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Rezension: Entdecken sie ihre Stärken jetzt (StrenghtsFinder)

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StrengthsFinder

Buckingham, Marcus / Clifton, Donald O.,
Entdecken sie ihre Stärken jetzt
Frankfurt a.M.: Campus 3. Auflage 2007, 27€
4 von 5 Punkten

Nach meiner Meinung gibt uns Gott natürliche Begabungen und geistliche Begabungen. Er erschuf unsere Persönlichkeit. Das alles gilt es als Gesamtpaket zu entdecken. Dafür kann dieses säkulare Buch eine Hilfe sein. Dabei klingt vieles sehr logisch, muss aber mit der Lebenspraxis abgeglichen werden. Das Buch lässt natürlich auch den Gedanken der geistlichen, übernatürlichen Begabung außen vor.

Dieses Buch soll dabei helfen, seine Stärken zu entdecken. Zum Buch gehört ein detaillierter Online-Test, der auf Millionen geführter Interviews und Erkenntnisse das Gallup Institutes basiert, genannt StrengthsFinder (SF). Es gliedert sich in drei Hauptteile mit insgesamt 7 Unterkapiteln: 1. Die Anatomie einer Stärke  (Starke Leben/Stärken stärken) 2. Entdecken Sie den Ursprung ihrer Stärken (Der StrengthsFinder/Die 34 Talent-Leitmotive des SF) / 3. Stärken umsetzen (Fragen, die sie beschäftigen/Stärken managen/Aufbau eines Unternehmens, das auf Stärken basiert) + Anhang mit Fachbericht über den SF.
Es geht von der Erkenntnis aus, „dass sich Menschen in ihrem Kern weniger verändern lassen, als wir glauben und verschwenden keine Zeit in dem Versucht, etwas herauszuholen, was die Natur in ihnen nicht vorgesehen hat. Stattdessen erkennen sie, was bereits vorhanden ist und holen das hervor.“ (:12). Es weist auch daraufhin, … „wie das Arbeits- und Aufgabengebiet möglichst auf den zu führenden Menschen und seine Stärken ausgerichtet werden sollte, statt zu versuchen den Menschen in fest definierte Stellenbeschreibungen pressen zu wollen.“ (:12). Unternehmen muss lt. dem Buch klar werden, dass die unterschiedlichen Talente der Menschen als Stärken genutzt werden müssen und die gesamte Organisation um die Stärken jeder einzelnen Person herum aufgebaut wird (:16). Die Thesen lauten: „1. Die Talente jedes einzelnen Menschen sind dauerhaft und einzigartig. 2. Der größte Spielraum liegt bei jedem einzelnen Menschen in den Bereichen ihrer oder seiner größten Stärken.“ (:20). Aus über zwei Millionen Interviews wurden daher 34 Talent-Leitmotive erarbeitet. Durch den Test erfährt jeder seine fünf dominierenden Talent-Leitmotive. Wer sie vergeudet, hat „Sonnenuhren im Schatten“ (lt. B. Fanklin:23).

Im 1. Hauptteil in Kapitel 1 „Starke Leben“ erhält man den Rat: „Schauen Sie in Ihr Inneres, versuchen Sie, Ihre stärksten Charakterzüge zu erkennen, verstärken Sie sie durch die Anwendung in der Praxis und stetiges Lernen, und finden Sie dann eine Aufgabe oder, wie er (Anm. Warren Buffet) es tat, arbeiten Sie für sich eine Aufgabe heraus, die diese Stärken jeden Tag nutzt.“ (:30). Stärke wird wie folgt definiert und erklärt (:33f): „Es ist die beständige, beinahe perfekte Leistung in einer Tätigkeit.“ Folglich: „Zunächst müssen Sie, damit eine Tätigkeit eine Stärke sein kann, in der Lage sein, sie beständig zu leisten. Und dies bedeutet, dass dies ein berechenbarer Teil ihre Leistung ist … Und sie müssen aus dieser Tätigkeit auch eine gewisse innere Befriedigung erlangen … Zweitens brauchen Sie nicht in jedem Aspekt ihrer Rolle eine Stärke aufweisen, um sie ausgezeichnet zu tun … Drittens werden Sie sich nur durch die Maximierung Ihrer Stärken hervortun, niemals durch das Fixieren auf Ihre Schwächen.“ Es gilt Wege zu finden, die Schwächen zu umschiffen, um frei zu werden, die Stärken zu stärken. Bei Schwächen muss man Schadensbegrenzung machen, Stärken müssen genutzt werden. Um das zu leisten, schlagen die Autoren drei „revolutionäre Werkzeuge“ vor (:35f).
Es gilt 1. „… zu verstehen, wie Sie Ihre natürlichen Talente von den Dingen unterscheiden, die Sie lernen können … Die Frage ist nicht, ob Sie sich in diesen Tätigkeiten verbessern können oder nicht. Natürlich können sie es … Die Frage ist, ob Sie beständige, beinahe perfekte Leistungen in diesen Tätigkeiten allein durch die Praxis erreichen können … Um eine Stärke in irgendeiner Tätigkeit auszubilden, sind spezielle natürliche Talente erforderlich.“ Demnach sind Talent also natürliche wiederkehrende Denk-, Gefühls- oder Verhaltensmuster. Wissen besteht aus Erlerntem. Können und Fertigkeiten sind Schritte einer Tätigkeit (vgl.:37). „Diese drei Aspekte, Talente, Wissen und Können, ergeben Ihre Stärken.“ Um diese Stärken aufzubauen, gibt es angebrochenes Talent mit Können und Wissen zu vervollkommnen (:37). Dabei sind „… von diesen drei >Rohmaterialien< die Talente die wichtigsten. Ihre Talente sind angeboren …, während Können und Wissen durch Lernen und Praxisanwendung erworben werden können.“ (:37). „Obwohl es gelegentlich möglich ist, eine Stärke aufzubauen, ohne das erforderliche Wissen und Können zu erwerben, ist es niemals möglich, eine Stärke ohne das erforderliche Talent zu besitzen … Deshalb ist der Schlüssel zum Aufbau einer echten Stärke, Ihre dominierenden Talente zu erkennen und sie dann mit Wissen und Können zu verfeinern.“ (:38).
Das 2. Werkzeug (ab 39f) ist „… ein System zur Erkennung Ihrer dominierenden Talente“. Das ist der SF. Das 3. Werkzeug (ab 40f) ist eine „… gemeinsame Sprache zur Beschreibung Ihrer Talente.“ Lt. Verfasser, eine rudimentäre Angelegenheit. Daher kommen sie auf 34 beschreibende Talent-Leitmotive.
In Kapitel 2 „Stärken stärken“ geht es zunächst um Wissen und Können. Dabei wird zwischen sachlichem Wissen und Erfahrung unterschieden. „Können verleiht dem Wissen, das auf Erfahrung beruht, Struktur.“ (:50). Als Talent wird dann bezeichnet, was als nachhaltiges Denk-, Gefühls- oder Verhaltensmuster mit Wissen und Können kombiniert wird, um produktiv eingesetzt zu werden. Die Talente werden vom Gehirn erschaffen und sind daher dauerhaft. Das wird von 55-62 ausführlich und nachvollziehbar erklärt. „Fertigkeiten bestimmen, ob Sie etwas tun können, während Talente etwas viel Wichtigeres offenbaren: wie gut und wie oft Sie es tun.“ (:63). Ohne Talent kann man zwar trainieren, aber das entzieht Energie und ist immer nur Schadensbegrenzung, nicht Entwicklung. Die Autoren raten daher: „Erkennen Sie Ihre stärksten Talente, verfeinern Sie sie mit Können und Wissen, und Sie befinden sich auf dem besten Wege, ein starkes Leben zu führen.“ (:67).

