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Leitung Mitarbeiterführung

Fragwürdige These: „Ein Leiter muss sich überflüssig machen“

Oft habe ich die These schon gehört: „Als Leiter ist es deine wichtigste Aufgabe dich überflüssig zu machen“. (Mit Leiter meine ich hier immer auch Leiterinnen).
Das hört sich zunächst vielleicht richtig an: Ich fördere so lange Leute, bis andere so gut sind, dass sie meinen Job übernehmen können. Dann kann ich gehen und die neuen Leute können meine Aufgaben übernehmen – aber es ist nicht richtig.

Learn to fly here!Kann ich mich dann um „Wichtigeres“ kümmern, oder wie? (wird so nicht gesagt, aber scheint ja so zu sein, wenn ich gehen kann). Für mich gehört diese Aussage immer mehr in den Bereich der Fabeln.

  • Was ist denn, wenn ein Leiter zum Leiten eingesetzt wurde? Und zwar gerade mit oder wegen seiner Persönlichkeit und Kompetenz. Keiner will, dass er geht. Das gilt im ehrenamtlichen Bereich, wo ein Leiter demokratisch gewählt wurde, aber auch wenn ein Leiter für das Leiten bezahlt wurde. Kein Arbeitgeber stellt doch einen Leiter ein, damit er sich überflüssig macht.
  • Was ist mit dem wichtigen Grundsatz der Stabilität und der Nachhaltigkeit? Es ist doch gut, wenn ein Leiter für längere Zeit Sicherheit und Stabilität ausstrahlt. Es ist doch ungünstig für eine Organisation (oder auch für ein Volk), wenn ständig der Leiter wechselt.
  • Wie soll das für die Person des Leiters aussehen, der ja auch als Mensch, mit vielleicht einer Familie, sichere Rahmenbedingungen braucht? Das ist doch gar nicht lebbar, bzw. nur in einer bestimmten Lebensphase lebbar.
  • Wenn ein Leiter sich überflüssig machen würde, würde er doch auch seine aktuelle eigene Arbeit irgendwie schlecht machen. Leitung hat doch auch was mit Überzeugung zu tun, mit Richtigkeit, mit bestimmter Einflussnahme und Werten. Wen ein Leiter weiß, was er will, will er es auch erreichen. Wenn sein Ziel die Überflüssigkeit ist, dann kann er doch gar nicht seine Werte durchsetzen und seinen Weg verfolgen, von dem er aber überzeugt ist, dass es ein guter Weg für die Organisation, Kirche, oder Partei ist. So schreibt ein Günter Banas in einem Kommentar in der FAZ (10.04.2013), zur Forderung von Parteileuten an Frau Merkel, einen Nachfolger aufzubauen, Folgendes: „Noch nie hat ein Amtsinhaber seinen Nachfolger „aufgebaut“ – und Ämter wie die ihren werden nicht vergeben, sondern wollen erkämpft sein. Noch nie hat ein Kanzler seine Partei auf die Zeit „danach“ vorbereitet. Wie sollte er es auch tun? Seine eigenen Politik konterkarieren? Die CDU-Oberen mögen ihrer Vorsitzenden alles zutrauen. Doch was zu viel ist, ist zu viel.“
  • Okay. Eine Firma, eine Jugendgruppe oder eine Gemeinde sind keine Partei. Ein Leiter, der weiß, dass er geht, muss seinen Nachfolger aufbauen und fördern oder einarbeiten. Außerdem müssen Leute gefördert werden, die irgendwann die Gesamtleitung übernehmen können. Aufbau, Einarbeitung und ordentliche Übergabe sind wichtig für die Nachhaltigkeit einer Arbeit. Das ist wichtig für die Organisation und für das Reich Gottes. Es sei denn, der Gedanke des Erkämpfens, den wir kaum bewusst kennen, ist wichtig. Weil der Sieger auch das Stehvermögen hat, die Größe der Aufgabe zu bewältigen. Aber das gilt nicht für die Gemeinde Jesu.

Was ein Leiter tun muss:

  • Ein Leiter sollte möglichst viele neue Leiter fördern. Er soll dabei Teams aufbauen, kann dadurch neue Arbeitszweige aufbauen, Leiter abgeben oder aussenden oder die Qualität der Leitung in einer Organisation auf allen Ebenen anheben.
  • Wer als christlicher Leiter Eph 4,11f oder 2Tim 2,2 ernst nimmt, der wird immer fördern.
  • Das Ziel eines Leiters sollte sein, die nachfolgende Generation besser auszubilden als die eigene Generation.
  • Wenn ein Leiter eine Organisation verlässt, erstmal egal aus welchen Gründen, dann wird ein guter Leiter einen neuen Nachfolger aufbauen. Oder mehrere Nachfolger aufbauen. Er macht eine gute Übergabe und führt den neuen Leiter in die Organisation ein. Er verlässt bestellt sein Feld.
  • Ein Leiter muss wissen, wann seine Zeit vorbei ist. Und dann muss er sein Feld bestellen und andere einzuführen, vernünftig zu übergeben und vernünftig das Feld zu verlassen.

Aber überflüssig sollte er sich nicht machen. Das kann sogar genau das Gegenteil von „richtig“ sein. Ich habe schon manchmal gedacht: Dieser Leiter geht viel zu früh. Er hat noch nicht stabilisiert. Er hat nur gegründet oder kurz ein Feuer entfacht. Aber er hat noch nicht für Nachhaltigkeit gesorgt. Warum geht er schon?
Oder: Wieso geht der schon? Der hat noch gar keinen stabilen Nachfolger aufgebaut. Natürlich ist das auch manchmal nicht möglich, aber Ziel muss es bleiben. Von Anfang an.

Insofern wird es Zeit, mit dieser Floskel abzuschließen. Ich schlage stattdessen vor: „Ein Leiter muss fördern, fördern, fördern und seine Nachfolge vernünftig regeln.“