiv sein muss. So wie wir sind, ist gut genug. S. erklärt weiter den Unterschied zwischen Lob und Ermutigung, zeigt die Auswirkungen von Ermutigung und gibt Leitlinien, wie man selbst mutig wird. Daneben erwähnt er eine Beziehung zwischen Ermutigung und Gesundheit und verschweigt auch Schwierigkeiten mit der Ermutigung nicht.

Im 4. Kapitel erklärt S. zehn erstrebenswerte Qualitäten, die man sich als Ermutiger aneignen sollte.

Das 5. Kapitel beschäftigt sich unter dem Titel Wege zur Selbst- und Fremdermutigung vor allen Dingen mit einer nachhaltigen praktischen Umsetzung der Erkenntnisse aus den Kapiteln 1-4.

Kapitel 6 enthält noch zwei Märchen als Beispielgeschichten und in Kapitel 7 wird kurz und knapp das von S. entwickelte Encouraging – Training erklärt.

Beurteilung & Empfehlung

Das Anliegen Ermutigung sprüht aus dem gesamten Buch hervor. S. ist es ein Anliegen, dass seine Erkenntnis in der Praxis umgesetzt wird, um die Gesellschaft positiv zu verändern. Das steckt an. Ich glaube, dass er damit ein vernachlässigtes Thema aufgreift und sein Buch von daher ein sehr wichtiger Beitrag für unser gesellschaftliches Handeln ist.

Die Art, wie das Buch geschrieben ist, empfinde ich teilweise als zu persönlich. Schoenaker wechselt öfters unvermittelt von beschreibenden Erklärungen zur direkten persönlichen, teilweise stark hinterfragenden Anrede des Lesers, in einer Art und Weise an, die sicher nicht jeder mag.

Aus christlicher Sicht enthält das Buch einige bedenkliche Aussagen. Die Grundannahme von S. ist, dass der Mensch so wie er ist, okay ist. Man muss das Gute in einem entdecken und ein positives Selbstkonzept nur noch entwickeln (S.11; S.142f). Dies zieht sich durch das ganze Buch. Nach dem Sündenfall kann ich dieser Aussage nicht zustimmen. Er greift aus den verschiedenen großen Offenbarungsreligionen, wie er sie nennt, die für seine These nützlichen Aussagen heraus und stellt ihr positiven Aussagen nebeneinander (S.145). Dabei betont er immer wieder das eine höchste Gebot (Liebe deinen Nächsten), ohne zu bedenken, dass Jesus dies nur im Zusammenhang mit der Gottesliebe sieht. Als Sinn des Lebens bezeichnet er die Auseinandersetzung und Lösung der auf Adler und Dreikurs zurückgehenden Lebensaufgaben (S.49). Dies empfinde ich als ziemlich verkürzt.

Dennoch ist dieses Buch für Menschen interessant, die eng mit anderen Menschen zusammen arbeiten oder leben. Grundsätzlich ist es auch für Eltern interessant, die Kinder zwischen dem 1-5. Lebensjahr haben, weil sich in dieser Lebensphase die Einstellung des Kindes besonders stark ausbildet. Doch würde man dies auf den ersten Blick nicht vermuten und es gibt da sicher auch interessanter aufgemachte Erziehungsbücher zu. Dies trifft auch auf einige praktische Tipps für Ehepaare zu.

Die Stärke des Buches sehe ich in den praktischen Umsetzungshilfen, die für jeden, der sie anwendet, ein Gewinn sein werden.

[1] 1 Punkt: Buch bietet sehr wenig / 2 Punkte: Buch ist mäßig / 3 Punkte: in einigen Punkten hilfreich / 4 Punkte: sehr hilfreich und sehr anregend / 5 Punkte: hervorragend, weil anregend, hilfreich und inspirierend
[2] vgl.: http://www.rdi-verlag.de/de/ueber_uns.php

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Rezension: Starke Mitarbeiter – Starke Gemeinden

Starke Mitarbeiter - Starke Gemeinden, AhlfeldAhlfeld, Oliver, Starke Mitarbeiter – Starke Gemeinden, Kassel: Born Verlag 2009
Mitarbeiter gewinnen und fördern – als Gemeinde leben und wachsen
3,5 von 5 Punkten

Oliver Ahlfeld ist gelernter Religionslehrer und hat danach Theologie studiert. Er ist seit 2000 im Gemeindeaufbau im Rahmen der landeskirchlichen Gemeinschaft in Parchim/MecPom tätig. Er schreibt dies Buch aus der Praxis für die Praxis. Wichtig ist ihm, wie er in der Einleitung betont, dass es nicht um das „Machen“ geht, sondern um das gemeinsame Leben.