Jetzt folgt der 2. Hauptteil mit der Erklärung zum SF. „Spontane Reaktionen, Sehnsüchte, schnelles Lernen und Befriedigungen werden Ihnen helfen, die Spuren Ihrer Talente zu entdecken.“ (:80). „Ein Talent für sich alleine ist weder gut noch schlecht. Es ist einfach ein nachhaltiges Muster, das entweder zu einer Stärke kultiviert oder außer Acht gelassen werden kann.“ (:84).
Dann werden in Kapitel 4 die 34 Talent-Leitmotive vorgestellt, immer auch mit Beispielen von realen Personen. Solche Talente sind z.B. Analytisch, Autorität, Höchstleistung, Fokus, Gerechtigkeit, Leistungsorientierung, Arrangeur, Vorstellungskraft, Wiederherstellung … klingt alles „exotisch“, wird aber ausführlich erklärt.
In Kapitel 5 (143-186) geht es dann um Fragen/Themen, die durch den Test aufgeworfen wurden: Hindernisse, um Stärken zu stärken (wider den falschen Ansatz: Schwächen, nicht Stärken verdienen die meiste Aufmerksamkeit) / Angst vor Schwächen (wider Schwächenorientierung) / Angst vor Versagen (pro Verantwortung für Talente aufzugreifen und dadurch Stärken auszubauen, durch Praxis und Lernen: „handeln, lernen, verfeinern, handeln, lernen, verfeinern“ (:150) Essenz der Stärke) / Angst vor dem eigenen Ich / Warum auf Stärken konzentrieren (ab 153f) / Reihenfolge der Talente / Fragen zur Talentbeschreibung / Unterschied zu anderen Menschen mit meinen Talenten (hier: auf die Kombination der Talente achten und sie kombiniert nutzen:159) / Sind manche Talente Gegensätze? / Kann man neue Talente entwickeln? / Besteht die Gefahr der Einseitigkeit? (hier meine Kritik: sehr hochtrabend formuliert auf 165, dass man mit den Talenten das Leben lebt, was man leben sollte) / Umgehen von Schwächen (dazu gibt es 5 Tipps: Werden sie etwas besser in ihrer Schwäche; Entwickeln sie ein Hilfssystem; Setzen sie eines ihrer stärksten Talente ein, um eine Schwäche zu überwinden; Finden sie einen Partner; Hören sie einfach damit auf) / Habe ich den richtigen Beruf ergriffen? (Berufsfeld und Rolle/Funktion).
Kapitel 6 (ab 187) beschäftigt sich mit dem Managen der Stärken. Die jeweiligen Talent-Leitmotive werden jetzt auf die Mitarbeiterführung angewendet.
Dann folgen in Kapitel 7 (ab 223) Tipps zum Aufbau eines Unternehmens, das auf Stärken basiert. Dabei geht es darum, die Gesamtorganisation um die Stärken jedes einzelnen Mitarbeiters herum aufzubauen (:226). Warum man das tun sollte, wird auf 226f erklärt. Dabei gilt es die Stärken herauszufinden, mit einem guten Auswahlsystem (228-249f). Hinzu kommt ein auf die Stärken basierendes System der Karriereförderung (249f). Hier interessant: „Unser großer Irrtum ist zu denken, dass alle menschlichen Wesen dieselbe Art von Prestige anstreben, das Prestige, das in der Macht liegt … Es sollten verschiedene Arten von Prestige verfügbar sein, um die unterschiedlichen sehr guten Leistungen widerzuspiegeln, die das Unternehmen anerkennen möchte …“ (252f). Dazu gehört es verschiedene Leitern zu bauen und auch die Titelstruktur zu ändern.
Ein Fachbericht über den SF rundet das Buch ab.

Hat man das gelesen, ist man erstmal beschäftigt, weil man viel über sich selbst und über das Denken von Unternehmen gelernt hat. Ich habe das Buch für ein Jahr zur Seite gelegt und bin es dann noch mal durchgegangen. Vieles, was vorgeschlagen wird, muss in der Praxis einer Organisation regelrecht inkulturiert werden.
Die eigenen Talente gilt es zu erkennen und sich selbst Wissen zu erwerben und Praxisraum zu schaffen, um die Talente zu leben. Das ist ebenfalls nicht so einfach, aber machbar. Alles in allem ein sehr anregendes Buch.

11.08._Buckingham-Clifton_EntdeckenSieIhreStärkenJetzt-SF

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Rezension: Geistesgegenwärtig führen

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Geistesgegenwärtig führen

Zindel, Daniel, Geistesgegenwärtig führen – Spiritualität und Management
Schwarzenfeld: Neufeld Verlag 2009
4,5 von 5 Punkten / 191 Seiten, 19,90€

Der Schweizer Daniel Zindel schreibt ein Buch über die Leitung von christlichen Organisationen. Als Leiter schreibt er aus der Praxis und für die Praxis. Er will dabei die spirituellen Wege des Führens und die Wege des Managements zusammenbringen. Ich finde, dass ihm das hervorragend gelungen ist.

Das Buch hat drei Hauptteile: 1. Christliche Organisationen verstehen / 2. Die leitende Person in christlichen Organisationen / 3. Christliche Organisationen leiten. Der dritte Teil nimmt mit über 120 Seiten den größten Raum der Ausführungen ein.

Originell finde ich, dass sich durch das Buch eine Bildbetrachtung zieht, über das Bild „Der Engel und der Schuster.“ In diesem Bild wird die gegensätzliche Spannung und gleichzeitige Einheit zwischen Spiritualität und Management treffend ausgedrückt (:15f). „Professionalität und Spiritualität sind Freunde. Du bist im Alltag ganz bei der Sache und zugleich geistesgegenwärtig offen für den Gedankenblitz von oben. Wer an der irdischen Institution baut, traut der göttlichen Inspiration.“ (:16f).

Der erste Teil „Christliche Organisationen verstehen“ beginnt mit dem Kapitel „Drei Arten, eine christliche Organisation zu leiten“. Zindel unterscheidet „…drei Aspekte, unter denen man eine christliche Organisation betrachten kann: den spirituellen, den organischen und den mechanischen Aspekt. Je besser wir die verschiedenen Aspekte unterscheiden – nicht Scheiden! -, desto weniger unheilvolle Vermischungen geschehen, wenn wir unsere Führungsverantwortung in einer Gemeinde oder einem Werk wahrnehmen.“ (:19f) Zindel kommt es also auf die Unterscheidung der drei Aspekte an und weist auf Benedikt von Nursia hin: „In christlichen Organisation führt gut, wer gut unterscheiden kann…. Die Unterscheidungsgabe ist für Benedikt die Mutter aller Tugenden… Wer unterscheiden kann, kann auch entscheiden.“ (:20) Er führt dann die einzelnen Aspekte aus: Die spirituelle Betrachtungsweise meint: Unsere Organisation ist ein Gefäß für den Geist. Die organische Betrachtungsweise meint: Unsere Organisation ist ein Leib. Die mechanische Betrachtungsweise meint: Unsere Organisation ist eine Maschine. Zindel möchte aber nicht, dass ein Aspekt absolut gesetzt wird und warnt z.B. beim spirituellen Aspekt: „Aber es wird dort problematisch wo diese geistliche Grundhaltung absolut gesetzt wird und dabei die anderen Aspekte disqualifiziert werden. Dann wird das Geistliche eine Art Ersatzhaltung, weil wir nicht willens oder fähig sind, Dinge zielführend und ergebnisorientiert anzugehen.“ (:26)

Im 2. Kapitel bringt Zindel die Pyramide Sinn, Gemeinschaft und Leistung. Als christliche Organisationen haben wir eine gewisse Produktionskapazität: „In unserem Miteinander schlummern Durchlässigkeiten für das Wirken Gottes, Fähigkeiten und Know-how der Mitarbeitenden, Kapazitäten also, um in irgendeiner Form tätig zu werden.“ (:37) Wo die Kapazität umgesetzt entsteht ein Produkt oder eine Wirkung, z.B. Bibelkurse, Zeltcamps,… Aufgabe ist es jetzt die Produktionskapazität von der Spitze her (spirituell), mit Hilfe der Gemeinschaft (organisch) und der Leistung (mechanisch) in Produkte umzusetzen. Dafür ist „Sinn“ nötig und „Sinn kann nur empfangen werden…“ (:41), logischerweise von Gott. Er stellt nun fest und fordert Leiter heraus: „Leiten ist die Kunst und die Knochenarbeit, die Balance zwischen Produktionskapazität und Produkt zu halten…. Gibt es ein Rezept für die richtige Balance von Glaube, Leben und Leisten? … Ich erkannte in der >Dosierungsfrage< ein erhebliches Konfliktpotential in der Organisation, die ich leite.“ (:42) „Jeder Organisation muss ganz spezifisch ihr eigenes Maß finden.“ (:44) „Jeder der drei Ebenen der Pyramide soll quantitativ und qualitativ ausgestaltet, durchdacht und geleitet sein… Die drei Ebenen sollen sinnvoll und >stimmig< aufeinander bezogen sein… Die Pyramide mag sich hoch und schmal oder breit und ausladend mit sanfter Neigung präsentieren…“ (:45)

Der zweite Teil „Die leitende Person in christlichen Organisation“, beginnt wieder mit einer Bildbetrachtung des Schusters: „Ohne Erleuchtung von oben her wissen wir nicht, ob wir das Rechte tun oder bloß die falschen Dingen richtig anpacken.“ (:49) Daraus folgt ein Managergebet: „Nicht das Strohfeuer der beruflichen Herausforderung, die mich wie ein Kick motiviert, suche ich. Nicht das betörende Fieber, das mich erfüllt, wenn ein neues Projekt ansteht, sondern deine ewige Glut lasse mich zu dem werden, als den du mich siehst.“ (:51).

