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Rezension: Emotionale Führung

Goleman, Emotionale FührungGoleman, Daniel & Boyatzis, Richard & McKee, Annie. 7. Auflage 2012. Emotionale Führung, Berlin: Ullstein

Dieses Buch erschien erstmals in Deutschland 2003. Es knüpft an Golemans Bestseller „Emotionale Intelligenz“ an.  Im Paperback kostet es €9,95. Ich habe es mit Gewinn gelesen.
Es ist natürlich nicht für christliche Werke oder Kirchen geschrieben, denen mein Interesse gilt. Daher glaube ich, dass Organisationen, die eine klare Hierarchie haben und die Emotionale Führung einführen, mit ganz anderen Voraussetzungen an dieses Thema rangehen können, als (evangelische) Kirchen, Freikirchen und Werke, wo oft schon vieles sehr gruppendynamisch und emotional verhandelt wird.

Das Buch ist teilweise langatmig und oft wiederholen sich Grundaussagen. Ich frage mich auch, ob die idealtypische emotional intelligente Führungskraft (ab 299f als Art Zusammenfassung beschrieben) in der Realität so jemals vorkommen wird und empfinde die Beschreibung als unerreichbar. Ich glaube, man kann als Führungskraft aber immer wieder Eigenschaften der Idealbeschreibung erreichen.

Das Buch hat 3 Hauptteile:

Teil 1: Emotionale Führung, behandelt das Wesen emotionaler Führung und wendet es auf ein Unternehmen an. „Da die Ansichten des Anführers besonderes Gewicht haben, steuert er die Haltung der Gruppe. Er gibt vor, wie eine bestimmte Situation ausgelegt wird und lenkt damit auch die emotionale Situation.“ (:28) „Die Kunst der emotionalen Führung besteht darin, Forderungen durchzusetzen, ohne die Leute aus dem Gleichgewicht zu bringen.“ (:32)

Wichtig ist, dass Führung Resonanz erzeugt, also widerhallt (:40). „Ein Vorgesetzter muss auch mit dem Herzen führen – sonst wird er nie mehr als nur ein Manager sein.“ (:41)

Dazu gehört emotionale Intelligenz, wie vier Domänen aufweist: Selbstwahrnehmung (der eigenen Emotionen, Gefühl für das Wichtigste, Intuition), Selbstmanagement (fokussierter Antrieb), Soziales Bewusstsein (Empathie: „Empathie bedeutet nicht, dass Führungskräfte sich von den Gefühlen anderer überwältigen lassen und versuchen müssen, es allen recht zu machen…. Empathie bedeutet viel mehr, die Gefühle … in Betracht zu ziehen und dann intelligente Entscheidungen zu fällen, die diese Gefühle einbeziehen.“ (:75)) und Beziehungsmanagement: Beziehungen effektiv zu managen, bedeutet letztlich nichts anderes, als mit den Emotionen anderer richtig umzugehen.“ (:76). Von da aus werden vier resonante (leistungssteigernde) Stile entfaltet und zwei dissonante Stile. Die resonanten sind der visionäre, coachende, gefühlsorientierte und demokratische Stil. Die vier dissonanten sind der fordernde und befehlende Stil. Dissonante Führungsstile sind spezifisch einzusetzen, sonst vergraulen sie die Mitarbeiter (vgl. Widerling-Paradoxon, ab :110f). Die Stile sind als Repertoire zu verstehen: „Je mehr der sechs Führungsstile eine Führungskraft einsetzen kann, desto besser.“ (:116)

Teil 2: Führungskompetenz entwickeln, behandelt den Weg zu einer resonanten Führungskraft. Dazu gehören Grunderkenntnisse, Motivation und die Metamorphose, um die Führungskompetenzen nachhaltig zu verbessern. Für Führungskräfte ist Feedback wichtig. Jede Führungskraft kann ihren Führungsstil ändern. „Führungskompetenz ist erlernbar, nicht angeboren.“ (:131). Dafür muss man selbstbestimmt leben (:142f) und Motivation für Veränderung an den Tag legen (147f.). Die Autoren nennen nun fünf nötige Erkenntnisse für nachhaltige Veränderung (:145f): 1. Mein ideales Selbst – Wer möchte ich sein? / 2. Mein reales Selbst – Wer bin ich? / 3. Mein Lernplan – Wie kann ich meine Stärken ausbauen und meine Schwächen verringern? / 4. Mit neuen Verhaltensweisen, Gedanken und Gefühlen experimentieren und sie in der Praxis anwenden / 5. Beziehungen entwickeln, die die Veränderung unterstützen. Einige Zitate aus diesem Teil:

 „Wenn Führungskräfte an einen Punkt in ihrer Karriere gelangen, an dem sie praktisch alle Ziele erreicht haben, können sie die Begeisterung für ihre Tätigkeit verlieren. Oft gibt ihnen ein neues Ideal – zum Beispiel einen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten – wieder Energie.“ (:159)

„Doch um eine Organisation zu führen, ist eine persönliche Vision nicht genug. Eine Führungskraft braucht eine Vision für die Organisation, die die Mitarbeiter inspiriert und motiviert.“ (:160)

„Das Leben ist ein Labor des Lernens.“ (:177)

„Der vielleicht größte Fehler, den wir beim Festlegen von Zielen machen, besteht darin, dass wir uns auf Aktivitäten versteifen, die sich mit unserem täglichen Leben oder mit unserem Arbeitsstil nur schwer vereinbaren lassen. Ein Aktionsplan muss zur Struktur und zum Rhythmus unseres Lebens passen.“ (:188)

Teil 3: Emotional intelligente Organisationen schaffen, richtet den Blick auf das Team und die Organisation und zeigt auf, wie man nachhaltige Veränderungen bewirken kann.

Anders als bei Einzelpersonen muss bei Teams und Organisationen die Erkenntnis der Realität vor der Erkenntnis des Ideals erfolgen (:216), die Realität kommt vor der Vision. Sonst sind Mission Statements Lichtjahre vom Arbeitsalltag entfernt. „Gruppen beginnen sich erst zu verändern, wenn sie die Realität erkannt haben, besonders, wenn den Mitgliedern der Gruppe klar wird dass sie ihre Arbeitssituation als unharmonisch oder unangenehm empfinden.“ (:216)

„Kurz gesagt sind Gruppen nur dann klüger als Einzelpersonen, wenn sie die Qualitäten Emotionaler Intelligenz aufweisen. Jedes Gruppenmitglied trägt zur Emotionalen Intelligenz der Gruppe bei, doch der Anführer spielt eine besonders wichtige Rolle. Emotionen sind ansteckend, und es ist ganz natürlich, dass die Gruppe auf die Gefühle und das Verhalten des Anführers besonders achtet.“ (:218) Er sollte vor allen Dingen die „Macht der Gruppennormen und die Bedeutung von Gefühlen“ beachten, um die Gruppe emotional intelligent zur Hochleistung zu führen. Und weiter: „Mehr als alle anderen hat der Teamleiter die Macht, Normen zu etablieren und Harmonie und Zusammenarbeit zu maximieren, sodass das Team von den größten Stärken jedes Mitglieds profitieren kann.“ (:228)

Gemeinsam gilt es, mit den Mitarbeitern eine Vision zu entwickeln, die bei der Führungskraft selbst anfängt. „So sieht resonante Führung in der Praxis aus: die Leidenschaft der Menschen wecken und sie mit einer Vision dessen, >was sein könnte<, verbinden“ (:265). Die Schaffung einer resonanten, emotional intelligenten Kultur, vollzieht sich laut den Autoren als Prozess mit drei Abschnitten: 1. die Entdeckung der emotionalen Realität / 2. die Visualisierung des Ideals / 3. die Aufrechterhaltung Emotionaler Intelligenz (:269)

Um Veränderungen in Organisationen zu erreichen, muss der geliebte Status quo überwunden werden, was mutige Führung, Kraft und Engagement kostet. Dabei ist die Kultur der Organisation zu beachten: „Man darf die Kultur nicht ignorieren und man kann sie nicht verändern, indem man einzelne Führungskräfte verändert.“ (:282) Prozesse sind nötig, nicht Programme. Bei Veränderungsprozessen ist der „Verwirrungsfaktor“ unter Kontrolle zu halten, indem man Regeln bricht, aber die Leute dabei nicht verrückt macht (:285).

Die Erzeugung von Resonanz ist die Hauptaufgabe jeder Führungskraft. Dafür ist Emotionale Intelligenz mit ihren Kompetenzen notwendig. „Emotional intelligente Führungskräfte sind in der Lage, ihre negativen Gefühle so weit zu kontrollieren, dass sie das Wichtige nicht aus den Augen verlieren und auch unter Druck noch klar denken können.“ (:301) Sie wissen, wann Zusammenarbeit angesagt ist und wann visionäres Denken nötig ist, wann man zuhört und wann man anordnet. Sie hören auf ihre innere Stimme (:303).

Es folgen noch eine Danksagung und zwei Anhänge. Einer davon ist eine Kurzübersicht über die vier emotional intelligenten Führungskompetenzen: Selbstwahrnehmung, Selbstmanagement, soziales Bewusstsein und Beziehungsmanagement.

pdf-datei: 16-09-_goleman_emotionale-fuehrung