In 20 Kapitel, deren Überschriften schon sehr interessant sind (z.B. Wir haben kein Geld / Bei uns fehlen die Männer / Bei uns sind so viele unmotiviert / …), greift er das Gesamtthema Mitarbeiterförderung auf. Dabei verfolgt er einen positiven Ansatz zur Problemlösung. Nach jedem Kapitel schlägt er konkrete praktische Schritte vor.

Zunächst definiert er in der Einleitung, was er unter Mitarbeiter und Gemeinde versteht. „Starke Mitarbeiter sind Menschen, die sich von Herzen in ihrer Gemeinde einbringen.“ Ihr Wahlspruch lautet: Ich bin Gemeinde (:10). Eine „… starke Gemeinde ist eine Versammlung von Leuten, die das tägliche Leben so leben möchte, wie Jesus es ihnen vorgelebt hat.“ Sie orientiert sich an Jesus.

In den 20 Kapiteln, von denen man jedes auch für sich alleine lesen kann, geht es um folgende Themen:

  • Wir haben zu wenig Mitarbeiter: Wofür braucht man Mitarbeiter – Aufgabenteilung zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern – Die gemeinsame Basis, die Mission – vier Voraussetzungen, um Mitarbeiter zu gewinnen: Identifikation, Kommunikation, Bewusstsein, Aufgabenklärung – Praktische Schritte, um Mitarbeiter zu gewinnen – Was Mitarbeiter brauchen
  • Uns fehlen Junge Erwachsene als Mitarbeiter: Die Chance eines FSJ und die praktische Umsetzung (freiwilligen sozialen Jahres)
  • Wir reden zu wenig miteinander: Kommunikation als Nonplusultra – Die Mündigkeit der Gemeinde
  • Das haben wir schon immer so gemacht: Was mit Veränderungen gemeint ist und wie sie umgesetzt werden können
  • Es gibt bei uns keine Jugendlichen: Wie Jugendliche in die Gemeinde finden – Wie man Jugendliche verabschiedet
  • Unsere Zeit und unsere Kräfte reichen nicht: Organisation und Konzeption – Haben wir weniger Zeit? – Hilfe für Zeitplanung und Kräfte
  • Wir haben kein Geld: Verbesserung der finanziellen Situation – Partnerschaft mit anderen Gemeinden – Zeit und Engagement – Honorare – Kalkuliertes Risiko
  • Alt und Jung sind gegeneinander: Verbindung der Generationen – Dauerfehde? – Ermutigung durch die ältere Generation
  • Gaben oder Aufgaben – ist das hier die Frage?: Vorlieben ernst nehmen, Gaben entfalten
  • Wir werden immer weniger: Umgang mit Rückschritten
  • Alle passen sich zu schnell an: Wie Christen offen bleiben und weiter wachsen
  • Wir haben lauter Pärchen: Umgang mit Beziehungen unter Jugendlichen
  • Jede Woche Langeweile: Gruppen in der Gemeinde: Gruppenveranstaltungen herausfordernd gestalten – Leben mit der Bibel
  • Keine Furcht: Hohle Events und leere Programme: Durch besondere Ereignisse Mitarbeiter fördern und gewinnen: m.E. ein wegweisender Ansatz in der heutigen Zeit
  • Irgendwie sind bei uns alle angeschlagen: Umgang mit wachsenden psychischen Belastungen – m.E. ebenfalls ein brandaktuelles wichtiges Thema
  • Bei uns fehlen die Männer: Wie Männer in die Gemeinden finden und dort bleiben: m.E. greift er hier wieder ein brandaktuelles Thema auf
  • Neue Gesichter fallen uns einfach nicht auf: Lernen, Menschen wahrzunehmen
  • Wir haben keine Beziehungen nach außen: Wie wir mit Nichtchristen leben – Mitbringen, statt einladen – Spezialgebiet Schule
  • Bei uns sind viele unmotiviert: Motivationsschub – Identifikation und Notwendigkeit
  • Wir sind sozial-diakonisch zu wenig aktiv: Diakonisches Handeln leben. M.E. auch wieder hochaktuell und er bricht das ganze auf die leb-bare Ebene: Die Liebe ist die treibende Kraft. Diakonie darf keine Methode sein. Gemeinde, die perfekt sein will, ist perfektionistisch/zu sauber und schließt Schwache aus. „Gelebte Sozialdiakonie hat immer etwa Unmittelbares. Wir haben es hauptsächlich mit Menschen zu tun.“ (173). Sozialdiakonie ist Mission und Ausdruck von Salz und Licht, Kennzeichen der Familie und bildet den Körper von Jesus ab (174f).