Im ersten Kapitel kommt es Zindel auf die Ergebnisorientierung an, die mit der Persönlichkeit des Leitenden kombiniert ist: Management by Vorbild (:55). Glaubwürdigkeit der Führungsperson ist wichtig: „Aus ihrer Glaubwürdigkeit, aus ihrem Sein, und nicht aus bloßem Schein heraus, können sie gut führen… Sie hat private Siegen errungen und ist bereit für öffentliche Siege.“ (:58f). Dabei gilt: „Beichte ist Wiederherstellung unserer Integrität.“ (:60). „Es leuchtet nicht einfach der Glanz unserer moralischen Kompetenz auf, sondern das Licht der Vergebung Jesu glänzt >wie die Sonne, die aufgeht in ihrer Pracht<.“ (:61)

Leitende sind spirituelle Manager, meint Zindel in Kapitel 2. Dabei erlebt jeder Führer eigenes geistliches Wachstum. Vor allen Dingen dann, wenn er an seine Grenzen kommt (vgl:68). Pausen sind wichtig (:69f) und das Wissen, dass man als Person berufen ist (:70f). Daraus ergibt sich unsere Motivation, Lebensvision und Unternehmensvision. „Als Menschen in Verantwortung prägen wir ja auch die Vision unserer Organisation mehr oder weniger intensiv mit. Je mehr unsere persönliche Berufung und unsere Lebensvision in unser Unternehmen einfließen könne, desto wirkungsvoller führen wir, desto mehr natürliche Autorität üben wir aus und desto ungeteilter sind wir bei der Sache.“ (:77)

Es folgt der 3. Teil: Christliche Organisationen leiten. Im ersten Kapitel geht es darum die Unternehmensvision zu erkennen und weiterzutragen. Zunächst stellt Zindel die Wichtigkeit der Unternehmensvision fest. „Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben eines Leiters, einer Leiterin, Mitarbeitenden den Grundauftrag, den eine Organisation hat, immer wieder vor Augen zu malen und in die Herzen zu schreiben. Unsere Kinder sind manchmal unersättlich, wenn es darum geht, sich zu vergewissern, dass wir sie gern haben. Ebenso bedürftig und unersättlich ist eigentlich, ohne dass sie das laut anmeldet, eine Organisation, über ihre Berufung Bescheid zu wissen. (sic) Führungsverantwortliche sind Visionsträgerinnen und Visionsträger.“ (:83) Eine Vision geht aus dem dreifachen Hören hervor: Hören auf die Welt, auf unsere Innerstes und auf Gott (vgl.: 84f). Zindel zitiert Simone Weil: „>Man muss sich mit dem Ewigen beschäftigen, um stets modern zu sein.< Wo wir nur in die Zeit hineinhorchen, entstehen Aufträge, die bloß vom Zeitgeist geprägt sind. Das verwechseln wir leicht Trends oder Traditionen (!) mit dem Treiben des Geistes.“ (:87) Ebenso kann Prophetie ein Schlüssel für die Vision sein, die er als Management zweiter Ordnung bezeichnet (Erste Ordnung: gesunder Menschenverstand). Für ihn lautet der Schluss eines eindrücklichen Gebetes: „Wir wissen nicht, was wir tun sollen, aber auf dich sind unsere Augen gerichtet.“ (2Chr 20,22). „Um zu Lösungen zweiter Ordnung zu kommen, muss der vertraute Rahmen verlassen werden…“ (:90) Er verweist in diesem Zusammenhang wieder auf Benedikt. „Der Rat der Schwestern und Brüder ist ein Kreativraum, wo sich neue Visionen und Aufträge heraus zu kristallisieren beginnen.“ (:92) Es kann auch sein, dass ein Leiter eine Vision anpassen oder verändern muss. „Meist treten wir in die Verantwortung für eine Aufgabe, die andere begonnen haben und die wir, Kontinuität wahrend oder bewusst einen Neuanfang markierend, weiterführen… Je älter eine Gemeinde, eine Bewegung oder ein Werk ist, desto selbstverständlicher und weniger diskutierbar scheint der Auftrag… Sie sind nicht unbedingt aus dem Herzen der derzeit Mitarbeitenden entsprungen… In solchen Fällen muss um ein Aufflammen eines neuen, inneren Feuers gerungen werden“ (:96) „Traditionen sind wie Laternenpfähle; sie beleuchten den Weg, aber nur Betrunkene halten sich daran fest.“ (:97) Eine Vision darf aber nie durchgedrückt werden. Um dies zu illustrieren gibt er einen ersten „Verführerischen Ratschlag“ (:99f).

Das 2. Kapitel widmet sich dem Thema Menschen ganzheitlich zu führen. Wir begegnen dem anderen als Arbeitskraft, Mensch und Schwester/Bruder, egal ob hauptberuflich oder ehrenamtlich. Es geht Zindel um die fachliche Förderung, die persönliche Förderung, geistliche Konfliktlösung (hier bezeichnete er Konflikte als bevorstehenden Wachstumsschritt: 110) und die geistliche Förderung: „Nicht nur das Betriebsklima, auch das geistliche Klima ist Chefsache. Von dieser Last kann man sich nicht entbinden.“ (:115) Weil es viele Ansätze zum geistlichen Leben gibt, rät Zindel, dass sich eine Gemeinschaft Klarheit über Erwartungen verschafft, sich über die Form und das Maß verständigt und die Zielsetzung festlegt. Der Leiter hat die Verantwortung zur Umsetzung. Zindel rät: „Macht lieber weniger, aber macht es verbindlich…“ (:117). Weiter dient das Mitarbeitergespräch zur ganzheitlichen Führung. Hier geht Zindel von der jeweiligen Stellenbeschreibung aus und rät dazu nur in Ausnahmen auch Seelsorger für seine Mitarbeiter zu sein.

In Kapitel 3 geht es darum, dass für Ziele gesorgt wird. >Führen mit Zielen.< Die Ziele leiten sich von der Vision ab. „Man kann Ziele nach zeitlichen Kriterien unterteilen (lang-, mittel-, kurzfristige Ziele), man mag sie nach dem Grad ihrer Reichweite abstufen (Gesamtziele, Bereichsziele, persönliche Ziele),… entscheiden ist, dass durch Zielsetzungen auf allen Ebenen Ergebnisorientierung, Bewegung und Veränderung angekurbelt wird.“ (:127) Gemeinsame Zielsetzung ist dabei wichtig. Dabei sind Zielkonflikte zu erkennen. Es ist auf die richtige Umsetzungszeit zu achten: „Wir können nämlich auch ein zu forsches Tempo anschlagen, wenn wir die Grenzen der Schnelligkeit übersehen und nicht merken, dass das Zwischenmenschliche und Geistliche anderen Tempi unterliegt als das rein Technische… Das Gras wächst nicht, wenn du daran ziehst.“ (:133). „Meistens agieren wir aus Ängsten heraus, wenn wir zu früh oder zu spät handeln… Liebe erfordert Rücksicht auf das Tempo des anderen. Führungsverantwortliche sind Tempomacher nach dem Herzschlag Gottes.“ (:135)

Für Strukturen sorgen und organisieren (Kapitel 4): „Man kann nicht nicht strukturiert sein. Man hat eine Ordnung oder eine >Sauordnung<, meistens etwas dazwischen.“ (:140) Strukturen müssen prozess-, auftrags- und personenbezogen sein. „Grundsätzlich stellt sich die Strukturfrage immer dann, wenn eine Arbeit wächst und sich personell und finanziell ausweitet, aber auch wenn sie schrumpft und sich verkleinert oder sich das Umfeld markant ändert.“ (:141) Alarmzeichen für schlechte Strukturen sind für Zindel: Vermehrung der Führungsebenen / ständiges Reden über bereichsübergreifendes Arbeiten / viele Sitzungen mit vielen Leuten. Als Vorbild für gute Strukturen führt er Moses Schwiegervater und die Umstrukturierung der Urgemeinde an. Strukturen sind auch für Gemeinschaft und Spiritualität zu legen. „Wenn wir aber die Bereiche der Gemeinschaft und Spiritualität wirklich ernst nehmen,… müssen wir auch dort hilfreiche Strukturen und Regelungen bereitstellen.“ (:145) „Hältst du die Ordnung ein, hält sie dich.“ (:146) Zindel wendet sich gegen das Ausspielen von Strukturen und dem Wirken des Geistes: „Der Heilige Geist tritt nicht als Zwilling der Unordnung auf, sondern des Friedens.“ (:146). Schließlich braucht es auch Entscheidungsstrukturen.

