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Kirche/Gemeinde Leitung

Gemeinden: Ihr Style, ihre Kategorien, ihre Besucher

Während meines Aufenthaltes in Großbritannien werde ich ganz viele verschiedene Kirchen und Gemeinden besuchen. Ich verspreche mir davon Inspiration für meine zukünftige Aufgabe. Und ich bin davon überzeugt, dass man von jeder Gemeindeform etwas lernen kann. Andy Stanley schreibt in seinem Buch Next Generation Leader: „Lerne was du kannst, von wem du kannst.“

Als Erstes fällt mir natürlich der Style einer Gemeinde auf. Ich besuche einen Gottesdienst oder checke die Internetseite und bekomme einen ersten Eindruck. Und hier denke ich sehr schnell in den Kategorien traditionell oder progressiv. Das hilft aber noch nicht unbedingt weiter. Eine Kategorie hat dabei immer den Nachteil, dass sie nicht zu 100 % passt und lange nicht alles aussagt. Dennoch hilft sie natürlich beim Denken und Einordnen und deshalb habe ich weiter unten auch sechs verschiedene Kategorien von Gemeinde-Styles aufgestellt. Der Style sagt aber nicht unbedingt etwas über …

  • die Theologie oder die Dogmatik einer Gemeinde aus (liberal oder konservativ)
  • den Gemeinschaftsfaktor der Gemeinde aus (warmherzig, kaltherzig, tief, oberflächlich)
  • den Lehrfaktor aus (wie attraktiv und relevant sind die Predigten für den Alltag der Leute)
  • den Leitungsfaktor aus (kongregationalistisch-demokratisch, episkopal-bischöflich, presbyterianisch)
  • den Musikfaktor aus (modern, traditionell, gemischt)

Die genannten Faktoren sind für eine Entscheidung, ob Menschen diese Gemeinde besuchen (bzw. sich angezogen fühlen) oder nicht, absolut mitentscheidende Kriterien. Sie alle bestimmen nämlich den Style. Kriterien wie Gemeinschaft, Lehre und Leitung kann man erst beurteilen, wenn man länger eine Gemeinde besucht hat. Die Musik kann man dagegen ziemlich schnell beurteilen.
Jetzt kann einer Person z.B. aber der Gemeinschaftsfaktor wichtiger sein, als der Musikfaktor. Und weil die Gemeinschaft so gut ist, nimmt man die schlechte Musik in Kauf. Die Gemeinde wirkt also im ersten Moment eher traditionell, ist aber bei der Gemeinschaft ganz weit vorn. Hier kommt es also auf den zweiten Eindruck an.

Warum bestimmte Menschen in bestimmte Gemeinden gehen, ist nicht immer klar ersichtlich. Am besten scheint es mir der Begriff „Passung“ auszudrücken. Der Mensch mit seinem Lebenskontext und die Gemeinde vor Ort passen aus verschiedenen Gründen einfach gut zusammen. Natürlich passt nicht alles, aber insgesamt ist die Sache stimmig. Erst, wenn zu viele Faktoren nicht mehr passen, wechselt eine Person die Gemeinde.

  • Je älter die Person ist und je mehr Personen an ihr dranhängen (z.B. bei einer Familie) muss sehr viel passieren, damit jemand eine Gemeinde verlässt. Es müssen entweder theologische Verwerfungen sein oder aber es kam zu einem großen Streit.
  • Für Familien spielt es eine sehr große Rolle, ob eine Gemeinde eine gute Kinder- und Jugendarbeit hat. Ist das nicht der Fall, ist eine Familie eher bereit, die Gemeinde zu wechseln.
  • Je jünger und mobiler die Person ist, spielt auch der Style eine Rolle. Es gibt viele gut erreichbare hippe Angebote, die ausgewählt werden können. Hinzu kommt noch, dass man sich auch gerne von der Gemeinde löst, in der die eigenen Eltern zu Hause sind.
  • Gleichzeitig bestimmen alle Altersgruppen und sozialen Schichten wieder den Style einer Gemeinde und ziehen somit auch Außenstehende an.

Der erste Eindruck ist also nicht immer der beste Eindruck und auch nicht der alles entscheidende Eindruck. Aber wir beurteilen ja oft nach dem ersten Eindruck. Und manchmal sagt der erste Eindruck auch etwas über die Theologie und die Gemeinschaft einer Gemeinde aus.

Kategorien erleichtern – wie oben schon gesagt – das Denken. Ich habe mal folgende Kategorien nach der A-B-C-Methode aufgestellt.

  • A1: Gemeindegründung im klassischen Style (5-50 Jahre alt, klassische Gemeindegründungsbewegungen, z.B. der Freikirchen)
  • A2: Gemeindeneugründung im aktuellen Style (5-50 Jahre alt, icf, gesellschaftsrelevanter Ansatz, FeG-Projekte (z.B. City-Churches), CMP-Projekte, emergente Ansätze)
  • B1: Freikirche mit klassischem Style (z.B. klassische Baptisten-, Brüder- oder Freie evangelische Gemeinde)
  • B2: Traditionelle Kirche im weiterentwickelten Style (weiterentwickelte Freikirche, evtl. mit gesellschaftsrelevanten-missionarischem Ansatz)
  • C1: Alte Kirche im klassischen Style (traditionelle katholische, anglikanische oder evangelische Kirchengemeinden)
  • C2: Alte Kirche im weiterentwickelten Style (moderne anglikanische Kirchen, katholische oder evangelische Jugendkirchen-Projekte)

Es ist dabei nicht hilfreich, wenn man zwischen den Kategorien vergleicht. Es ist unfair, die Stärken eine A2-Gemeindegründung mit den Schwächen einer C1-Kirche zu vergleichen. Wenn, dann muss man Stärken mit Stärken oder Schwächen mit Schwächen vergleichen. Noch besser ist es zu gucken, wie eine andere Kirche den Auftrag Jesu auslebt und sich von der Art und Weise dieses Auslebens inspirieren zu lassen. Jede Kirche ist ja in einem bestimmten Kontext gesetzt und zu einem bestimmten Zeitpunkt vom Herrn der Kirche ins Leben gerufen worden.
Es gilt: Inspiration statt Vergleich. Die Leitung jeder einzelnen Gemeinde ist gefragt, ihre Gemeinde so aufzustellen, dass sie Mt 28,18-20 erfüllt und den Sendungsauftrag von Jesus Christus (Joh 20,21) wahrnimmt. Und hier kann eine Abgleichung mit anderen Gemeinde helfen, eigene Defizite zu erkennen oder neue Ideen für den eigenen Gemeinde-Kontext zu bekommen.

Soweit mal ein paar erste Gedanken zum Thema. Im weiteren Verlauf des Blogs folgen Eindrücke von diversen Besuchen in verschiedenen Churches in the UK. Ich wünsche Inspiration beim Lesen.

(überarbeitet am 01.08.2012 und 04.07.2023)