Man merkt: Hier schreibt jemand 180 Seiten aus Erfahrung und aus der Praxis. Das macht das Buch so wertvoll.

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Rezension: Wissenschaft als Beruf

Folgendes Buch musste ich im Rahmen einer Fortbildung lesen und beurteilen: Weber, Max 1995, Wissenschaft als Beruf, Stuttgart: Philipp Reclam jun.

1. Die Kerngedanken von Max Weber in seinem Vortrag „Wissenschaft als Beruf“

Wie gestaltet sich die Wissenschaft als Beruf im materiellen Sinne des Wortes?[2] Diese Frage will Max Weber mit seinem Vortrag beantworten. Zunächst vergleicht er die Situation an deutschen Universitäten Anfang des 20. Jahrhunderts, bei denen er ein plutokratisches System[3] ausmacht, mit der US-Amerikanischen Situation, die er bürokratisch organisiert sieht, wenn es um die Laufbahn als Wissenschaftler geht. Er stellt fest, dass sich das deutsche System im Laufe der Zeit amerikanisiert (Weber 1995:6) und sieht darin zwar technische Vorzüge, aber einen „Geist“, der anders ist als die althistorische Atmosphäre der deutschen Universitäten. Er stellt fest, dass nicht mehr zwischen dem Beruf Gelehrter und Lehrer unterschieden wird, sondern immer mehr auf die Hörerzahlen geachtet wird (:10).
Weber macht zunächst deutlich, dass man Wissenschaft als Beruf nur durch enge Spezialisierung ausüben kann. Nur so wird man das „Erlebnis der Wissenschaft“ haben (:11).
Verehrte Anwesende! >Persönlichkeit< auf wissenschaftlichem Gebiet hat nur der, der rein der Sache dient.
Mit diesem Satz leitet Weber den Hauptgedanken seines Vortrages ein (:15). Da wissenschaftliche Arbeit eingespannt in den Ablauf des Fortschritts ist, kann sie niemals endgültig alle Fragen beantworten. Weber konstatiert das Sinnproblem der Wissenschaft (:17). Alle Naturwissenschaften geben uns Antwort auf die Frage: Was sollen wir tun, wenn wir das Leben technisch beherrschen wollen? Ob wir es aber technisch beherrschen sollen und wollen, und ob das letztlich eigentlich Sinn hat: – das lassen sie ganz dahingestellt oder setzen es für ihre Zwecke voraus (:27):
Weber spricht sich daher für eine strenge Trennung von Politik und Wissenschaft, bzw. Religion und Wissenschaft aus. … weil der Prophet und der Demagoge nicht auf das Katheder eines Hörsaals gehören. Wissenschaft ist für Weber in diesem Sinne voraussetzungslos. Sie schafft Klarheit über die verschiedenen Systeme und führt letztlich zum Polytheismus (:32). Der Wissenschaftler versteht seinen Beruf als Lehrer und nicht als Führer. Wenn dem so ist, was leistet denn nun eigentlich die Wissenschaft? (:37) Laut Weber Kenntnisse über die Technik, wie man das Leben und die äußeren Dingen durch Berechnung beherrscht. Weiter lehrt sie Methoden des Denkens. Vor allem aber schafft sie Klarheit über die unterschiedlichen Sichtweisen und Wertvorstellungen. Wir können so, wenn wir unsere Sache verstehen (…), den Einzelnen nötigen, oder wenigstens ihm dabei helfen, sich selbst Rechenschaft zu geben über den letzten Sinn seines eigenen Tuns (:39).
Zum Schluss geht Weber noch auf die Theologie als Wissenschaft ein, die für ihn diesen Status beibehält. Ihre Grundvorrausetzungen liegen aber jenseits dessen, was Wissenschaft ist. Sie enthüllt, dass man als religiös positiver Mensch nicht umhin kommt das Opfer des Intellekts zu vollziehen (:43). Dieses Opfer leistet man gegenüber der Kirche aber es gehört nicht in den Hörsaal. Hier ist schlichte intellektuelle Rechtschaffenheit gefragt.