In Kapitel 5 geht es um die Sorge für Ressourcen. Geld, Arbeitsinstrumente, Fertigkeiten und Know-how. „Leitende haben die Aufgabe, ihre Organisation mit den nötigen Ressourcen zu versorgen, damit der Auftrag gut erfüllt werden kann… Manchmal sollen wir geben, was wir nicht selber haben.“ Das ist dann besonders spannend und hier ist Gottvertrauen nötig. Auch die Ressource Mensch ist wichtig. „Für mich ist das Gebet gerade in Bezug auf die Besetzung von Stellen und die Vergabe von Aufgaben zentral.“ (:157) In Bezug auf Finanzen führt er verschiedene Organisationsformen auf: >geldlose< Organisation, >reine< Glaubenswerk, von Gaben lebende Organisation mit Unterstützungskreis, die von Mitgliederbeiträgen lebende Organisation, Organisation als Profitunternehmer, von der öffentlichen Hand subventionierten Organisation, Mischtypen. Für Zindel ist jede Form korrekt. Im verführerischen Ratschlag 5 nimmt er das Nichtplanen von Ressourcen und Budgets auf die Schippe.

Kapitel 6 widmet sich dem Kommunizieren. „Man kann nicht nicht kommunizieren, wir reden immer, auch durch unser Schweigen.“ (:170) Bei der Kommunikation spielt die Sach-, Beziehungsebene und Glaubensebene eine Rolle. „Jeder hat Hol- und Bringschulden von Informationen.“ (:170) „Unser gemeinsames Eintauchen in die Ruhe Gottes zwingt uns, wenn wir ehrlich und transparent sein wollen, unseren Groll, unsere Enttäuschung oder die Verletzung loszulassen, abzugeben und zu vergeben.“ (:171) Es muss reichlich, relevant und rein kommuniziert werden. Zindel zeigt die fatale Beziehungsabbruchfalle auf (vgl. 173f). Und er hat für sich die Regel aufgestellt: „Substanz geht vor Inszenierung… Das Mitteilen dessen, was man Gutes tut, ist ein Nebenaspekt unseres Auftrages.“ (:175)

Schließlich widmet er sich in Kapitel 7 dem Entscheiden. „An Entscheidungen werden Leitende entweder zu Prinzen oder Fröschen.“ (:178). Das Problem mit Entscheidungen ist das Risiko der Fehlentscheidung. Zindel rät zu vier Fragen, vor einer Entscheidung: 1.Was genau ist das Problem? / 2. Was wäre richtig? / 3. Welche Alternativen haben wir? / 4. Verpassen wir mit unserer Entscheidung den Himmel? Bei der Problemfeststellung geht es um die Frage ob es ein Einzelfall oder ein Grundsatzproblem ist. Hier rät er immer die drei Ebenen der Pyramide im Auge zu haben. Bei der Frage nach der Richtigkeit entwickelt man eine finale Sicht der Dinge. Da jede Entscheidung auch Alternativen hat, gilt es sie sorgsam zu analysieren. Dann ist zu fragen, ob wir oberhalb oder unterhalb der Wasserline des Bootes bohren. Es folgt der Moment des Entscheidens: „Das Zusammenspiel der göttlichen Theonomie, bei der man sich ganz auf Gottes Souveränität verlässt, und der menschlichen Autonomie, kraft derer wir uns unwiderruflich festlegen und mutig zupacken, wird uns im Akt der Entscheidung besonders deutlich.“ (:183) Jede Entscheidung ist letztlich loszulassen und an Gott zu übergeben. Entscheidungen müssen dann umgesetzt und kommuniziert werden: getroffen, protokolliert und verkündet.

Im Schlusswort finden sich noch zwei gute Zitate: „Geistesgegenwärtig Leitende nehmen wach die Außenwelt, die eigene Innerlichkeit und die geistlichen Impulse von oben her wahr.“ (:190) „Nachdem wir uns als Leitende verausgabt – und oft außerhalb von uns selbst >gemanagt< haben, sind wir eingeladen, uns in unserer Mitte zu sammeln, dort, wo uns der große König begegnet.“ (:191)

Fazit: Dieses Buch ist wirklich tiefgehend und sehr umfassend. Es ist europäisch, praktisch, biblisch fundiert. Es ist auf jeden Fall eines der besten Bücher über Leitung, dass ich bis jetzt gelesen habe. Der dreifache Ansatz im ersten Teil trifft einfach den Nagel von auf den Kopf. Der zweite Teil führt den Leiter persönlich in die Tiefe. Der dritte Teil ist absolut praxisbezogen. Es hat mich so fasziniert, dass die Rezension sehr gründlich ausgefallen ist.

12.09._Zindel_geistesgegenwärtig_führen

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Rezension: Pubertät – loslassen und halt geben

Jan-Uwe Rogge, PubertätRogge, Jan-Uwe
Pubertät – loslassen und haltgeben
Rowohlt 7. Auflage 2013
4 von 5 Punkten

Ein Bestseller. Erste Auflage von 1998. Rogge ist Jg. 1947, vh, hat einen Sohn und arbeitet als Familien und Kommunikationsberater. Rogge merkt man Ahnung und Erfahrung an. Was ich sehr gut finde ist, dass sein Buch eine Grundgelassenheit ausstrahlt und auch als Nachschlagewerk benutzt werden kann, wenn man sich über das Inhaltverzeichnis für sich wichtige Themen raussucht. Man kann auch nur die Zusammenfassung am Schluss lesen. Im Folgenden habe ich nur Dinge aufgeschrieben, die ich (aktuell) wichtig für mich finde. Es ist also keine klassische Rezension oder Zusammenfassung.

Die drei Grundgedanken des Buches werden im Vorwort genannt:

  • „Erziehung hat aber mit Beziehung zu tun, mit beharrlicher, nicht immer harmonischer Beziehungsarbeit. Wer sich aus der Erziehung zurückzieht, zieht sich aus der Beziehung zurück, lässt Jugendliche allein.“ (:25)
  • Es „… ist wichtig, im Gespräch zu bleiben, Normen und Werte zu vermitteln. Nur in der Reibung, nur im Abarbeiten an vorgelebten Modellen kann der Pubertierende diese prüfen und übernehmen.“ (:25)
  • „Nicht allein der Heranwachsende durchlebt die Phase der Pubertät. Dies gilt gleichermaßen für Väter und Mütter. Auch sie erleben körperliche Veränderung. Das Familienleben >pubertiert<.“ (:26)

