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Rezension: Von Kritik lernen ohne verletzt zu sein

KritikKessler, Martina/Hübner, Michael, Von Kritik lernen ohne verletzt zu sein, Brunnen-Verlag 2013 / edition acf
3,5 von 5 Punkten

Das 110-seitige Buch ist gut und schnell zu lesen. Ich habe es mir gekauft, um meinen Umgang mit Kritik besser zu managen. Es ist in vier Kapiteln eingeteilt:
1. Kritikgesinnung lernen von den Sprüchen
2. Unterschiedliche Kritikverarbeitung: Mut, reflexiv zu denken
3. Konstruktive Kritik
4. Neurotische Kritik

Die Autoren verstehen Kritik als „kostenlose Unternehmensberatung“. Dieser positive Ansatz gefällt mir und zieht sich durch. Hier liegt die Hauptstärke des Buches. Mit dieser Einstellung kann man von Kritik viel lernen. Exemplarisch sei hier Seite 74 genannt, wo es darum geht auf Killereinwände gegen Kritik zu verzichten.
Ich vermisse aber, dass an keiner Stelle der Gedanke aufgegriffen wird, dass nicht jeder diese Art von Beratung will und braucht oder gerade Lust hat von Kritik zu lernen, bzw. diese tollen Möglichkeiten nicht zu dem Zeitpunkt wünscht, den der Kritiker sich ausgesucht hat. Aber ok – ist halt nicht der Ansatz des Buches.
Viele gute Tipps im Buch beziehen sich auf die ab Seite 65f erklärte „Neurotische Kritik“. Schwammig bleibt für mich aber wie „Neurotische Kritik“ (:65f) letztlich von „normaler Kritik“ zu unterscheiden ist. Ich würde und habe beim Lesen viele Tipps und Erklärungen generell auf Kritik bezogen, weil die Auswirkung im ersten Moment des Empfangens von Kritik doch erst mal gleich ist. Und ich darf ja nicht Kritiker vorschnell als Neurotiker einordnen.
Wenn man also die Tipps zum Umgang mit neurotischer Kritik eher auf Umgang mit genereller Kritik anwendet, ist das Buch für sehr gewinnbringend.
Sehr hilfreich finde ich die Seiten 79-84, wo die Wirkung belastender Kritik erläutert und sehr gut aufgezeigt wird, was im Kritisierten passiert. Für ihn ist eine „Sortierungsmaßnahme“ mit zeitlichem Abstand hilfreich. Das gilt für die eigenen Gefühle und für die gemachten Aussagen des Kritikers. Ganz starke Seiten im Buch.
Ab Seite 94f gibt es dann die ganz praktischen Tipps zum Umgang mit Kritik, wenngleich auch hier wieder die Überschrift „Neurotische Kritik“ ist. Da sind einige hilfreiche Tipps dabei. Hier hätte ich mir noch mehr Aspekte zum schnellen Kritikmanagement gewünscht, wie z.B. dem Steuern zum richtigen Ort oder zur richtigen Zeit für Kritik, die man ja auch als Kritisierter zum Teil beeinflussen kann. Oder auch zum Recht, dass man Kritik sofort zurückweisen kann und darf, bzw. die Erwartung zurückweisen darf, dass man sich aufgrund der Kritik ändern wird. Wenn man das tut, wird das Reaktionen hervorrufen beim Kritiker. Welche zum Beispiel? Und wie geht man damit um?
Ebenso fehlen mir einige Beschreibungen von Möglichkeiten der Kritikbewertung, zum Beispiel der Bewertung von Kritik im Team.

Trotzt der vermissten Aspekte ein sehr gewinnbringendes und praktisches Buch.