2. Zusammenfassung des Nachwortes von F. Tenbruck

„Max Webers Vortrag >Wissenschaft als Beruf< wurde nicht für Fachleute geschrieben und behandelt weniger die Wissenschaft als vielmehr die geistige Lage des Menschen in der verwissenschaftlichen Zivilisation.“ (Weber 1995:47). So beginnt Friedrich Tenbrucks Kommentar zu Webers Vortrag. Folglich zeigt er die zeitgeschichtlichen Hintergründe auf, die Webers Publikum 1917 selbstverständlich waren, aber dem heutigen Leser erhellt werden müssen.
Tenbruck entfaltet zunächst das Thema Der Berufsgedanke. Beruf wurde in einem Doppelsinn verstanden. Neben der Verrichtung von Arbeit bedeutete Beruf „… die persönliche Berufung zu einer Aufgabe …, die völlige Hingabe verlangt und dafür Erfüllung verspricht …“ (:50). Auch die Wissenschaft gilt bei Weber als innerer Beruf. Tenbruck nennt dies die Hauptsache von Webers Vortrag. Weber selbst vertritt diesen Standpunkt schon in seinem Erstlingswerk von 1904/1905 Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. Die protestantische Ethik wertet die weltliche Arbeit auf und sieht sie als Dienst für Gott an, freilich mit der Schwäche, dass Arbeit zur Askese führte, was den normalen Genuss anging.
Im Zuge der Entstehung des Kapitalismus nimmt diese Einstellung eine Wende: „… je mehr sich die kapitalistische Wirtschaft entfaltete, desto mehr konnte sie die religiöse Fundierung des Berufsgedankens entbehren, weil nun die rastlose Arbeit zum Zwang des Überlebens wurde.“ (:54). Durch die allgemeine Anerkennung der Wissenschaft füllte sie den Begriff des Berufes neu. „Damit war der Fortschritt der Wissenschaft zur sittlichen Aufgabe der innerweltlichen Erlösung der Menschheit geworden, die Arbeit des Wissenschaftler somit zum Dienst an diesem Werk und die Teilnahme der Bürger am Fortschritt der Erkenntnis der Weg zum eigenen Leben in Klarheit und Wahrheit … So rückte die Wissenschaft zum wichtigsten Beruf auf, den der Wissenschaftler nur erfüllen konnte, wenn er dazu innerlich berufen war. Wissenschaft musste Berufung sein, um ihre Menschheitsaufgabe zu erfüllen.“ (:56).
Neben diesem zeitgeschichtlichen Ansatz zum Beruf führt Tenbruck einen weiteren Aspekt an: Der Glaube an die Wissenschaft. Man erwartete im damaligen Europa durch sie eine Verbesserung der äußeren Daseinsbedingungen und eine verlässliche Weltanschauung. Dies ging so weit, dass man Europa auf dem Weg zu einer Kultur sah, die sich selbst begründen konnte. In Deutschland kam ein weiterer Aspekt hinzu: Die Bildung durch Wissenschaft. Ende des 19. Jahrhunderts wurde dieses Denken unter anderem von Nietzsche und an den französischen Universitäten radikal in Frage gestellt. Es bedarf einer neuen Wissenschaft. Diese muss endlich „… die schuldige Auskunft über den Sinn der Welt und des Lebens geben werden.“ (:63).
Damit leitet Tenbruck den dritten Teil seines Kommentars ein: Der Sinn der Wissenschaft: Weber sieht Wissenschaft nicht als gewöhnlichen Beruf und fordert daher beharrliche Hingabe, die wiederum im Glauben an ihre Bedeutung verwurzelt ist. Hier wird der Kern von Webers Vortrag deutlich: Seine dramatische Skizze der Geschichte der Wissenschaft, die mit Illusionen über deren Sinn aufräumt. Hier zieht er historische Bilanz, um im Anschluss die Frage zu beantworten, wo der Sinn der Wissenschaft nun liegt, wenn sie den Sinn der Welt und des Lebens nicht beantworten kann. Gleichzeitig streift Weber in diesem Zusammenhang das Thema Wertfreiheit der Wissenschaft. Jeder Wissenschaftler als Person muss sich selbst Rechenschaft geben, über den Sinn seines eigenen Tuns. Weber möchte von der Wissenschaft Hilfe für diese Selbstbesinnung. Darin sieht er den letzten Sinn, den sie heute noch beanspruchen kann. Weber lebte dabei in einer Zeit, in der die Wissenschaft begann in einzelne Disziplinen auseinander zu fallen. Durch die Entstehung der empirischen Einzelwissenschaften im 19. Jahrhundert wurde das Denken von einer einzelnen Wissenschaft, auf die sich alle Disziplinen beziehen, um einen sinnvollen Weltzusammenhang herzustellen, aufgeben.
Damit stellt sich für ihn die Frage, wie Wissenschaft unter diesen Vorraussetzungen noch ein individueller Beruf mit Hingabe sein kann. Wissenschaft ist in den Fortschritt eingespannt worden und zwar in den Fortschritt, der nicht zur bleibenden und endgültigen Wahrheit führt, sondern als Dauerbetrieb organisiert ist. Das stellt für Weber die Entzauberung der Welt dar. „Damit ist das eigentliche Problem entfaltet. Welchen Sinn die ins Unendliche laufende Wissenschaft noch haben kann, entscheidet sich an der Rolle, die sie in der Geschichte der Kultur spielt.“ (:71).
Ist es unter diesen Umständen noch lohnenswert, Wissenschaft als Beruf zu sehen?
Da Weber nicht achselzuckend endet, folgt Tenbruck mit dem Absatz Die Bedeutung der Wissenschaft. Weber geht es um Selbstbestimmung und fordert daher, sich selbst Rechenschaft zu geben, über den letzten Sinn seines Handelns. Wissenschaft lehrt uns Tatsachen, die uns dazu zwingen. Sie steht also im Dienst sittlicher Mächte. „Damit schiebt Weber dem Wissenschaftler ein sittliches Gebot zu. Denn zur geforderten Klarheit kann er nur helfen, wenn er sie selbst besitzt.“ (:74). Also wehrt sich Weber gegen zweierlei Arten von Wissenschaftler. Zunächst gegen die Leute, die als „kleine Propheten“ auftreten und die Hörer, die Erlebnisse wollen, weil dann die Wissenschaft nicht mehr wertneutral ist und sie verhindert, das Wissenschaft zur Selbstbestimmung führt. Genauso wehrt er sich gegen die Wissenschaftler, „…die monoton die Werturteilsfreiheit als methodisches Gebot einklagen, ohne zu ahnen, dass daraus das Gebot zur Selbstbestimmung auf die letzten eigenen Werte folgt. Wer das vergisst, besitzt nach Weber nicht den inneren Beruf zur Wissenschaft.“ (:75).
Tenbruck schließt seinen Kommentar zu Webers Vortrag mit einem Blick auf die Wissenschaft in den 90er Jahren. „Offenbar ist die Wissenschaft in den Zustand geraten, wo sie mehr produziert, als sie verarbeiten kann, und dies ihren Hörern und Lesern und der Öffentlichkeit aufbürdet.“ (:76).
Außerdem sieht er heute die Eitelkeit in die Wissenschaft eingebaut, was er in dem Phänomen der Massenmedien sieht. Heutige Studenten können sich diesem Druck von außen nicht entziehen.
Letztlich sieht Tenbruck jeden Studenten und Wissenschaftler in der eigenen Verantwortung. Er schließt seine Betrachtungen über Webers Vortrag mit folgenden Worten ab: „Wer nicht die Kraft aufbringt, dem Betrieb der Wissenschaft doch etwas Eigenes entgegenzustellen, dem wird es schwer fallen, die Wissenschaft als inneren Beruf zu betreiben.“ (:77)