1. Nicht nur die Kinder kommen in die Pubertät
Eltern erleben ihre zweite Pubertät / Die Herausforderung der Väter: Heranwachsende schätzen an ihren Vätern die spielerischen, sportlichen, vor allem außerhäuslichen Unternehmungen, das Austauschen über zukünftige Fragen und die in der Regel vorhandene etwas größere zeitlich-emotionale Distanz. (:47) / Wie Kinder sich zu Erwachsenen entwickeln (52f): Sie sind Deuter und Architekten ihrer Lebenswelt. Eltern haben die Individualität unbedingt zu respektieren und sollten Vergleichen lassen. Ehe Venus und Apoll sich entwickeln gibt es Stadien, die keinem Schönheitsideal entsprechen. Die Menstruation ist ein Ereignis, dass keine Entsprechung im Pubertätsverlauf von Jungen findet. Auch bei Jungen kann es zu einer Vergrößerung der Brustdrüsen kommen, die fälschlicherweise als Verweiblichung interpretiert wird. Die Umgestaltung des Körpers kommt einer zweiten Geburt gleich und das kostet Kraft und Energie und kann zu Leistungsabfällen in anderen Bereichen führen. Sie haben ein eigenes Tempo, um sich zu entwickeln. Jedes Kind hat seinen eigenen Fahrplan. Halten sie sich als Gesprächspartner zur Verfügung. Normalisieren statt dramatisieren, also Infos über die Pubertät und ihren Verlauf geben. Es kann auch zu kleinkindhaften Kuschelbedürfnissen kommen. Herabsetzung und Ablehnung der Eltern gelingen nur dann, wenn das Urvertrauen vorhanden ist, der Spielraum und Anspannung zulässt. Kontakt zu Gleichaltrigen wird super wichtig. Bestimmte Themen werden sobald Freunde auftreten, aus der Eltern-Kind-Kommunikation ausgeklammert. Gelassenheit bei Freundschaften, aber nicht unbedingt Gewährenlassen. Nur im Gefühl von Schutz und Geborgenheit können Kinder das Elternhaus loslassen. Die Phase der P ist wie die eines jungen Hummers, der sich in seine Höhle zurückzieht und seinen Panzer ausbildet. Es stinkt, es ist dunkel, der Hummer ist nicht ansprechbar,… aber eines Tages kommt er als junger starker Hummer heraus, mit neuem Mantel. Elternmeinung wird dann gesucht, wenn Eltern nach dem Grundsatz handeln: „Hilf mir, aber zeig mir nicht, dass du hilfst.“ Annahme, Ermutigung, Übertragung von Verantwortung, Stärkung des Selbstbewusstseins, Gesprächsbereitschaft, Nichtvergleich helfen. / Körperbewußtsein, Selbstvertrauen und Sexualität: Normalisieren ist das Gebot der Stunde und befriedigt den Wissensdurst. Sachfragen sind Beziehungsfragen. Heranwachsende vergleichen sich ständig anatomisch. Je weniger Mädchen auf die erste Periode vorbereitet sind, desto problematischer wirkt sich das aufs Körperbewußtsein und Gefühle aus. Es muss auch die Frage der Verhütung besprochen werden. Ebenso soll der Junge auf den ersten Samenerguss vorbereitet werden, damit er damit auch keine negativen Gefühle verbindet. Sexualität soll als positive Lebenserfahrung vermittelt werden, genauso wie das Wissen über die Sexualorgane und ihre Funktionen (Exkurs zur Hirnforschung: 98f.). Wenn Jugendliche verknallt sind und ihr Verstand im Eimer ist, dann gilt es noch mal mit Sexualerziehung anzufangen. Immer wieder muss über Verhütung gesprochen werden. Schamerziehung stellt einen zentralen Aspekt in der Sexualerziehung dar. Dabei kommt es auf die Balance an.

2. Pubertierende wollen Erziehung, Pubertierende brauchen Orientierung
Vom Mut zur Gelassenheit und vom Mut zu Fehlern: „Nicht eine einzelne problematische Erziehungsmaßnahme wirkt sich für alle Zeit schädigend aus, aber erzieherische Einflüsse, die auf Dauer und gleichbleibend kindliche Bedürfnisse verkennen und missachten, gar unterdrücken, sind entwicklungshemmend und traumatisieren.“ (:122) Fehler müssen als Chance begriffen werden. Fehler kann man nicht vermeiden. Perfektionismus ist fehl am Platz: man kann Heranwachsende nicht beliebig formen. Besser eine Schnecke begleiten, als ihr Flügel anzukleben. Wenn das Kind sich zurückziehen will, dann darf es das. „Erst im Wissen um den sicheren Hafen, den man bei Sturm und Unwetter jederzeit anlaufen kann, können Pubertierende den Hafen verlassen, um den unbekannten Ozean zu erkunden.“ Man darf sich auch an den eigenen Eltern bei der Erziehung orientieren: „Wer alles anders machen will, beraubt sich seiner Wurzeln, bricht mit positiven Traditionen.“ (:135) Aber: „Es (sic!) anders zu machen … ist dort unabdingbar, wo sie als Erniedrigung und Zurichtung empfunden wurden.“ (:135) „Die Alltagssituationen selber frustrieren weniger als die Meinungen und die Einstellungen, mit denen man viele Erziehungssituationen bewertet. Eltern und Pädagogen konstruieren ihre eigene Erziehungswirklichkeit, indem sie sie positiv oder negativ deuten.“ (:136) „Falsch ist aber nur dann etwas, wenn man weiß, was richtig ist.“ (:137) / Halt geben und Beziehung herstellen: „Wer sich aus der Erziehung zurückzieht, zieht sich, zumindest in der subjektiven Einschätzung Heranwachsender, auch aus der Beziehung zurück.“ (:139) „Grenzüberschreitende Aktionen sind deshalb nicht selten Hilferufe, mit denen nach Beziehung und persönlicher, gelebter Autorität geradezu geschrien wird.“ (:140). „Sich auf jemanden zu verlassen heißt aber auch, ihn zu lassen.“ (:147) / Jugendliche brauchen Grenzen: Jugendliche testen Grenzen. Die Räume hinter den Grenzen interessieren Heranwachsende. Grenzen müssen eingehalten werden, sonst hat das Konsequenzen. „Die Konsequenz baut darauf auf, dass Kinder an der Beseitigung von Störungen mitarbeiten wollen.“ (:166) Hier hilft es die natürliche oder logische Folge von Handlungen ablaufen zu lassen. Das entschärft Konfliktsituationen. Grenzverletzungen müssen Folgen haben. Aber es bringt nichts an Konsequenzen festzuhalten, die nicht funktionieren. Grenzüberschreitungen zeigen aber vielleicht auch, dass bisherigen Regeln nicht mehr passen und erweitert werden müssen. Gerade in der Pubertät kommt es daher zu ständigen Neuabsprachen. Beim Konflikt muss überlegt werden, ob es ein Beziehungskonflikt oder Sachkonflikt ist. Beziehungskonflikte können nur durch das Erkennen des Sinns der Störung behoben werden.

3. Klassische Konflikte im Familienalltag
Miteinander reden – Miteinander streiten: >Tue mehr von dem, was funktioniert<, also hier im Sinne von guten Streitlösungen zu verstehen. Bei ständigem Streit kann man sich der „Wunderfrage“ (:216) stellen: Was wäre beim anderen anders, wenn ein Wunder geschehen würde? Woran würdest du das merken? Woran würde der andere es bei dir merken? / Fernsehen und Computer, Handy und Internet: „Ich bin gerade gestresst. Ich möchte dass du die Musik leiser stellst!“ Das ist eine bessere Aussage, als über die Musik herzuziehen. Wenn Inhalte von Serien und Spielen nicht gefallen, dann: „Formulieren sie ihre Kritik in Ich-Botschaften! Vermeiden sie Moralpredigten und besserwisserische Belehrungen! Vermeiden sie Verbote! Wecken sie Einsicht! Verbote führen zu Heimlichkeiten, Einsicht dazu, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.“ (:243) / Konsumwünsche und Selbstbedienungsmentalität: „Häusliches Zusammenleben funktioniert nicht auf der Grundlage von Bestechung, weil so der Wunsch nach immer mehr, nach dauernder Belohnung entsteht.“ (:247) „Das Gefühl von Zugehörigkeit entwickelt sich über aktives Mithandeln.“ / Schule und die leidigen Hausaufgaben: Hausaufgaben müssen wie ein Ritual eingeführt sein. „Die ideale Zeit für die Hausaufgaben, darüber sind sich viele Experten einig, liegt zwischen 16 und 17 Uhr. Und ein weiterer Punkt ist unstrittig: Nach der Schule, nach dem Mittagessen brauchen Kinder Entspannung, Zeit zum Spielen, zur Bewegung…. Der feste Beginn gehört genauso zur Absprache, wie deren Länge, der vorgesehene Ablauf sowie das Ende.“ (:260). Das Kind entwickelt ein Zeitgefühl für die „doofen“ Aufgaben und weiß, dass sie auch vorübergehen. 9-11Jahre: 1h, mit Pause dazwischen. Aufgaben vom Kind am Anfang erklären lassen und am Ende kontrollieren. Nicht begleiten. Hilfe zur Selbsthilfe geben. Bei der Ergebnisskontrolle mehr auf das achten, was das Kind richtig gemacht hat und das loben. Dann die Fehler aufzeigen. Weitere Tipps siehe im Buch von 253-265. / Der Start ins Berufsleben