Hier die für mich wichtigsten Zitate:

  • „Ist das nicht paradox? – Kritik wird als zur Weiterentwicklung notwendig angesehen und gleichzeitig als bedrohlich erlebt.“ (:11)
  • „Das Wahre einer Kritik ist immer, dass der Absender eine Wahrheit über sich selbst sagt. In jeder Kritik steckt also eine wahre Selbstaussage.“ (:17)
  • „Manche Kritik erweist bei näherer Betrachtung als Mogelpackung. Da will jemand seine Meinung, Sichtweise oder seinen Lebensstil durchsetzen. Wenn das der Fall ist, dann sollten Sie sich unbedingt abgrenzen. Das gelingt dann gut, wenn man mit sich selbst im Reinen ist.“ (:18)
  • „Wenn Kritik gut verarbeitet werden soll, müssen Kritisierte klar unterscheiden, was von dieser Kritik angenommen werden soll, weil es zur Entwicklung anregt, und was bewusst abgelehnt werden muss, weil es zerstörerisch ist.“ (:21)
  • „Beachten Sie, dass manchmal ein Streit dadurch gelöst werden muss, dass man anerkennt, dass es keine Lösung dafür gibt.“ (:51)
  • „Allzu oft kritisieren Menschen etwas oder jemanden, ohne sich über die Wirkung ihrer Worte Gedanken zu machen. Und dennoch wollen sie mit ihrer Kritik etwas Gutes bewirken und eine Sache voranbringen.“ (:54)
  • „Wer Kritik wegen ihrer schlechten Verpackung ablehnt, schadet sich selbst.“ (:55)
  • „Frieden ist ein Zustand zwischen Menschen, in dem Konflikte nach festgelegten Normen und ohne Gewalt ausgetragen werden.“ (:65)
  • „Oft versucht man dann, die Kritik gleich abzuwehren. Dumm ist nur, dass häufig ein Stachel zurückbleibt.“ (:79)
  • „Leiter/innen müssen lernen mit Gegenwind umzugehen. Das ist unauflöslich mit einer Leitungstätigkeit verknüpft! Sie werden in einer Leitungsaufgabe nicht immer alle Wünsche der Mitarbeiterschaft erfüllen können. Und das ist letztlich auch nicht das Ziel in einer Führungsposition. Denn in erster Linie sind Sie der Aufgabe verpflichtet, die Sie übernommen haben. Dazu gehört sicherlich auch eine gute Mitarbeiterführung. Aber in einer Leitungsposition müssen Sie in der Lage sein, die Kritik an unpopulären Entscheidungen auszuhalten … >Irgendwer wird immer meckern“ … Leiter/-innen, die von allen geliebt werden wollen, werden es unendlich schwer haben und letztlich an der Aufgabe zerbrechen. Leiter/-innen, die immer von allen geliebt werden, erfüllen ihre Leitungstätigkeit mit zu vielen Kompromissen. (:82f)
  • „Manchmal ist es wichtig, sich gezielt zur Wehr zu setzen. Der Heilige Geist will in die Freiheit führen – manchmal, indem Ungerechtigkeiten akzeptiert werden, damit nicht unnötig Energie verschwendet wird, manchmal aber auch dadurch, dass sich Menschen aufrichten und falschen Beschuldigen widerstehen. Beugen Sie sich deshalb nicht vorschnell menschlichen Ungerechtigkeiten. Aber achten Sie auch auf Gottes Gedanken und Wege … Prüfen Sie Ihre Handlungsoptionen deshalb im Einzelfall genau.“ (:90)
  • „Wer um seinen sicheren Selbstwert weiß, kann seine Sicht der Wahrheit leichter sachlich und mit klarem Kopf prüfen … Wer sich selbst rechtfertigt, lässt ein Machtgefälle zu, bei dem der Macht hat, der den Rechtfertigungsdrang auslösen kann. Eine einfache Erklärung der Ziele, des Zweckes und der Motivation zu den Handlungen reicht aus.“ (:94f)
  • In Bezug auf den Kritiker: „Versuchen sie hinter die vordergründigen Kulissen zu sehen. Das geht nur, wenn Sie zu verstehen versuchen, welche persönliche Not hinter dieser Kritik stehen könnte. Dann wird es Ihnen leichter fallen, den Zusammenhang zwischen Person und Kritik zu erkennen. Das macht sie fähig, dem anderen anders gegenüberzutreten.“ (:100f)
  • „Sehen Sie Kritik als ein Wagnis des anderen an, als eine Anteilnahme, die Sie auf etwas aufmerksam machen will. Vergessen Sie eins nicht: Auch dieser Kritiker gibt Ihnen die Gelegenheit den Umgang mit Kritik zu verbessern.“ (:104)

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