3. Kommentar zum Kommentar von Tenbruck

Der Kommentar von Friedrich Tenbruck zum 1917 gehaltenen Vortrag von Max Weber Wissenschaft als Beruf erhellt die historischen Hintergründe, vor allen Dingen was das Denken in Bezug zur Wissenschaft in dieser Zeit angeht. Daher erschließt sich dem Leser des Kommentars der Vortrag von Weber gerade vom Aspekt der inneren Berufung zum Wissenschaftler konkreter oder sogar neu.
Tenbruck versucht ausgewogen die Sicht Webers zu interpretieren und greift dabei auf andere Werke von Weber zurück. Dies erhellt das Denken Webers und bietet damit dem Leser einen weiteren Verständnisschlüssel.
Tenbruck geht zu Recht nicht auf jedes Detail von Webers Vortrag ein, sondern beschränkt sich auf die vier großen Themen, die seiner Meinung nach das Hauptanliegen Webers darstellen. Diese sind: 1. Der Berufsgedanke; 2. Der Glaube an die Wissenschaft; 3. Der Sinn der Wissenschaft; 4. Die Bedeutung der Wissenschaft.
Damit gelingt Tenbruck ein direkter Zugang zu den wesentlichen Inhalten des Vortrages. Er bringt seine Hauptanliegen auf den Punkt, ohne sich in Einzelheiten zu ergehen.
Der Blick in die heutige Zeit und die damit verbundene Interpretation von Webers Vortrag für die Zeit zum Ende des 20. Jahrhunderts runden den Kommentar ab und zeigen, dass die Kernaussage von Weber nach wie vor gilt: Wer Wissenschaft betreibt, um der Menschheit dienen zu können, braucht eine innere Berufung. Ohne diese Berufung wird man ein Teil im großen, immer schneller werdenden Fluss des Fortschritts und versinkt in der Bedeutungslosigkeit.