4. Pubertät und ihre Risiken
Neuronen und Hormone – das Gehirn verändert sich: Das Gehirn wird wie ein Kaufhaus umgebaut, bei dem alles außer die Stützpfeiler abgerissen wird, um es dann komplett neu zu strukturieren. Aber dabei geht der Verkauf trotzt Umbau weiter. Beim Umbau werden Ressourcen benötigt. Das führt zu Vergesslichkeit und Gleichgültigkeit. Jugendliche brauchen dann einen starken Kick um sich zu fühlen. Geistige und motorische Aktivitäten sind wichtiger denn je, um die >Umbauarbeiten< zu unterstützen. Tipp für Eltern: Sich in Gedanken ein Schild um den Hals des Jugendlichen vorstellen: „Das Leben geht trotz Umbaus weiter! Für etwaige Unannehmlichkeiten bitte ich um Verständnis!“ (:275) / Autoaggression und Zerstörung als Hilferuf: „Auch das betrunkene Kind bleibt das eigene Kind und möchte von den Eltern vor allem dann angenommen sein, wenn es Grenzen überschritten hat.“ (:301) / Schule, Aggression und Gewalt: Erziehung ist Vorbild und Liebe. / Gewalt, Medien und die Faszination des Computers

Nachgedanken (325f)
„Ablösung meint nicht Auflösung der Eltern-Kind-Beziehung. Ablösung bedeutet vielmehr eine Umgestaltung dieser Beziehung. Man geht anders aufeinander zu, stellt eine neue Verbundenheit her. Sich voneinander zu lösen und gleichzeitig verbunden zu fühlen sind zwei Dinge, die zusammengehören … Eine Ablösung gelingt Heranwachsenden ausschließlich vor dem Hintergrund einer gefühlsmäßig stabilen Beziehung zu den Eltern. Eine elterliche, wechselseitige und partnerschaftliche Beziehung bietet Jugendlichen die Grundlagen, um selbstständig zu werden, Verantwortung für sich zu übernehmen und um sich selbst zu finden.“ (:325f)
Aus der Elternschaft befreit zu sein bedeutet nicht die Aufgabe der Eltern-Rolle. Unterstützung und Beratung sind eine lebenslange Aufgabe.
„Versuchen sie nicht, im Nachhinein etwas gutzumachen, was sie versäumt haben. Gehen sie offen mit ihren Schuldgefühlen um! Sprechen sie das an, denn Kinder können vergeben. Halten sie die Balance zwischen Vertrauen in den jungen Erwachsenen und einem unaufgeregten, unaufdringlichen Interesse an ihren Kindern, das zeigt: Ich bin da, wenn du mich brauchst!“ (:333)

Kurz und Bündig (336f)
Gut noch mal alles Wichtige gebündelt.
„Je normaler, je natürlicher die Menarche erfahren wird, umso selbstbewusster, umso gestärkter macht sich ein Mädchen auf den Weg in die Welt, in das Leben einer selbstbewussten und autonomen Frau.“ (:336)
„Je positiver ein Pubertierender seinen Körper erlebt, je mehr er sich in ihm zu Hause fühlt, umso angenehmer wird er den ersten Samenerguss erfahren, auch wenn er durchaus ambivalente Gefühle hinterlässt.“ (:337)
Sexualerziehung ist Werteerziehung
„Selbstdisziplin erwirbt man durch Freiheit. Und Selbstdisziplin heißt: Heranwachsende nicht >gut< zu machen, sondern dass sie sich wünschen, >gut< zu sein. Dazu bedarf es festgelegter/vereinbarter Regeln, Rituale und Grenzen, die sich am Alter… orientieren, die Erziehung als Begleitung ins Leben verstehen, …“ (:341)
Bei Stimmungsschwankungen ist elterliche Gelassenheit das Gebot der Stunde, die aber nicht Gleichgültigkeit und Gewährenlassen meint. Das Verhalten des Kindes ist nicht ein Ausdruck von Erziehungsfehlern, sondern einer Entwicklungsphase, die vorübergeht.“

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Kirche/Gemeinde Leitung Mitarbeiterführung Rezensionen

Rezension: Selig sind die Friedensstifter

SAMSUNG DIGITAL CAMERAStockmayer, Johannes, Selig sind die Friedensstifter – Konflikttraining für christliche Führungskräfte
Verlag für Kultur und Wissenschaft, Bonn 2004
3,5 von 5 Punkten

Konflikte gibt es überall. Auch in der Kirche. Die Frage ist nur, wie man sie löst. Johannes Stockmayer hat dazu ein ganzes Buch geschrieben, was in der edition acf herausgegeben wurde und 159 Seiten umfasst.

Mit 17 € ist es relativ teuer, besonders wenn man die Qualität des Einbandes bemerkt. Der Inhalt wäre es eigentlich wert gewesen, besser präsentiert zu werden.
Außerdem finde ich das Buch sehr unübersichtlich gegliedert. Das Inhaltsverzeichnis wirkt ungeordnet. Dann ist die Idee über 40 gezielte Fragen, die als eine Art zweites Inhaltsverzeichnis aufgeführt sind, zu einzelnen Inhalten zu kommen. Ein interessanter Ansatz, der mir aber nicht entspricht.

Ich beschränke mich in meiner Rezension auf einen kurzen Überblick und bringe dann einige mir wichtig erscheinende Zitate.
Zunächst geht es Stockmayer um ein positives Konfliktverständnis (:14f). Für ihn sind Konflikte immer Leitersache (:18f). Er geht auf die Konfliktquellen und die Konfliktsteuerung ein, auf Möglichkeiten der Konfliktklärung, die Rolle des Leiters im Konflikt (:62), Auswirkungen eines Konfliktes, Bewertung von Konflikten, Problemlösungen, … und bringt schließlich acht Arbeitsblätter (z.B. Arbeitsblätter zur Konfliktdiagnose, Übersicht über Konflikte, … im Inhaltsverzeichnis steht leider nur Arbeitsblatt 1-8) bevor er sich zum Schluss noch den Fragen widmet, wie man mit Gerüchten umgeht und ob ein Christ vor Gericht ziehen darf.
Stockmayer geht es vor allen Dingen um die Konflikte, die auf der Beziehungsebene Probleme bereiten. Und davon gibt es ja sehr viele. Nach meiner Erfahrung gibt es aber eben auch Konflikte, die deutlich auf der Sachebene sind und nicht gelöst werden können, weil zu starke Grundüberzeugungen aufeinanderprallen. Manche Dogmatik trennt eben, auch wenn man den anderen gut leiden kann. Dieser Aspekt wird mir zu wenig thematisiert.
Sehr gut finde ich die Einteilung von Konflikten in Kategorien ab Seite 82f (siehe auch fettgedruckte Zitate unten) und den Umgang mit den unterschiedlichen Kategorien. Hier hat das Buch seine große Stärke. Und die Tools zur Konfliktlösung sind auch sehr hilfreich.
Also alles sehr wichtige Themen, die aber irgendwie durch die Aufmachung langweilig rüberkommen.