4. Persönliche Stellungnahme zu Webers Vortrag

Webers Vortrag macht auf mich in erster Linie einen etwas verwirrenden Eindruck. Beim genaueren Hinsehen erhält er ziemlich viele gute Gedanken, die sich aber teilweise zu widersprechen scheinen. Diese Spannung wird im gesamten Vortrag und auch in Tenbrucks Kommentaren nie ganz aufgelöst. Auch das Gespräch mit anderen Studierenden über den Vortrag brachte sehr unterschiedliche Interpretationen zum Vorschein.
Das wiederum macht den Reiz dieser Lektüre aus. Konkret haben mich folgende Aspekte von Webers Vortrag angesprochen.

  • Wissenschaft ist eine Berufung: Wer Wissenschaftler ist, sollte diese Aufgabe mit Leidenschaft betreiben. Diesen Ansatz halte ich generell für eine gute Einstellung zum eigenen Beruf. Durch die jüngsten Skandale im Bereich der Genforschung, wo offensichtlich Wissenschaftler Forschungen gefälscht haben, um Karriere zu machen, ist diese Mahnung wieder hoch aktuell.
  • Wissenschaft kann die Sinnfrage nicht beantworten und sollte dies auch nicht versuchen: Hier kann ich Weber nur theoretisch zustimmen. Die Frage nach dem Sinn des Lebens und nach der Ethik gehört grundsätzlich nicht in den Bereich der Wissenschaft. Praktisch halte ich aber diesen Ansatz nicht für lebbar. Als Menschen können wir unsere Persönlichkeit und unsere Einstellung nie ganz ausblenden. Manche Erkenntnisse verlangen eine direkte Antwort und die wird oftmals in der Praxis auch gegeben. Vorraussetzungsfreie Wissenschaft bleibt meines Erachtens ein Idealbild, was letztlich nicht erreichbar ist und auch als Christ nicht unbedingt anstrebenswert ist.
    Alle Fragen müssen aus meiner Sicht in Gott münden. Egal ob sie wissenschaftlich oder persönlicher Natur sind. Insofern kann ich Gott und meine Theologie nicht aus der Wissenschaft ausblenden. Natürlich ist dies in einem „weltanschaulich neutralen Staat“ ein schwieriger Spagat. Dennoch bleibt letztlich die Frage ob es weltanschauliche Neutralität überhaupt gibt, oder ob diese Position nicht auch wieder eine Position ist, die nicht neutral ist.

Diese zwei Aspekte sind für mich in Webers Vortrag am eindrücklichsten gewesen und haben mich gedanklich herausgefordert.

Als Lektüre für ein wissenschaftliches Studium halte ich den Vortrag von Weber als sehr geeignet und bin froh, dass ich ihn im Rahmen des Studiums lesen konnte, weil er mich herausgefordert hat komplex zu denken.


[2] Der Begriff Beruf umfasst in der damaligen Zeit die Aspekte persönliche Berufung und Ausübung des Berufes (hier als Wissenschaftler) (siehe Weber 2005: 3).

[3] In einem plutokratischen System sind Ämter in der Regel nur den Besitzenden zugänglich. Aus Artikel Plutokatrie, www.wikipedia.de (22.03.2006)

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Rezension: Lieben, was das Zeug hält

Heinrich, Frank, Lieben was das Zeug hält, Neufeld-Verlag 22010, 4 von 5 Punkten

Lieben was das Zeug hält, Frank HeinrichEin Buch, was mich überrascht hat. Es hat mich persönlich angesprochen und deswegen bringe ich in dieser Rezension viele Zitate.

Frank Heinrich, langjähriger Leiter der Heilsarmee in Chemnitz und jetziger Bundestagsabgeordneter schreibt in 8 Kapiteln, was er über Liebe gelernt hat.
Sein Ansatz dabei: „Ich wollte mich mit nichts weniger zufrieden geben als mit echter Lieber, denn ich wusste, dass es sie gibt.“ (12)

Weil Gott Liebe ist, können wir als seine Nachfolger auch echt lieben. Und diese Liebe drückt sich nach 1Joh 3,18 in Tat und Wahrheit aus. „Wir tragen sein Gen in uns. Deshalb – und nur deshalb – können wir Menschen um uns herum aufrichtig und selbstlos lieben … Gottes Lieben in uns will lieben.“ (30)

Um das zu leben, müssen wir Gott richtig können: „Der Dreischritt lautet: Gott kennen – Gott lieben – Gott dienen. Erst wenn ich begreife, wer Gott ist und wie er wirklich zu mir steht, werde ich die Liebe entwickeln, die es braucht, um ihm so dienen zu können, wie es ihm entspricht.“ (45) „Die Liebe ist dann die oberste Frucht dieses Heiligen Geistes. Ich kann sie nicht selbst produzieren. Ich kann nur die Grundlage aufrechterhalten.“ (46). Und die steht in Joh 15,5.
Richtig spannend wird es in Kapitel 6. Lieben mit Herz und Hirn. Heinrich führt sehr viele Bereiche (Einstellung und Haltungen) auf, „… die um der Liebe Willen reformbedürftig sind.“ (57)

Z.B. die Frage: Wer ist mein Nächster? Wie ist das im 21. Jahrhundert, wo mir das kleine Mädchen in Myanmar durch die Nachrichten viel näher scheint, als mein Nachbar? Heinrich leitet vom Gleichnis des barmherzigen Samariters ab: „Der Nächste ist demnach der nahe Liegende, der in meiner Nähe lebt, der mir begegnet. Und ich werde ihm zum Nächsten durch meine Liebestat, mit der ich ihm begegne.“ (59) „Es sind eher die Menschen in meiner näheren Umgebung, die ich vielleicht erst einmal übersehe.“ (60) Viele Christen spenden für die Nöte der Welt. Das ist gut. Aber wenige sind bereit in ihrem unmittelbaren Umfeld als Nächste aufzutreten. Das ist nicht gut. In unsere Gesellschaft ist Liebe nicht nur „… ein Job für eine Körperschaft, Institution oder einen Verein, sondern der konkrete Einsatz des einen für den anderen.“ (60) „Wir müssen es zulassen, dass unsere Nächsten tatsächlich in unserer Nähe wohnen: Arbeitslose, Ausländer, Aussiedler, alte Menschen, … Alleinstehende, Alleinerziehende, Asylbewerber, Analphabeten, AIDS-Kranke …“ (60)
Weiter müssen wir unseren Blick verändern: Um solchen Menschen zu begegnen, müssen wir Vorurteile abbauen (61f). „Und deswegen ist es so wichtig, dass wir unserem Gegenüber zuerst einmal das Beste unterstellen. Ich nenne das >den roten Teppich der Gunst ausrollen<.“ (62) „Ich halte den roten Teppich der Gunst für unverzichtbar, wenn wir liebevolle Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen wollen. Und manchmal müssen wir auch noch den >roten Teppich der Gnade< dranlegen.“ (64)
Ebenso entscheidend ist es, wie wir mit Wahrheit umgehen. Denn Wahrheit ohne Liebe macht eitel, kritisch, brutal, lieblos … (77). Die Wahrheitsfrage ist daher ein super Trainingsfeld für die Liebe.

Heinrich schlägt schließlich eine Revolution vor: „Bei einer Revolution geht es drunter und drüber. Da ändert sich die Welt schlagartig. Es gelten plötzlich neue, andere Regeln. Ich bin für Revolution in Sachen Liebe. Ich sehne mich danach, dass wir Christen durch gelebte Jesus-Liebe unsere Welt auf den Kopf stellen. Doch Revolution beginnen nie auf der Straße, sondern immer in den Köpfen und Herzen der Menschen. Eine Liebes-Revolution der Christenheit beginnt in den Herzen der Christen.“ (83)
Heinrich geht auch auf die Spannung ein, in der Christen leben: in der Welt, aber nicht von der Welt (92f). „Christen sollen sich deutlich von der Welt, in der sie leben, unterscheiden. Gleichzeitig sind sie hineingesandt mitten in diese Welt. Ein Spagat, der uns ganz schön fordert. Doch das ist unsere Bestimmung, die Jesus selbst uns mitgegeben hat … Es bedeutet permanente Konfrontation und gleichzeitig doch immer auch Arrangement mit der Kultur, in der wir leben. Wir fühlen uns ein in unsere Welt und weigern uns gleichzeitig, in Zeitgeist und Kultur aufzugehen … In Punkto Liebe bedeute das: Wir lieben diese vergängliche Welt nicht und sind gleichzeitig bereit, aus Liebe für die Menschen in dieser Welt alles zu geben.“ (92-93). Vielleicht müssen wir deshalb „… näher an den Rand rücken, näher an die Menschen, die in meinem Umfeld am Rand stehen … Natürlich steigt mit der Nähe das Verletzungsrisiko.“ (95)

„Ich höre Christen, die sich über die Gettoisierung bestimmter Gesellschaftsgruppen beklagen … Wie hat Jesus diese Abgrenzung gelöst? Dadurch, dass er kam. Er sich unter uns gemischt, als wir noch Fremde und Fremdlinge waren. Sein Einsatz hat sich gelohnt … Er setzte sich zu den Menschen, wurde einer von ihnen und gewann ihr Vertrauen. Sie wurden Teil seiner Geschichte, wie er ein Teil der ihren wurde. Genau darum geht es: Teil der Geschichte der anderen werden – besonders derer, die unterdrückt oder ausgegrenzt werden.“ (113-114)