Ich habe mich also durchs Buch bemüht, den Inhalt schätzen gelernt und finde folgende Zitate bemerkenswert oder diskussionswürdig:

  • „Das Recht wird erstritten, der Frieden jedoch gestiftet.“ (:9)
  • „Unsere Erfahrungen prägen unsere Grundeinstellungen gegenüber Konflikten.“ (:16)
  • „Konflikte sind generell und immer eine Angelegenheit der Leitung.“ (:18)
  • „Ein Konflikt hat selten dort seine Ursache, wo er auftritt. Oft bringt nur der letzte Tropfen das Fass zum Überlaufen. Diese finale Kleinigkeit wird oft als Konfliktursache gesehen. Das ist falsch.“ (:29)
  • „In Konflikten sind immer Wertvorstellung mit im Spiel: Konflikte hinterfragen die bisherigen Werte und stellen sie auf die Probe. Durch Konflikte werden neue Werte gebildet.“ (:33)
  • „Aus den beiden Gegnern sollen gemeinsam Problemlöser werden.“ (:38)
  • „Je früher man ein Problem angeht, desto größer ist der Handlungsspielraum.“ (:39)
  • „Wenn sich der Streit ausschließlich auf die Beziehungsebene verlagert, sollte er versachlicht werden. Wenn er sich vor allem auf der Sachebenen abspielt, muss der persönliche Bereich angesprochen werden.“ (:43)
  • „Lässt sich eine Sach-Auseinandersetzung nicht lösen, weist das auf den eigentlichen Konfliktgrund auf der Beziehungsebene hin.“ (:45)
  • „Je tiefer wir in den Untergrund eines Konfliktes vorstoßen, desto heikler und persönlicher wird die Angelegenheit.“ (:53)
  • „Führungskräfte sind die offiziellen Vertreter des Systems – mehr noch: Sie sind das System … Konflikte, die sich gegen Teile des Systems richten, richten sich in Wirklichkeit gegen Sie als Vertreter des Systems.“ (:60f)
  • „Aus Opfern sollen Handelnde werden, die ihre eigene Sache mündig vertreten.“ (:66)
  • „Wenn sie wissen, um was es bei einem Konflikt eigentlich geht, ist er bereits fast gelöst.“ (:69)
  • „Wenn sie den Dienst der Versöhnung tun, arbeiten Führungskräfte mit Jesus zusammen. Jeder Versöhnung ist in seinem Interesse.“ (:74)
  • „Es gibt vier Arten von Konflikten: 1. Es gibt notwendige Konflikte. 2. Es gibt überflüssige Konflikte. 3. Es gibt lösbare Konflikte. 4. Es gibt unlösbare Konflikte.“ … Die Kunst als Führungskraft besteht nun darin, die Unterscheidung zu treffen und zu entscheiden: Will ich auf den Konflikt eingehen oder nicht?“ (:83)
  • „Kalte Konflikte können nur dann bearbeitet werden, wenn sie in einen heißen Konflikt überführt worden sind.“ (:92)
  • „Achten sie darauf, dass jeder Konflikt ein eindeutiges, klares Ende hat. Bleiben sie so lange dran, bis Sie eine endgültige Lösung gefunden haben, mit der alle Beteiligten zufrieden leben können. (:95)

PDF-Datei: 12.09._Stockmayer_Selig sind die Friedensstifter

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Glaube/Nachfolge Rezensionen

Rezension: Lebensmitte als geistliche Aufgabe

Neues Bild (13)Grün, Anselm, Lebensmitte als geistliche Aufgabe, Münsterschwarzach: Vier-Türme-Verlag 172008
4 von 5 Punkten

Einen Tag vor dem 42. Geburtstag darf man auch mal so eine Rezension veröffentlichen;-):

Menschen ab 40 Jahren machen eine Wandlung durch. Man nennt sie auch midlife-crisis, die Krise der Lebensmitte. Diese Krise ist regelrecht „… eine tiefere Existenzkrise, in der die Frage nach dem Sinn des Ganzen gestellt wird …“(:9). Die Klostergemeinschaft, um Anselm Grün herum, hat sich diesem Phänomen gewidmet und untersucht, warum das so ist und wie man dieser Krise der Lebensmitte begegnen kann. Dabei stützen sie sich auf religiöse Erkenntnisse des deutschen Mystikers Johannes Tauler (1300-1361) und auf psychologische Erkenntnisse von C.G. Jung. Das Buch verbindet die beiden Perspektiven und bezeichnet sich als Hilfe auf dem Weg, den Jesus Christus uns führt. In der Einleitung wird deutlich: „Vom Glauben her gesehen ist in dieser Krise Gott selbst am Werk. Er bringt Bewegung in das menschliche Herz, um es für sich aufzubrechen und es von allen Selbsttäuschungen zu befreien. Die Krise als Werk der Gnade, dieser Aspekt erscheint kaum in der umfangreichen Literatur über die Lebensmitte.“ (:9f). Die Krise ist „… zugleich der Ort einer neuen und intensiven Gottesbegegnung und Gotteserfahrung.“ (:10).

Zunächst wird die Bewältigung der Lebensmitte bei Johannes Tauler umfassend dargestellt (:13f). Tauler beschreibt die Krise als Gnade Gottes. Vor dieser Krise kann der Mensch in dreifacher Wiese fliehen (:18f): (1) Er sieht den Reformbedarf nicht bei sich, sondern in den Strukturen seiner Umgebung. (2) Er flieht in äußere religiöse Formen, statt nach innen zu horchen. (3) Er sucht sich immer neue Lebensformen. Keine davon ist die Lösung. Es gilt vielmehr die Zeit der Lebensmitte als entscheidende Stufe auf dem Weg zu Gott zu sehen und als schmerzliche Stufe auf dem Weg der Selbstverwirklichung (:21). Ebenso ungünstig ist die Reaktion des Zurückbleibens oder des Stehenbleibens (:21f). Die Folge davon ist die innere Austrocknung. Die richtige Antwort auf die Krise sieht Tauler daher in der Selbsterkenntnis (:27f). „Tauler … sieht darin das Werk des Heiligen Geistes. Dieser Geist will uns erschüttern, damit wir zu unserer eigenen Wahrheit durchstoßen.“ (:29) Diese Reaktion erfordert dann Gelassenheit (:33f). „Es geht in der Krise der Lebensmitte um einen inneren Führungswechsel. Nicht mehr ich, sondern Gott soll mich führen. In der Krise ist ja schon Gott am Werk, und ich soll ihm nichts in den Weg stellen, dass er sein Werk an mir vollenden kann.“ (:36). Mit dieser Erkenntnis „… verliert die Krise an Bedrohlichkeit und Gefährlichkeit.“ (:37). Daraus folgt dann die „Gottesgeburt“ (:39f). „Gott treibt die Menschen, sich im Gedränge dieser Krise ihrem eigenen Seelengrund zuzuwenden, ihre Ohnmacht und Schwäche zu erkennen und sich ganz Gottes Geist zu überlassen.“ (:39). Die Krise ist also als „geistliche Aufgabe“ zu verstehen (:41).

Dann folgen die Erkenntnisse von C.G. Jung (1875-1961) (:43f). Grün findet es erstaunlich, dass er als Psychologe zu ähnlichen Erkenntnissen wie Tauler kommt. Jung geht bei der menschlichen Entwicklung grundsätzlich von der „Individuation“ aus (:45f). Das ist ein Prozess „… welcher ein psychologisches Individuum, das heißt eine gesonderte, unteilbare Einheit, ein Ganzes, erzeugt.“ (:45). Der Prozess hat zwei große Phasen: Die Expansion in der ersten Lebenshälfte und die Introversion in der zweiten Hälfte. Dabei geht es in der zweiten Lebenshälfte um die Entfaltung des Selbst. Der Wendepunkt zwischen erster und zweiter Lebenshälfte ist die Lebensmitte zwischen 35 und 45 Jahren. „Und das Grundproblem dieser Wende besteht darin, dass der Mensch meint, er könnte mit den Mitteln und Prinzipien der ersten Lebenshälfte nun auch die Aufgaben der zweiten meistern.“ (:48). Aber „Der Nachmittag ist genauso wichtig wie der Vormittag. Doch er folgt eben anderen Gesetzen.“ (:49) Nun gilt es, sich an die innere Realität anzupassen. „Statt Expansion ist nun die Reduktion auf das Wesentliche, der Weg nach innen, Introversion gefordert.“ (:49). Dazu gehört zunächst die „Relativierung der persona“ (:49f). Hier geht es um die Erkenntnis, den Status durch Amt und Titel und den Erwartungen von außen nicht zu entsprechen, sondern seine innere Persönlichkeit zu entwickeln. Dann gehört dazu die „Annahme des Schattens – das Gegensatzproblem“ (:50f). In der zweiten Lebenshälfte gilt es das Unbewusste (den Schatten) anzunehmen, der in der ersten Lebenshälfte eine untergeordnete Rolle spielte. Hier ging es um die Festigung des Ichs, des Bewussten. Jetzt muss man sich auch dem Unbewussten zuwenden. Wer das nicht tut, wird entweder zum Prinzipienreiter (es darf nur eine Richtschnur des Handelns geben) oder er wirft alle Werte über Bord: „Berufsänderungen, Scheidungen, religiöse Wandlungen, …sind Symptome dieses Hinüberschwingens ins Gegenteil.“ (:52). Aber mit der Verdrängung bleibt die Störung des Gleichgewichts. „Man erliegt dem Irrtum, dass der gegenseitige Wert unseren bisherigen Wert aufgehoben hat.“ (:52). Dabei geht es lt. Jung darum, die früheren Werte zusammen mit einer Anerkennung ihres Gegenteils zu erhalten. (:53). Es geht also um Integration. Jetzt wird es sehr psychologisch. Jung meint, dass man das weibliche und männliche Element des Lebens (anima und animus) vereinigen muss. Hört sich komischer und komplizierter an, als dann ausgeführt wird (53f). Grün schließt diesen Abschnitt mit der Erkenntnis, dass anima und animus Archetypen des Menschen sind, „… die nicht in erster Linie mit Mann und Frau zu tun haben, sondern mit der Struktur der menschlichen Seele. Entscheidend ist, dass sich der Mann in der Lebensmitte neu überlegen will, wie er seine Ganzheit leben möchte. Und die Frau muss sich klar werden, was zu ihrem Wesen als Frau alles gehört.“ (:61). Letztlich geht es um die Annahme des Sterbens und die Begegnung mit Gott. „Das eigentliche Problem, vor dem der Mensch in der Lebensmitte steht, ist schließlich seine Haltung gegenüber dem Tod … Nur wenn der Mensch an ein Weiterleben nach dem Tode glaubt, ist das Ende seines irdischen Lebens, ist der Tod ein vernünftiges Ziel.“ (:62). „Für Jung ist das Weiterleben nach dem Tod keine Sache des Glaubens, sondern der psychischen Realität. Die Seele findet es vernünftig. Indem sie sich darauf einrichtet, bleibt sie gesund.“ (:62). „Das Leben hat ein Ziel. In der Jugend besteht das Ziel darin, dass der Mensch sich in der Welt einrichtet und etwas erreicht. Mit der Lebensmitte ändert sich das Ziel. Es liegt nicht auf dem Gipfel, sondern im Tal, dort wo der Aufstieg begann.“ (:63) „Denn leben, lebendig bleiben, reifen kann nur, wer das Gesetz des Lebens annimmt, das sich auf den Tod als sein Ziel hinbewegt.“ (:63). Grün schließt: „Die geistliche Wiedergeburt, das Sich-wandeln-lassen durch Gott, ist die Aufgabe der zweiten Lebenshälfte, eine Aufgabe voller Gefahren, aber auch voller Verheißungen.“ (:67)