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Rezension: Verhandeln – Sicher, kreativ, erfolgreich

Verhandeln. Sicher, kreativ, erfolgreichSchott, Barbara, Verhandeln – Sicher, kreativ, erfolgreich, Freiburg: Haufe-Lexware 42011
3 von 5 Punkten

Verhandeln muss man öfter mal im Leben. Und es lohnt sich. Und man kann es sogar lernen. In Meetings verhandelt man. Über Arbeitsverträge verhandelt man. Über den Kaufpreis kann man verhandeln. Und sogar in einer Freundschaft kann man verhandeln.

Wie ist das denn in christlichen Kreisen, in denen ich hauptsächlich arbeite? Na klar, als Christ darf man auch verhandeln. Und auch in der Kirche muss manchmal verhandelt werden. Die Frage ist nur, ob man fair oder unfair verhandelt. Als Christ sollte man natürlich nur fair verhandeln. Aber wie?

Der Taschenguide Verhandeln – Sicher, kreativ, erfolgreich, von Barbara Schott, gibt da auf 125 Seiten schnelle und gute Tipps für € 6,90. Klar, so ein kleines Buch kann nur ein schneller Einstieg ins umfangreiche Thema der Verhandlungsführung sein, aber immerhin. Das Buch ist in vier Punkten gegliedert: 1. Warum verhandeln, 2. Die Verhandlung optimal vorbereiten, 3. Effektiv und effizient verhandeln und 4. Was tun, wenn es schwierig wird?

Im 1. Kapitel wird zunächst klar gemacht, dass sich Verhandeln nicht immer lohnt. Es kommt auf den Zeitpunkt und auf die Alternativen an. Wenn dann verhandelt werden muss, sollte man auf die Zwei-Gewinner-Lösung zugehen. Menschen und Probleme sind zu trennen.
Im 2. Kapitel geht es dann um die optimale Vorbereitung einer Verhandlung. Dafür muss man seine eigenen Ziele kennen, prüfen, ob sie realistisch sind und Alternativen ausloten. Verhandelt man für ein Team, müssen sich alle Teammitglieder über das Ziel einig sein. Der Verhandlungsgegenstand muss klar sein. Dann ist auf einen optimalen Rahmen zu achten, die richtige Einladung und schließlich auf eine vernünftige Tagesordnung.
Im 3. Kapitel geht es um das effektive und effiziente Verhandeln. Dazu gehören ganz banale Dinge wie vernünftige Kleidung, ein positiver Beginn und eine gemeinsame Verständigung über die Tagesordnung. Auf die Körpersprache ist zu achten, auf den Tonfall und auf die richtigen Fragen. Man sollte in der Ich-Form sprechen, Killerphrasen vermeiden und gut zuhören. Innerhalb einer Verhandlung muss man dann über die Ziele zu den Positionen kommen. Am Ende gilt es, den Verhandlungserfolg zu sichern. Deshalb ist das Protokoll ganz wichtig. Es folgt ein Exkurs über das Verhandeln am Telefon (S.100f).
Im 4. Kapitel geht es schließlich um die Schwierigkeiten beim Verhandeln. Das ist eigentlich das richtig interessante Kapitel J. Hier werden Themen angeschnitten wie: Den Partner aus der Reserve locken / Einwände in Ziele verwandeln / Wenn Ihr Verhandlungspartner blockiert / Wenn der Partner unfair wird.

Als praktischer Ratschlag am Ende kommt dann: Üben, üben, üben. Und dann kommen ganz praktische Tipps: „Bitten Sie im Supermarkt den Marktleiter, die Musik abzustellen, da Sie sich davon belästigt fühlen.“ „Handeln Sie im Kaufhaus wegen eines minimalen Materialfehlers den Preis für die Ware herunter.“

Tja, dann klappt es. Nee, auch nicht, nach meiner Erfahrung. Aber es hilft. In manchen christlichen Kreisen verursacht das Wort „Verhandlung“ allerdings schon ein Fußnägel aufrollen. Und wenn jemand meint, er sei absolut im Recht, dann hilft auch keine Verhandlung. Und dann ist auch die Frage, ob man verbrannte Erde zurücklässt oder selbstbewusst das Verhandlungsfeld verlässt. Aber das weiß man erst sicher, nachdem man versucht hat, zu verhandeln. Und dafür gibt das Buch wertvolle Tipps.