Bemerkenswert ist, dass das Buch nun seine 17. Auflage seit 1980 hatte. Mittlerweile ist die Forschung hier auch weitergegangen und man geht momentan von viel mehr Lebenskrisen aus (z.B. die Quarterlife-Krise). So schreibt Grün zum Schluss, der wohl in der neueren Auflage hinzugefügt wurde: „Es gibt zwar die typische Krise der Lebensmitte, doch wir sollten uns darauf nicht fixieren …. So versuche ich, jetzt im Augenblick zu leben, dankbar zu sein für alles, was in und mit mir geschehen ist, und immer offen zu sein für die Herausforderungen, die mir die Gegenwart stellt.“ (:70)

Fazit: Alles in allem ein sehr anregendes Buch für Personen, die sich in der Lebensmitte befinden. Sehr empfehlenswert, auch wenn manche Ausführungen von Jung zunächst befremdlich wirken. Dazu kommt ein super Preis: 6,60 € und man hat die 72 Seiten an einem Abend gelesen.

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Jugendarbeit Kirche/Gemeinde Leitung Mitarbeiterführung Rezensionen

Rezension: herzblut – Dynamische Jugendarbeit

herzblut - Dynamische Jugendarbeit, Markus Kalbherzblut
Dynamische Jugendarbeit
Wie deine Jugendarbeit Leben verändert
Markus Kalb
4,5 von 5 Punkten  / 136 Seiten

Endlich! Ein Buch über christliche Jugendarbeit, mit evangelikaler Ausrichtung, aus Deutschland. Das wurde auch Zeit, nachdem jahrelang nur Bücher aus Amerika übersetzt wurden. Markus Kalb, Leiter der Wiedenester Jugendarbeit, hat es geschrieben. Er hat den Titel „Herzblut“ gewählt. Ihm geht es laut Cover um „Dynamische Jugendarbeit“, die das Leben von Jugendlichen verändert.

Die Stärke des Buches liegt darin, dass sich Markus auf das innere Zentrum einer christlichen Jugendarbeit konzentriert und den konkreten strategischen Aufbau nur grundsätzlich behandelt. Als Praktiker hätte ich mir hier etwas mehr praktische Tipps gewünscht.
Aber natürlich muss erst das „Innere“ stimmen, bevor „Äußeres“ gemacht wird. Und hier legt Markus richtig los. Man nimmt ihm ab, dass es ihm um das Herz geht. Er schreibt persönlich, aus Erfahrung, jesuszentriert und von da aus – sicher für manche überraschend – wertkonservativ.
Das Buch ist in drei Teile geteilt, die jeweils in Kapitel gegliedert sind: 1. Das Herz des Jugendmitarbeiters (Jesus lieben – Jugendlichen dienen) / 2. Das Herz des Teams (Jesus lieben – Mitarbeiter gewinnen) / 3. Das Herz des Jugendlichen (Jesus lieben – Ihm nachfolgen).

Im 1. Teil geht es Markus um den Mitarbeiter. Er ist immer ein Vorbild: „Du kannst nicht kein Vorbild sein“ (:16). Er liebt zuerst Jesus und von da aus seine Jugendlichen. Markus entfaltet sehr gut den feinen Unterschied zwischen einer programmorientierten und beziehungsorientierten Jugendarbeit (:34f). Der Mitarbeiter lebt aus der Kraft des Heiligen Geistes und hat eine dienende Haltung. Das Ziel des Mitarbeiters ist es, wie Jesus zu werden. Markus gibt dafür konkrete Tipps („immer“ beten, Gedankenfütterung, Bibel lesen, im Moment leben, um ein weiches Herz ringen). Für mich eines der stärksten Kapitel des Buches.
In Teil 2 lenkt Markus dann den Leser auf das Team. Wer Teamarbeit begreift, kann ein Team genießen. Die Zusammenstellung des Teams ist entscheidend. Weiter geht es um die Mitarbeitergewinnung (:60f)  und  die ordentliche Einarbeitung und Einführung von neuen Mitarbeitern.
Dann widmet sich Markus im 3. Teil den Herzen der Jugendlichen. Die Liebe der Jugendlichen zu Jesus ist Ziel der Jugendarbeit. Ab 81f. zeigt Markus krasse Fehlentwicklungen auf, die sich in unsere Szene eingeschlichen haben. Er fordert auf, zum echten Jesus zurückzukehren: „So bauen wir uns unseren Jesus selbst. Der uns besser gefällt. Der aber leider tot ist – denn nur der echte Jesus lebt.“ (:83). Wir brauchen keinen falschen Kuschel-Jesus (:88). Jesus will retten, vor dem Zorn Gottes, weil Gott heilig ist. Ohne Jesus gibt es keine Rettung. Schließlich: „Gott ist nicht gerne zornig. Er will uns nicht vernichten und strafen… Er ist die Liebe, er sucht seine Kinder. Gott der Vater ist es ja, der aus Liebe seinen Sohn gesandt hat.“ (:91) Richtig gute, deutliche und seltene Worte in einem Buch über Jugendarbeit. Dieser Jesus ist es wert, geliebt zu werden. Er steht aber bei Jugendlichen zunächst in Konkurrenz mit Beziehungen & Sex, Geld & Besitz, Leistung & Erfolg, Party & Musik, Religion & Gesetzlichkeit (:92). Jugendliche müssen daher zuerst sich selbst lieben (:94f), weil Gott sie liebt. Sehr gut auch die Ausführungen zu Glaube vs. „Regelion“ (:103f). Auf dem Fundament eines stabilen Glaubens gelingt es Jugendlichen ihren Nächsten und ihre Freunde lieben, sozial aktiv zu sein und schließlich die Ortsgemeinde zu lieben. Letztendlich geht es darum, dass Jugendliche geistlich erwachsen werden.

Ich empfehle, sich das 136-Seiten-Buch „mal eben“ „reinzuziehen“; dann aber über die einzelnen Kapitel im Team zu diskutieren. Markus schreibt über Grundprinzipien der christlichen Jugendarbeit. Die müssen verinnerlicht werden. So wird daraus die richtige Strategie wachsen. Alles mit Herzblut.